Artenlexikon
Grönlandwal
Artenlexikon:
Verbreitung
Der Grönlandwal – arktischer Dickschädel
Mit seinem riesigen Kopf kann der Grönlandwal auch dicke Eisschichten durchstoßen, mit seiner dicken Fettschicht in arktischen Gewässern überleben. Doch gerade die Tiere, die auf eisige Lebensräume angepasst sind, gehören zu den Verlierern des Klimawandels.
Körperliche Merkmale
Grönlandwale sind kompakte, 14 bis 18 Meter große Wale. Eindrucksvollstes Merkmal des Grönlandwals ist sein gewaltiger Schädel – das Maul alleine kann bis zu fünf Meter lang, vier Meter hoch und zweieinhalb Meter breit werden, die Zunge kann ein Gewicht von bis zu 900 Kilogramm erreichen. Mit seinem Kopf, der bis zu 40 Prozent der Körperlänge ausmachen kann, ist der Wal in der Lage, auch 30 Zentimeter dicke Eisschichten zu durchstoßen. Mit seiner Fettschicht – auch Blubber genannt – von bis zu 50 Zentimetern Dicke hält sich der Koloss die arktische Kälte vom Leib.
Grönlandwale sind Bartenwale und ernähren sich von Zooplankton. Ihre Barten sind ungewöhnlich lang und schmal, der Oberkiefer ist fast in dem massiven Unterkiefer verborgen. Die Brustflossen werden mehr als zwei Meter, die Schwanzflosse fast acht Meter lang. Rückenflosse haben die Tiere keine. Ihre Haut ist schwarz bis auf einen weißen bis ockergelben Kehlfleck. Grönlandwale haben zwei Blaslöcher, durch die sie die Atemluft in verschiedene Richtungen ausstoßen. Diese Luft-Wasser-Säule wird Blas genannt und kann beim Grönlandwal bis zu 6 Meter hoch werden.
Grönlandwale tauchen meist zwischen vier und 20 Minuten lang, allerdings wurden schon längere Tauchgänge beobachtet. Sie erreichen eine Tiefe von über 200 Metern. Die großen Tiere sind relativ langsame Schwimmer, mit einer Geschwindigkeit von fünf bis maximal 15 Kilometern pro Stunde. Wie andere Vertreter der Familie der Glattwale „singen“ Grönlandwale. Sie stoßen niederfrequente Laute aus, die als Kontakt- oder Lockrufe, sowie der Balz dienen.
Wie alt Grönlandwale werden können, ist schwer zu schätzen – üblicherweise werden dazu nämlich die Zähne herangezogen, die bei den Bartenwalen nicht vorhanden sind. Bislang wurden Steinharpunenspitzen, die in der Haut einzelner Tiere gefunden wurden, sowie Augenflüssigkeit benutzt, um das Alter zu bestimmen. Sicher ist, dass Grönlandwale weit über 100 Jahre alt werden können, möglicherweise sogar über 200.
Lebensweise und Fortpflanzung
Grönlandwale sind nicht nur selten, sie leben auch in extrem unwirtlichen Gebieten, was die Forschung an den Tieren sehr schwierig macht. Dementsprechend sind sie eine der am wenigsten erforschten Walarten. Sie leben üblicherweise einzelgängerisch oder in Gruppen von zwei bis drei Tieren – größere Ansammlungen von über 100 Exemplaren ergeben sich mitunter bei Wanderungen oder an Nahrungsplätzen. Es wurden auch schon über einige Wochen bestehende Verbände von zwei erwachsenen Grönlandwalen und einem Kalb beobachtet, man vermutet aber, dass die Tiere üblicherweise nicht in Paarbindungen leben.
Geschlechtsreif werden die Tiere, wenn sie eine Länge von 12 Metern erreicht haben, das Alter kann dabei von vier bis neun Jahren variieren. Die Paarungszeit ist im späten Winter, die Tragezeit beträgt rund dreizehn Monate – dann kommt im Frühjahr oder Sommer (ein Geburten-Höhepunkt wurde im Mai gemessen) meist ein einzelnes Kalb zur Welt. Die Mutter-Kind-Bindung ist sehr eng, entwöhnt werden die Jungtiere nach sechs bis zwölf Monaten. Im ersten Lebensjahr verdoppelt sich die Größe der Kälber. Grönlandwale können alle drei bis sechs Jahre gebären.
Ernährung
Die großen Meeressäuger ernähren sich von Zooplankton, also Kleinlebewesen, die sie mit ihren Barten aus dem Wasser filtern. Ihre Hauptnahrung sind Ruderfußkrebse. Mit drei bis mehr als vier Metern Länge haben Grönlandwale die längsten Barten aller Wale. Mehr als 300 Barten sitzen auf jeder Seite des Oberkiefers, die Maulfront besitzt aber keine. Mit geöffnetem Maul und mitunter in einer V-Formation von bis zu 14 Tieren pflügen die Tiere durch Schwärme von Zooplankton. Grönlandwale nehmen während der sommerlichen Nahrungssaison etwa 1.000 bis 2.500 Kilogramm Krill pro Tag auf. Im restlichen Jahr leben Grönlandwale, wie die meisten Bartenwale, von ihren körpereigenen Fettreserven.
