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© Ralph Franke

10 Mythen rund um den Wolf

7. Juli 2024

Ist der Wolf eine wilde Bestie? Kann man sich noch sicher im Wald bewegen? Und wie realistisch ist ein wolfsfreier Alpenraum? Die Rückkehr des Wolfes nach Österreich wirft Fragen auf und es kursieren viele falsche Behauptungen. Für den WWF ist der Wolf als heimische und streng geschützte Tierart ein natürlicher und damit unverzichtbarer Bestandteil unserer Natur. Deshalb arbeitet der WWF daran, den Wolf zu schützen. Mit einer Patenschaft können auch Sie dabei helfen, den Wolf zu schützen!

10 Mythen rund um den Wolf im Faktencheck.

Mythos 1: Der Wolf ist eine wilde Bestie und greift Menschen an

Der Wolf ist mit Sicherheit kein Kuscheltier, aber ebenso wenig ein wilde Bestie. Die Gefahr, von einem Wolf angegriffen zu werden liegt nahezu bei Null. Es ist weitaus wahrscheinlicher, dass einem beim Spaziergang im Wald ein Ast auf den Kopf fällt.

Der Wolf hat aber grundsätzlich natürlich das Potential Menschen zu verletzen. Aus diesem Grunde sollte man Wölfen mit Respekt begegnen, ihnen nicht nachlaufen und sie keinesfalls füttern – genauso wie bei anderen Wildtieren auch. Gesunde Wölfe reagieren scheu und vorsichtig auf Menschen. Im Vergleich zu anderen wehrhaften Tieren wie Wildschweinen oder Kühen wird die Gefährlichkeit des Wolfes stark überschätzt bzw. wird von einzelnen Interessenvertretern Panikmache betrieben.

Die Fakten sprechen eine andere Sprache: Seit der Rückkehr der Wölfe nach Deutschland (nach zwei Jahrzehnten derzeit ca. 185 Rudel) bzw. in die Schweiz (35 Rudel) gab es keine einzige Attacke oder gar Verletzte. Im Gegensatz dazu mussten laut Kuratorium für Verkehrssicherheit jährlich in Österreich rund 3.900 Personen nach einem Hundebiss im Krankenhaus nachbehandelt werden. Bei Autounfällen mit Wildtieren werden ca. 350 Menschen jährlich verletzt. 2 bis 3 davon enden sogar tödlich.

Mythos 2: Die Wölfe kommen immer näher an Siedlungen, das ist gefährlich

Wölfe können sich menschlichen Siedlungen nähern. Das kommt in Europa regelmäßig vor und ist nicht ungewöhnlich. Denn Wölfe nehmen häufig den energiesparenderen und direkten Weg, wenn sie von Punkt A nach B kommen wollen. Dieser Weg ist für sie auch der gefährlichere, denn Wölfe werden nicht selten von Autos überfahren. Mit der Ausbreitung des Wolfs und der steigenden Anzahl gibt es also auch öfter Sichtungen.

In ganz seltenen Ausnahmefällen suchen Wölfe aber wiederholt und freiwillig die Nähe des Menschen. Voraussetzung für ein solches Verhalten ist meist ein Gewöhnungsprozess, der zum Beispiel durch das Futtern von Wölfen gefördert wird und über einen längeren Zeitraum passiert. Wenn dieses Verhalten bei einem Wolf sehr weit fortgeschritten ist, dann muss eingegriffen werden.

Die Gefahr, in Österreich von einem Wolf angegriffen zu werden liegt nahezu bei null. Unser Land hat eine der höchsten Schalenwild-Dichten Europas und der Wolf findet genügend natürliche Beute vor. Dass der Wolf scheu ist bedeutet nicht, dass er „unsichtbar“ bleibt. Wolfsbeobachtungen können vor allem in Ländern mit großen Wolfsdichten, zu denen Österreich jedoch nicht gehört, durchaus vorkommen. So könnte ein Wolf – etwa auf einem Wanderweg – relativ nahe an Menschen vorbeilaufen, meist ohne dass diese das bemerken.

Besonders die Jahrlinge, die „jugendlichen“ Wölfe im Alter bis zu zwei Jahren sind sehr neugierig und lernwillig. Sie könnten daher erst mal stehen bleiben, um zu beobachten, was passiert. Ein junger Wolf fühlt sich nicht unsicher oder ist extrem ängstlich, deshalb hat er keine Veranlassung, gleich davon zu sprinten. Wenn er die Situation für sich „abgeklärt“ hat, wird er sich umdrehen und weglaufen. Dabei handelt es sich um ein normales Wolfsverhalten ohne „angriffslustigen“ Hintergrund und dieses ist für Menschen normalerweise nicht gefährlich.

