Umweltschutzorganisation: Weltklimakonferenz endet mit untauglichen Ergebnissen – Verbindliche Ausstiegspläne aus Kohle, Öl und Gas gefordert
WWF Living Planet Report zeigt dramatischen Einbruch von Wildtier-Beständen weltweit
Wien, am 13. Oktober 2022 – Das globale Barometer der Artenvielfalt ist auf einem neuen Tiefstand angelangt. Laut dem neuen Living Planet Report der Naturschutzorganisation WWF sind die weltweit untersuchten Populationen von Säugetieren, Vögeln, Amphibien, Reptilien und Fischen seit 1970 im Schnitt um über zwei Drittel eingebrochen. Der Living-Planet-Index beruht auf Daten von 32.000 Wirbeltier-Populationen aus 5.230 Arten, deren Bestände durchschnittlich um 69 Prozent gesunken sind. Besonders betroffen sind Lateinamerika und die Karibik mit einem verheerenden Einbruch von 94 Prozent. “Unsere Natur wird rücksichtslos ausgebeutet und zerstört. Das schadet nicht nur Wildtieren, sondern raubt uns letztlich die eigenen Lebensgrundlagen. Denn die Ernährungssicherheit und Gesundheit von Milliarden Menschen hängen direkt von intakten Ökosystemen ab”, sagt Georg Scattolin, Leiter des internationalen Programms beim WWF Österreich. Der WWF (World Wide Fund for Nature) fordert deshalb einen globalen Naturschutz-Pakt, den die Politik bei der UN-Biodiversitäts-Konferenz im Dezember in Kanada beschließen muss.
Zu den wesentlichen Treibern des Negativ-Trends zählen laut dem WWF-Report die Zerstörung und Übernutzung von Lebensräumen, die Entwaldung, der illegale Wildtierhandel und die Wilderei. Dazu kommt der fatale Ping-Pong-Effekt zwischen Artensterben und Klimakrise, der erstmals im Fokus des Living Planet Reports steht. “Brennende Regenwälder, aussterbende Arten und immer mehr Monokulturen sorgen dafür, dass weniger CO2 gespeichert werden kann. Wenn wir so weitermachen, verlieren wir im Kampf gegen die Klimakrise die Natur als unsere beste Verbündete”, warnt Georg Scattolin vom WWF. Denn Wälder sind nicht nur wichtige Lebensräume für unzählige Arten, sondern auch riesige CO2-Speicher, genau wie Grasländer, Moore und Savannen.
Der WWF fordert einen grundlegenden Systemwandel, um den Raubbau an der Natur zu stoppen. “Das Artensterben muss endlich als existenzielle Krise für uns Menschen erkannt werden. Mit einem ambitionierten, globalen Naturschutzpakt nach Vorbild des Pariser Klimavertrags ist eine Wende möglich“, appelliert WWF-Experte Scattolin. „Arten und ihre Lebensräume müssen überall besser geschützt werden. Denn auch Europa ist für massive Naturzerstörung in anderen Teilen der Welt verantwortlich. Vor allem Tropenwälder in Lateinamerika werden rücksichtslos abgeholzt, um Futtermittel für den Export nach Europa zu produzieren. Das ist ein wesentlicher Grund für den drastischen Rückgang der untersuchten Wildtier-Bestände in Südamerika“, erklärt der Artenschutz-Experte.
Beispiele betroffener Arten
Für die 14. Ausgabe des Living Planet Report wurden mehr Wildtier-Bestände untersucht als je zuvor. Der Index beruht auf Daten von 32.000 Wirbeltier-Populationen aus 5.230 Arten. Einige Beispiele von Arten, deren Bestände einen besorgniserregenden Rückgang verzeichnen:
- Der Östliche Flachlandgorilla (Gorilla beringei graueri) ist durch Wilderei bedroht. Sein Bestand im Kahuzi-Biega-Nationalpark in der Demokratischen Republik Kongo ist seit 1994 um etwa 80 Prozent eingebrochen.
