Naturzerstörung, Wilderei und Klimakrise gefährden zahlreiche Tierarten – WWF zieht Bilanz und fordert Naturschutz-Offensive von der Politik – Artenschutz-Projekte geben Hoffnung
Heute vor 100 Jahren starb die Wandertaube aus
Wien, 29. August 2014 – Am Montag vor hundert Jahren, genauer gesagt am 1. 9. 1914 um 12.45 Uhr starb Martha im Zoo von Cincinnati, US-Bundesstaat Ohio. Die 29-jährige Wandertaube benannt nach Martha Washington, der ersten First Lady der USA, war die letzte ihrer Art und wurde zum berühmten Symbol für das menschengemachte Artensterben. Im Jahr 1900 war bereits die letzte bekannte wildlebende Wandertaube getötet worden und auch Zoos gelang es anschließend nicht, die Restbestände in Gefangenschaft zum Brüten zu animieren.
Noch Anfang des 19. Jahrhunderts war der Bestand der Wandertauben auf rund fünf Milliarden Tiere geschätzt worden. Wenige Jahrzehnte vor Marthas Ableben hatten Vogelschwärme von bis zu 500 Kilometer Länge den Himmel stundenlang verdunkelt. „Zum Verhängnis wurde der Wandertaube ihr schmackhaftes, günstiges Fleisch und der technische Fortschritt. Mit der damals neuen Telegrafentechnik wurden die Positionen der riesigen Brutkolonien der Tauben weitergegeben und die erbeuteten Vögel per Eisenbahn zu den Konsumenten gebracht. Die Jäger gingen dann mit großer Effizienz vor“, sagt Arnulf Köhncke, WWF Artenschutzexperte. Mit Netzen, Gewehren und sogar brennendem Schwefel, dessen Rauch die Tiere betäubt aus den Bäumen fallen ließ, stellten sie den Vögeln nach.
Mit etwa 40 cm Körperlänge und einem Gewicht um 300 Gramm war Ectopistes migratorius, so der wissenschaftliche Name der Wandertaube, größer als nahe verwandte Taubenarten. Die attraktiven Tauben waren an ihrer perlgrauen Oberseite und rostrotem Bauch einfach zu erkennen. Zuhause in den USA und im südlichen Kanada ernährten sich die Vögel in der Brutzeit vor allem von Eicheln und Bucheckern. Brütete einer der gewaltigen Schwärme in einem Waldgebiet, brauchte dieses danach Jahre zur Erholung. Unter dem Gewicht zehntausender Tiere auf Kolonieflächen, vergleichbar mit der Größe des Chiemsees, brachen Äste ab und am Boden vernichtete eine dicke Kotschicht fast alles Leben. Gerade diese Angewohnheit in riesigen Kolonien zu nisten, gepaart mit der Abhängigkeit der Wandertauben von Eicheln und Bucheckern, begünstigte wohl ihr schnelles Aussterben durch Abholzung und menschliche Jagd.
Nun planen einige Wissenschaftler allerdings die Wiedergeburt der Wandertaube. Aus Erbgutinformationen von ausgestopften Vögeln sollen Klone entstehen, die von einer verwandten Taubenart ausgetragen werden sollen. Allerdings ist der ursprüngliche Lebensraum der Wandertaube, die ausgedehnten Laubwälder des östlichen Nordamerikas, heute weitestgehend verschwunden.
In jedem Fall weisen diese umstrittenen Pläne auf ein großes Problem hin. Noch nie war der Verlust der Artenvielfalt so dramatisch wie heute: „Die wichtigsten Bedrohungsfaktoren sind Lebensraumverlust und Umweltverschmutzung, aber auch Wilderei und illegaler Wildartenhandel sowie die Verdrängung von Pflanzen und Tieren durch eingeschleppte Arten. Zwar hat es immer wieder Phasen massiven Artensterbens gegeben, ausgelöst beispielsweise durch Naturkatastrophen. Aber seit dem 17. Jahrhundert wird der Rückgang der biologischen Vielfalt maßgeblich durch menschliches Handeln verursacht“, so WWF-Mitarbeiter Köhncke.
In der aktuellen Roten Liste der weltweit bedrohten Tiere und Pflanzen wird etwa jede Dritte aller 74.106 untersuchten Arten, nämlich 22.176, als gefährdet eingestuft. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Aussterberate von Arten durch menschliche Einflüsse mittlerweile etwa 1.000 Mal höher ist als die natürliche Rate. Zuletzt machte der Tod der Galapagos-Riesenschildkröte Lonesome George Schlagzeilen, der 2012 im Alter von etwa hundert Jahren als ebenfalls letzter seiner Unterart starb.
Weitere Informationen:
MMag. Franko Petri, Pressesprecher WWF, Tel. +43 1 48817-231
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