Niederösterreichs Flüsse und Bäche vor dem Kraftwerks-Kollaps

10. August 2009 | Presse-Aussendung

St. Pölten, 10. August 2009 – Tosende Wasserfälle, bewaldete Schluchtstrecken und freie Schotterinseln: So naturnah präsentieren sich Niederösterreichs Fließgewässer nur noch auf wenigen Strecken. Geht es nach den Plänen der E-Wirtschaft,  sollen die letzten noch unverbauten Flüsse und Bäche begradigt, eingestaut und ins Korsett gezwängt werden. „Wenn man die Flüsse ihrer Dynamik beraubt und durch […]

St. Pölten, 10. August 2009 – Tosende Wasserfälle, bewaldete Schluchtstrecken und freie Schotterinseln: So naturnah präsentieren sich Niederösterreichs Fließgewässer nur noch auf wenigen Strecken. Geht es nach den Plänen der E-Wirtschaft,  sollen die letzten noch unverbauten Flüsse und Bäche begradigt, eingestaut und ins Korsett gezwängt werden. „Wenn man die Flüsse ihrer Dynamik beraubt und durch immer mehr Staumauern kastriert, dann werden sie bei Starkregen gefährlich. Das konnte man zuletzt beim Katastrophenhochwasser in St. Pölten sehr drastisch erleben“, erklärt Andreas Wurzer, Stv. Geschäftsführer des WWF. Obwohl Niederösterreichs Flüsse bereits zu 90 Prozent verbaut sind, sollen hunderte neuer Kleinwasserkraftwerke errichtet werden, kritisierten der WWF und die Plattform „Flüsse voller Leben“ heute in St. Pölten.

Niederösterreich hat sein Wasserkraftpotential bereits zu 90 Prozent ausgeschöpft. Dennoch decken die bestehenden 490 Kleinwasserkraftwerke nur 4,3 Prozent des Strombedarfes ab. In einer Kraftwerksoffensive will das Bundesland nun hunderte neuer Kleinwasserkraftwerke errichten.

Die Ybbs: Von der Lebensader…
Weite Teile der Ybbs, dem größten Voralpenfluss Niederösterreichs, sind bereits lückenlos ausgebaut. Auf seinen 138 Kilometern Länge zerschneiden mehr als 20 Kraftwerksstaue und 30 Sohlrampen den Fluss. Viele Kraftwerke arbeiten mit veralteter Technologie und ihre Turbinen werden zur tödlichen Falle für die flussabwärts wandernden Fische. „Bevor man über neue Kraftwerksstandorte nachdenkt, sollten die Altanlagen ökologisch vertretbar gemacht werden, z.B. mit voll fischverträglichen Turbinentypen. Die wenigen noch existierenden Fließstrecken sollten genauso wie Natura-2000-Gebiete als absolute Tabu-Zonen für die Wasserkraft ausgewiesen werden!“ fordert Leo Hochpöchler vom Verein „Rettet die Ybbs-Äsche“.

… zur Staukette
Auch im Oberlauf bei Waidhofen geht die Verbauung der Ybbs voran: Geplant ist eine Erhöhung der Staumauer am bestehenden Kleinkraftwerk Schütt um 2,1 Meter. Dadurch gehen mehr als 1000 Meter unberührte freie Fließstrecke unwiederbringlich verloren. Der lebensspendende Geschiebehaushalt wird auf Jahrzehnte unterbrochen. Direkt von diesem Eingriff betroffen ist auch die regional vom Aussterben bedrohte Ybbs-Äsche. „Welchen Sinn macht der Einbau einer Fischaufstiegshilfe im Kraftwerk, wenn man den letzten Ybbs-Äschen gleichzeitig den Lebensraum nimmt?“, fragt sich Volkmar Hutschinski, Vizepräsident des ÖKF, dem Dachverband der Österreichischen Fischereivereine. „Für uns Fischer hat der Schutz der ohnehin nur noch spärlich vorhandenen naturnahen Abschnitte unserer Fließgewässer absolute Priorität!“

Wasserkraft hat in Niederösterreich den Plafond erreicht!
„Landeshauptmann Pröll handelt, als würden die Fließgewässer der E-Wirtschaft gehören“, ist Wurzer angesichts der herrschenden Kraftwerksflut empört. Er verweist darauf, dass Flüsse nicht nur der Energiegewinnung dienen, sondern wertvolle Lebens- und Erholungsräume sind und viele weitere Funktionen haben, wie die Trinkwasserversorgung oder den Hochwasserschutz. Zudem würde auch die Ausschöpfung des gesamten Restpotentials an Wasserkraft nicht zu einer nachhaltigen Energiezukunft Österreichs beitragen, sondern lediglich den Stromzuwachs der nächsten fünf Jahre abdecken – um den Preis der Zerstörung unserer letzten Flüsse und Bäche.

Ybbs bei Riesswehr, © by Hochpöchler
Ybbs bei Riesswehr, © by Hochpöchler

Petition für Flüsse voller Leben
Angesichts des drohenden totalen Ausbaus der letzten österreichischen natürlichen Flüsse und Bäche haben sich die größten Naturschutzorganisationen (WWF, Naturschutzbund, Naturfreunde, Kuratorium für Fischerei und Gewässerschutz, Fischereiverband, kajak.at und der Alpenverein Edelweiß) zur Plattform Flüsse voller Leben zusammen geschlossen. Das Ziel der Plattform ist der gesetzlich verbindliche Schutz der Flüsse.

Der WWF und seine Partner treten für Effizienzsteigerung, die Modernisierung bestehender Wasserkraftwerke und den Ausbau anderer Erneuerbarer Energieträger ein. Dadurch sollen auch wesentlich mehr neue Arbeitsplätze geschaffen werden als dies mit dem Ausbau der Wasserkraft möglich ist.

Dazu ruft die Plattform Flüsse voller Leben die Niederösterreicher zur Unterzeichnung der Petition auf, die diese Forderungen unterstützt: www.fluesse-voller-leben.at/petition. Für die Petition setzen sich auch zahlreiche Prominente ein.

„Herz für Flüsse“ in ganz Österreich
Der WWF tourt in den ersten beiden Augustwochen mit einem Fluss-Infozelt für Eltern und Kinder und einem überlebensgroßen Herz für Flüsse durch alle Landeshauptstädte. Nach Innsbruck, Bregenz, Salzburg, Graz und St. Pölten sind die nächsten Stationen: 11.8. in Linz (Taubenmarkt) und 12. 8. in Klagenfurt (Neuer Platz) jeweils ab 10.00 Uhr.

Rückfragen:
Claudia Mohl, Pressesprecherin WWF Österreich, Tel. +43 1 48817 250, Email: claudia.mohl@wwf.at.
Fakten zu Flüssen und Kraftwerksplänen in NÖ, Fotos, Petition, und weitere Pressematerialien:
www.fluesse-voller-leben.at (Presse).

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