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© Anton Vorauer/ WWF

Neusiedler See: Darum wäre eine Wasserzuleitung eine ökologische Katastrophe

10. August 2024

Wer an den Neusiedler See denkt, denkt vermutlich an Badespaß, Segeln, (Kite-)Surfen, Urlaubsfeeling und den bekannten Leuchtturm in Podersdorf. Was viele vermutlich nicht wissen: Der Neusiedler See ist ein Jahrtausende alter Steppensee, bei dem es von Natur aus starke Schwankungen beim Wasserstand gibt. Als echter Steppensee pendelt der Neusiedler See seit 13.000 Jahren regelmäßig zwischen tiefer Überflutung und gänzlicher Austrocknung.

Immer häufiger auftretende Hitzewellen im Sommer lassen den Wasserstand des Neusiedler Sees oft tief absinken. Im September 2022 war der Wasserstand so niedrig wie seit 1965 nicht mehr. Seitens der Tourismuswirtschaft besteht die Sorge, dass der See demnächst wieder austrocknet. Der Ruf nach einer künstlichen Wasserzuleitung wird immer lauter. Es werden Pläne geschmiedet, Donauwasser in den See zu leiten, um ihn ständig für den Bade- und Bootstourismus nutzen zu können. Aber: Eine künstliche Wasserzuleitung wäre für den Neusiedler See eine ökologische Katastrophe!

Boot

4 Gründe, warum eine künstliche Wasserzuleitung tödlich für den Neusiedler See wäre

 

1. Die Zuleitung von Donauwasser senkt den Salzgehalt

Da der Neusiedler See ursprünglich abflusslos war, ist sein Wasser leicht salzhaltig. Ein weiteres, besonderes Kennzeichen des Sees ist seine Trübe: Salzgehalt, geringe Wassertiefe und ständige Windbewegung sorgen dafür, dass winzige Mineralteilchen, auch Trübepartikel genannt, in Schwebe bleiben und das – an sich saubere – Wasser des Sees undurchsichtig bleibt. Die Zuleitung von Donauwasser würde den Salzgehalt dramatisch senken und die Trübe zum Ausfallen bringen, was dramatische Folgen hätte.

2. Die Zuleitung von Donauwasser fördert das Algenwachstum und Schlammbildung

Trübepartikel bremsen einerseits das Algenwachstum, indem sie den Algen das Licht rauben, andererseits sitzt auf jedem der Milliarden Trübeteilchen im See ein winziger Bakterienrasen, der totes organisches Material abbaut, lange bevor es den Bodengrund erreichen und dort zur Schlammanreicherung beitragen kann. Eine künstliche Wasserzuleitung würde das Wasser des Neusiedler Sees weniger salzhaltig und trüb machen. Die Folge wäre, dass der See unter Umständen sogar noch schneller verlanden würde. Und: Das weniger trübe Wasser begünstigt das Algenwachstum, mit dem auch der Tourismus in Wirklichkeit keine Freude hätte.

3. Der Neusiedler See braucht Trockenphasen

Als echter Steppensee unterliegt der Neusiedler See starken Wasserstandschwankungen, die zwischen völliger Austrocknung und tiefer Überflutung pendeln. Der See braucht regelmäßige Trockenphasen, in denen sich der angesammelte Schlamm an der Luft zersetzen kann. Wir sollten natürliche Wasserstandschwankungen im See zulassen, denn gelegentliches Niedrigwasser und vereinzelte Austrocknungsereignisse halten den Neusiedler See langfristig am Leben.

4. Ausfall von Niedrigwasser bedroht den Schilfgürtel

Auch der Schilfgürtel des Sees benötigt gelegentliches Niedrigwasser, um sich regenerieren zu können. In Niedrigwasserphasen und nach Austrocknungsereignissen kann sich der Schilfgürtel verjüngen, bei niedrigen Wasserständen weitet er sich aus und bei langfristig anhaltender Überflutung kommt es zu Überalterung und flächenhaftem Absterben des Schilfs. Eine gleichmäßige Wasserführung entspricht nicht dem natürlichen Wasserhaushalt eines Steppensees, der von den Extremen lebt. Tiere und Flora haben sich an diese Extreme angepasst und sind darauf angewiesen.

 

Schilfgürtel

Lösung: Naturnahen Wasserhaushalt zulassen

Der WWF fordert die Wiederherstellung eines möglichst naturnahen Wasserhaushaltes am Neusiedler See. Das bedeutet, dass in den immer wiederkehrenden Hochwasserphasen möglichst viel Wasser im See zurückgehalten werden muss, um Vorräte für die ebenso unweigerlich folgenden Dürrezeiten zu bilden. Derzeit wird in nassen Jahren noch immer unnötig viel Wasser aus dem See abgeleitet. Mit dem Wasser fließt auch kostbares Salz davon. Statt Wasser und Salz abzuleiten, sollten alte Überschwemmungsräume im Südosten des Sees wieder angebunden werden, um Hochwässer aufzufangen und insgesamt mehr Wasser im See halten zu können.

Das wäre mit den 90 Millionen Euro, die derzeit für den Bau der Wasserzuleitung aus der Moson-Donau veranschlagt werden, gut möglich. Mit dieser Summe könnten in Ungarn jene ehemaligen Überschwemmungsflächen abgelöst werden, die Anfang des 20. Jahrhunderts abgedämmt wurden und die bis heute als Acker und Weideland genutzt werden. Das stillgelegte Land könnte dem See als Speicherraum zurückgegeben werden. Dadurch könnten insgesamt höhere Wasserstände zugelassen werden. Denn in Zeiten der Klimaerwärmung ist fast mit Sicherheit zu erwarten, dass niedrige Wasser-Pegelstände durch Starkniederschläge plötzlich wieder ansteigen werden.

„Wir sind zu Recht stolz auf unseren Steppensee und dürfen ihn nicht zu einer schlammigen Badewanne degradieren.“  WWF-Experte Bernhard Kohler.

Was ist ein Steppensee?

Steppenseen liegen in Landschaften mit steppenartigem Klima – das heißt mit geringen Niederschlägen, hohen Sommertemperaturen und relativ kalten Wintern. Sie sind oft von geringer Tiefe, meist ohne Abfluss und daher mehr oder weniger salzhaltig. Steppenseen zeigen meist starke Wasserstandsschwankungen. Sie trocknen in extremen Dürreperioden immer wieder aus, füllen sich aber in feuchteren Jahren rasch wieder mit Wasser. Auch der Neusiedler See braucht regelmäßige Trockenphasen.

Der Neusiedler See

  • Ist der westlichste Steppensee Europas.
  • besteht seit über 13.000 Jahren – also seit dem Ende der letzten Eiszeit.

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