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Warum ist die Kritik an der EU-Waldstrategie 2030 nicht berechtigt?

28. Feb 2024

Die EU-Kommission hat im Zuge des EU Green Deals im Juli 2021 eine neue Waldstrategie für 2030 veröffentlicht. Sie baut auf die EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 auf und soll dazu beitragen, die Biodiversitätsziele der EU sowie das Ziel der Reduzierung der Treibhausgasemissionen um mindestens 55 % bis 2030 und der Klimaneutralität bis 2050 zu erreichen.

Inhalt dieses Artikels:

2021 wurde die EU-Waldstrategie verabschiedet. Damit hat sich die EU das Ziel gesetzt, den Zustand der europäischen Wälder zu verbessern, die Waldfläche zu erweitern und die forstbasierte Bioökonomie zu stärken und voranzutreiben. Dies mit der Betonung, dass Wälder eine Schlüsselrolle zur Bekämpfung der Klimakrise einnehmen.

In diesem Artikel informieren wir über die Inhalte der Strategie und welche weiteren Schritte zur Umsetzung folgen. Wir wollen aber auch die an dem Dokument geübte Kritik thematisieren und auf die Falschinformationen eingehen, die über die Strategie verbreitet werden.

Artikel verfasst von:


Mag.a Karin Enzenhofer
Expertin für Wald
WWF Österreich

1. Was ist in der EU-Waldstrategie 2030 festgeschrieben?

1.1. Welche zentralen Ziele werden mit der Strategie verfolgt?

  • In der EU-Waldstrategie (auch EU-Forststrategie genannt) ist festgelegt, dass die Wälder in der EU quantitativ und qualitativ verbessert werden sollen.
  • Europas Wälder sollen an die verstärkt auftretenden Wetterextreme wie Dürren und die große Unsicherheit infolge der Klimakrise angepasst werden.
  • Nicht mehr intakte Wälder sollen wiederhergestellt und die Resilienz der bestehenden Wälder gestärkt werden, da die Klimakrise die Wälder zunehmend bedroht.
  • Die forstbasierte Bioökonomie soll innerhalb der Grenzen der Nachhaltigkeit gestärkt werden.
  • In den Wäldern der EU soll die biologische Vielfalt gefördert und mit entsprechenden Maßnahmen gesichert werden.

1.2. Wie sollen die Ziele der EU-Waldstrategie 2030 umgesetzt werden?

Etliche umfangreiche Maßnahmen wurden vorgeschlagen, die in den kommenden Jahren umgesetzt werden sollen:

  • Die letzten verbleibenden Primär- und Naturwälder in der EU (primary and old growth forests) werden langfristig geschützt. Schätzungen gehen dabei von 3 Prozent der EU-Waldfläche aus.
    Es wird dabei auf die Schutzgebietsziele der EU-Biodiversitätsstrategie 2030 Bezug genommen: 30 Prozent der EU-Landfläche soll geschützt werden, 10 Prozent sollen dabei streng geschützt sein (damit soll gewährleistet werden, dass die verbliebenen Ur- und Naturwälder in Europa erhalten bleiben).
    Zur Umsetzung dieser Ziele wird eine Definition von Naturwäldern (Old Growth Forests) entwickelt sowie eine Erhebung und Überwachung und ihres strengen Schutzes aufgebaut.
  • Die Wiederherstellung (Restoration) von degradierten Wäldern soll sichergestellt werden. Dies soll ein Ziel der angestrebten Verordnung zur Wiederherstellung der Natur (restoration law) sein.
  • Zusätzlich wird verstärkt auf nachhaltige Waldbewirtschaftung für die Klimawandelanpassung und die Resilienz der Wälder gesetzt.
    Dazu werden Leitlinien für naturnahe Waldbewirtschaftung und dazu auch Indikatoren sowie Schwellenwerte zur Unterstützung entwickelt. Ein freiwilliges Zertifizierungssystem für naturnahe Waldbewirtschaftung steht ebenso auf der Agenda.
  • Die forst -und holzbasierte Bioökonomie wird gestärkt.
    • Die nachhaltige Nutzung von holzbasierten Ressourcen für Bioenergie wird gestärkt.
    • Die nachhaltige waldbasierte Bioökonomie wird für langlebige Holzprodukte gefördert. Dazu werden Anreize für die forstwirtschaftliche Bioökonomie geschaffen, u. a. durch die Produktion von langlebigem Holz, um den Bausektor von einer Quelle für Treibhausgasemissionen in eine Kohlenstoffsenke zu verwandeln.
    • Die Wald-Bioökonomie außerhalb des Holzsektors, einschließlich Ökotourismus wird gestärkt.
    • Eine standardisierte, robuste und transparente Methode zur Quantifizierung der Klimavorteile von Holzprodukten wird entwickelt.
  • Wiederaufforstungen im Ausmaß von 3 Milliarden zusätzlichen Bäumen bis 2030 werden vorangetrieben. Dazu wurden bereits im März 2023 Leitlinien zur biodiversitätsfreundlichen (Wieder-) Aufforstung erstellt. Mehr Informationen finden Sie hier.
  • Es werden finanzielle Anreize für Waldbesitzer und -bewirtschafter zur Verbesserung der Quantität und Qualität der EU-Wälder geschaffen. Eine Studie über die bisherige Förderlandschaft soll hier unterstützen.
    In der Strategie wird betont, wie wichtig es ist, Waldbesitzer für andere Ökosystemleistungen als nur für die Holzproduktion – wie Wasserrückhalt, Klimaregulierung und Erholungsleistungen – und für die Einführung von klima- und biodiversitätsfreundlichen Waldbewirtschaftungspraktiken zu entlohnen. So wird beispielsweise ein Rahmen für eine freiwillige Zertifizierung zur Kohlenstoffentahme aus der Atmosphäre entwickelt.
  • Durch eine EU-weite Regelung wird das strategische Waldmonitoring, die Berichterstattung und Datenerhebung durch ein von der EU-weit koordiniertes System verbessert.
  • Es wird eine Forschungs- und Innovationsagenda „Planung unserer zukünftigen Wälder“ entwickelt. Damit sollen Forschungslücken und künftige Prioritäten für die Forstwirtschaft und den forstbasierten Sektor entwickelt werden.
  • Die Rechtsvorschriften über forstliches Vermehrungsgut werden überarbeitet.