Grönlandwal und Mensch
Mit ihren langsamen Schwimmgeschwindigkeiten und ihrer dicken Fettschicht sind Grönlandwale die perfekte Beute für Walfänger. Wenig überraschend war deshalb eine der größten Bedrohungen die Überjagung. Der groß angelegte, kommerzielle Walfang gefährdete nicht nur das Überleben der Wale selbst, sondern auch das verschiedener indigenen Völker der Arktis, für die die Wale eine wichtige Ressource darstellen. 1931 wurde der Grönlandwal als weltweit erste Wildtierart überhaupt vom Völkerbund unter Schutz gestellt, seit 1946 dürfen sie kommerziell nicht mehr bejagt werden. Die Walfangkommission IWC gestand den Inuit geringe Fangquoten zu, nachdem diese 1977 gegen die totale Einstellung der Jagd auf Grönlandwale protestiert hatten. Die Zuteilung der Fangquoten erfolgt über die Alaska Eskimo Whaling Commission. Derzeit dürfen die stabilen Bestände des Grönlandwals von Ureinwohnern Kanadas, Alaskas und Russlands gejagt werden. Studien zeigen, dass sich die Grönlandwalbestände trotz der Fangquote langsam erholen.
Nicht zuletzt birgt auch der zunehmende Schiffsverkehr Gefahren für die Wale – einerseits durch Kollisionen, aber auch durch den Lärm. Grönlandwale reagieren sehr empfindlich auf akustische Störungen in den stillen Tiefen des arktischen Ozeans, in denen sie sich entwickelt haben.
Der Wal in der Kulturgeschichte
Die Wahrnehmung des Wals hat sich in der Kulturgeschichte auf bemerkenswerte Weise gedreht: vom Meeresungeheuer und Feind zum friedlichen Riesen, der zum Symbolbild der menschlichen Zerstörungskraft gegenüber der Natur wird.
Schon in der Steinzeit waren Wale den Menschen bekannt, das zeigen etwa Felsmalereien, die in Norwegen gefunden wurden, genauso wie Werkzeuge, die aus Walknochen gefertigt wurden. Homer, Aristoteles und Plinius beschrieben die Tiere in der römischen und griechischen Antike, es besteht auch die Vermutung, dass das Meeresungeheuer, dem man Andromeda opfern wollte – bevor sie von Perseus gerettet wurde – ein Wal sein könnte. In moderner filmischer Interpretation (etwa in „Kampf der Titanen“ 2010) ist das Biest zum monströs überzeichneten Kraken geworden – wahrscheinlich ebenfalls aufgrund des Imagewandels des Wals.
Der Leviathan, ein Seeungeheuer der Bibel, ist so übermächtig, dass nur Gott es bezwingen kann – in den Darstellungen trägt es Züge von Drache, Schlange, Krokodil und Wal. Von einem Wal verschluckt wird außerdem der Prophet Jona, der im Bauch des Tieres drei Tage und Nächte um Erlösung betet und schließlich ausgespien wird.
Die berühmteste literarische Darstellung vom Wal als Widersacher ist wahrscheinlich Moby Dick, wenn auch das Tier sich in erster Linie in Ahabs Kopf als Antagonist etabliert hat und nicht in der Realität der Handlung. In Melvilles Roman wird der Wal zum Sinnbild sinnloser Rachebesessenheit und fanatischer Jagd, die nur im Verderben enden kann.
Im 20. Jahrhundert ist der Wal als „sanfter Riese“ mit seinen ätherischen Gesängen das Sinnbild des Schadens, den der Mensch in der Natur anrichtet. In Walt Disneys „Free Willy“ ist der Wal durch Gefangenschaft gebrochen und wird schließlich durch ein Kind in die Freiheit entlassen, dass den Kreis durchbricht. Und nicht zuletzt: In „Star Trek IV: Zurück in die Gegenwart“ ist das Gesang der Buckelwale die letzte Hoffnung der Menschheit auf Rettung. Ironischerweise wurden sie aber im 21. Jahrhundert ausgerottet, so dass die Crew aus dem 23. Jahrhundert zurückreisen muss, um den Planeten zu retten.
Projekte und Engagement des WWF
Ein wichtiger Fokus des WWF ist die Grundlagenforschung über Grönlandwale – nur so können Strategien entwickelt werden, die den Tieren gezielt helfen können. Wichtig ist es, kritische Lebensräume zu identifizieren und diese dann zu schützen. Auch der Kampf gegen den Klimawandel ist eines unserer obersten Anliegen. Der WWF spielte eine Schlüsselrolle bei der Einrichtung des weltweit ersten Schutzgebietes für Grönlandwale, dem Ninginganiq National Wildlife Area in Nunavut im Jahr 2009.
Wir trugen außerdem zu einer mehrjährigen Studie bei, bei der Drohnen eingesetzt wurden, um einzelne Wale in der Region Cumberland Sound zu identifizieren. Die Informationen aus dieser Studie werden verwendet, um die Population und die Wachstumsrate einzelner Wale zu überwachen und Schlüsselgebiete zu identifizieren und zu schützen, die von den Walen genutzt werden. Wichtig ist es dabei, den Unterwasserlärm zu reduzieren, der die Tiere aus ihrem Lebensraum vertreibt. Dazu beraten wir Kommunen und Regierungen dabei, wie die ökologischen Auswirkungen durch den wachsenden Schiffsverkehr gemindert werden können. Wir fordern international gültige Spielregeln für den Schiffsverkehr, um die Lärmbelastung zu verringern.
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