- Die Zahl Gewöhnlicher Delfine (Delphinus delphis) im Ionischen Meer ist zwischen 1995 und 2007 um 90 Prozent zurückgegangen – die Überfischung ihrer Beutetiere ist hauptverantwortlich dafür.
- Australiens Koala-Population (Phascolarctos cinereus) leidet unter Lebensraumzerstörung, etwa durch verheerende Buschbrände, und wurde seit 2001 um 50 Prozent dezimiert.
- Im Jahr 2019 flogen um 56 Prozent weniger Feldlerchen (Alauda arvensis) durch Europas Lüfte als noch 1980. Pestizideinsatz in der industriellen Landwirtschaft und Flächenfraß sind die Hauptgründe für ihren Rückgang.
Konkreter Artenschutz wirkt
Der Living Planet Report macht auch Hoffnung. „Anhand konkreter Beispiele zeigt sich, dass Natur- und Artenschutzmaßnahmen wirken. Die Menschheit verursacht nicht nur die Probleme, sondern hält auch den Schlüssel für deren Lösung in Händen“, sagt WWF-Experte Georg Scattolin. Zwei Beispiele:
- Tiger (Panthera tigris) in Nepal verzeichnen von 2009 (121 Tiger) bis 2018 (235 Tiger) einen Populationszuwachs um 91 Prozent. Heuer wurden gar 355 Tiger gezählt – die Population hat sich durch strengen Schutz also nahezu verdreifacht.
- Die Population von Kegelrobben (Halichoerus grypus) in der Ostsee ist von 2013 bis 2019 um 139 Prozent gewachsen.
Report zeigt Artensterben in Flüssen und Seen
In den besonders stark betroffenen Süßwasser-Lebensräumen haben die weltweit untersuchten Bestände laut dem Living-Planet-Bericht einen Verlust von im Schnitt 83 Prozent erlitten – vor allem, weil immer mehr Feuchtgebiete verloren gehen und Gewässer verbaut und übernutzt werden. Dieser katastrophale Trend ist auch in Österreich sichtbar: Derzeit sind mehr als 60 Prozent der heimischen Fischarten gefährdet und nur noch 14 Prozent der Flüsse ökologisch intakt. Trotzdem werden immer neue Monster-Projekte in bisher unberührter Natur geplant: Der geplante Ausbau des Kraftwerks Kaunertal in Tirol würde etwa dem Ötztal bis zu 80 Prozent des Wassers entziehen und im nahe gelegenen Platzertal eine über 6 Hektar große Moorfläche zerstören – mit dramatischen Folgen für die Umwelt. Der WWF fordert den Stopp des überdimensionierten Kraftwerkbaus und eine naturverträgliche Energiewende.
Hintergrund zum Living Planet Report
Der Living Planet Report zeigt den ökologischen Gesundheitszustand der Erde und Wege aus der Biodiversitätskrise. Die Studie wird seit 1998 vom WWF (World Wide Fund for Nature) veröffentlicht, seit 2000 erscheint sie alle zwei Jahre. Die aktuelle 14. Ausgabe hat der WWF gemeinsam mit der Zoological Society of London erstellt.
Anhand der Auswertung von 32.000 Wirbeltier-Populationen aus 5.230 Arten zeigt der Living Planet Index 2022 einen durchschnittlichen Rückgang der Bestände um 69 Prozent im Zeitraum von 1970 bis 2018. Zum Vergleich: Im ersten Living Planet Report lag der ermittelte Rückgang noch bei 30 Prozent für den Zeitraum 1970 bis 1995. Generell gilt: Die prozentuale Veränderung spiegelt die durchschnittliche proportionale Veränderung der Größe der Bestände über einen längeren Zeitraum wider – nicht die Anzahl der verlorenen Einzeltiere.
Mehr Infos unter www.wwf.at/living-planet-report
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