2. Wie schätzt der WWF die Strategie ein?

Der WWF sieht in der EU-Waldstrategie wichtige Schritte in die Zukunft, jedoch fehlt aus unserer Sicht ausreichend Verbindlichkeit für die Vorgaben.

“Die Waldstrategie erkennt die Notwendigkeit an, den Schutz und die Wiederherstellung der Wälder zu verstärken und eine biodiversitätsfreundliche und nachhaltige Waldbewirtschaftung zu betreiben, um ihre Widerstandsfähigkeit und Produktionskapazität für die kommenden Jahrzehnte zu gewährleisten. Das beurteilen wir sehr positiv, wobei sich der WWF mehr Verbindlichkeit für die Umsetzung der Ziele gewünscht hat.  Allerdings wird auch die verstärkte Ernte und vermehrte Nutzung in der Strategie propagiert, das aus unserer Sicht kritisch zu sehen ist, da die Wälder in der EU Gefahr laufen, ihre Fähigkeit, Treibhausgase zu binden zu verlieren drohen, wodurch auch ihr Gesundheitszustand gefährdet ist. Zwar heißt es in der Strategie, die Bioökonomie solle „innerhalb nachhaltiger Grenzen“ gefördert werden, doch fehlen leider konkrete Schutzmaßnahmen, um eine zu intensive Waldbewirtschaftung und Holzernte zu verhindern, die den Klima- und Biodiversitätszielen der EU zuwiderlaufen.”

3. Was wird an der EU-Waldstrategie kritisiert?

3.1. Die Waldstrategie wird sehr oft heftig kritisiert

EU-weite Regelungen mit Waldbezug werden nicht nur positiv gesehen: Ganz besonders hart wird von einzelnen Stakeholdergruppen kritisiert, dass die EU die letzten Ur- und Naturwälder vor Abholzung bewahren möchte.

Auch die Vorgaben, EU-weit ein Waldmonitoring aufzusetzen und Indikatoren für eine nachhaltige Bewirtschaftung, werden als nicht zielführend angesehen. Abgelehnt wird, dass dabei  ausschließlich Umweltfaktoren beachtet werden sollen. Es wird gefordert, wirtschaftliche Aspekte klar vor den klima- und ökosystemaren Faktoren zu berücksichtigen und der Fokus soll auf die Bioökonomie gelenkt werden. Holz soll als zentraler Rohstoff in der Substitution von fossiler Energie ins Zentrum der Bemühungen gerückt werden. Allein die Holznutzung helfe dem Wald in der Klimakrise und die Waldbesitzer sollen für die Gewinnung des Rohstoffes Holz belohnt werden.

3.2. Was ist an Falschmeldungen zu lesen?

Kritik an der EU-Waldstrategie zu üben, gehört grundsätzlich zu einem Diskurs. In vielen Presseaussendungen wird jedoch keine inhaltliche Kritik geäußert, sondern es werden Fehlinformationen verbreitet:
Es wird von Enteignung der Waldbesitzer und Entwertung der Wälder gesprochen und angeblich soll die EU-Waldstrategie vorsehen, dass bis zu 30 Prozent der Wälder Außernutzung gestellt werden. Das würde allein in der Steiermark den Verlust von 15.000 Arbeitsplätzen bedeuten. (Land Steiermark, 2023)

Es wird behauptet, dass die Waldstrategie in unbewirtschafteten Wäldern das Ideale sei. (Bauernbund, 2023)

Ebenso wird behauptet, dass die Strategie die Erreichung der Klimaziele gefährdet und dass den Waldbesitzern jegliche Kompetenz einer nachhaltigen Forstwirtschaft abgesprochen wird. Es wird sogar geschrieben, dass mit der Strategie auch eine den jeweiligen lokalen Gegebenheiten angepasste Waldbewirtschaftung nahezu unmöglich gemacht wird. (Land- & Forstbetriebe, 2022)

4. Was sind die Auswirkungen? Was ist zu befürchten?

Es ist zu befürchten, dass Falschinformationen dazu führen könnten, dass wichtige Initiativen nicht gelingen und ein inhaltlicher Diskurs auf Basis von Falschinformationen nicht möglich ist. Damit wird eine notwendige EU-weite Strategie und damit einhergehende Regelungen zum Erhalt unserer Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen aufgrund von Fehlinformationen und unsachlicher Diskussion auf Kosten von Natur und Mensch gefährdet.

Links

Zeitlicher Verlauf der Veröffentlichungen

  • 14. Juli 2021
    Publikation der neuen EU-Waldstrategie für 2030
  • 20. Mai 2020
    Publikation der EU-Biodiversitätsstrategie für 2030
  • 11. Dezember 2019
    Publikation des europäischen Grünen Deals

Quellenangaben und Referenzen

Fehlinformationen und davon abgeleitete Kritik an der EU-Waldstrategie sind hier zu finden:

Rückfragen

Mag.a Karin Enzenhofer
Programm für Arten und Lebensräume, WWF Österreich

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