Mythos 3: Es ist für Kinder nicht mehr sicher im Wald zu spielen

Grundsätzlich sollten insbesondere kleinere Kinder nicht ohne Aufsicht im Wald spielen, egal ob im Wolfsgebiet oder nicht. Kinder können sich aber so wie in anderen Regionen, in denen Wölfe leben, im Wald aufhalten. Um das Risiko von Unfällen mit Wildtieren zu minimieren, sollten jedoch einige Verhaltensweisen im Zusammenleben mit allen Wildtieren beherzigt werden.

Wildtieren sollte man immer mit Respekt begegnen. Das heißt man soll ihnen nicht nachlaufen, sondern Abstand halten. Insbesondere Wölfe sollte man keinesfalls anfüttern und deren Wurfhöhlen nicht aufsuchen. Solche Vorsichtsmaßnahmen gelten für den Umgang mit allen Wildarten, die wehrhaft sind oder Krankheiten übertragen können. Einem Wildschwein zu begegnen ist viel wahrscheinlicher und auch gefährlicher.

Mythos 4: Der Wolf muss durch Abschüsse scheu gemacht werden, es braucht „wolfsfreie Zonen“

Die gezielte regionale Bejagung von Wölfen zur Schaffung von „wolfsfreien Zonen“ widerspricht eindeutig dem EU-Naturschutzrecht, wie sowohl die Europäische Kommission als auch das Umweltministerium bereits klargestellt haben. Auch naturschutzfachlich ist dieser Vorschlag realitätsfern und höchst problematisch.

Einerseits kann sich ein Wildtier nicht an Bundesländergrenzen halten, andererseits ist der Wolf eine weit wandernde Tierart, die in relativ kurzer Zeit halb Europa durchqueren kann. Für „wolfsfreie Zonen“ bei uns müsste man also tatsächlich tausende Wölfe in den Alpen und in einem 1.000-Kilometer-Radius darüber hinaus töten.

Fakt ist auch: Die Entnahme einzelner Wölfe ist bereits jetzt erlaubt, wenn wiederholt Weidetiere trotz sachgemäß angewendeter Schutzmaßnahmen angegriffen werden. Selbstverständlich rechtfertigt auch ein – begründeter – Verdacht, dass ein Wolf für Menschen gefährlich werden könnte, rechtlich einen Abschuss. Erstens steht die Sicherheit des Menschen an oberster Stelle, zweitens gefährden auffällige Tiere die Akzeptanz der ganzen Art und könnten ihr Verhalten außerdem an den Nachwuchs weitergeben.

Mythos 5: Durch den Wolf sterben viel mehr Schafe

Rund 400.000 Schafe werden in Österreich gehalten, davon ca. ein Viertel auf den Almen. Viele Schafe kommen durch Blitz- und Steinschlag oder bei Unwetter ums Leben oder werden Opfer von Krankheiten. Dieser so genannte „natürliche Abgang“ ist Todesursache für bis zu 8.500 Schafe in Österreich pro Jahr. Diese Zahl ist auch deshalb so hoch weil die Schafe nicht immer ausreichend betreut werden. Im Jahr 2023 wurden durch Wölfe rund 500 Schafe verletzt bzw. getötet. Bei etwa 600 Schafen, die vermisst werden, könnte der Wölfe etwas damit zu tun haben bzw. man kann es nicht ausschließen.

Durch die Rückkehr des Wolfes wird es nötig sein, die Herden in kürzeren Abständen aufzusuchen und zu kontrollieren oder sie manchmal sogar durchgehend durch einen Hirten zu beaufsichtigen. Durch die bessere Betreuung, wird es möglich sein Krankheiten oder Gefahren schneller zu erkennen und somit hunderten bis tausenden Schafen das Leben zu retten.

Mythos 6: Ein Wolf, der ein Schaf gerissen hat, ist ein „Problemwolf“ und muss abgeschossen werden

Ein Wolf der ungeschützte Schafe erbeutet, ist noch kein Problemwolf“. Er verhält sich nicht einmal auffällig, sondern ähnlich „normal“ wie ein Hund, dem man eine Knackwurst vor die Nase hält. Der Wolf frisst von Natur aus das, was mit dem geringsten Kraft- und Energieaufwand zu bekommen ist. Das ist in Österreich großteils Wild (in erster Linie Hirsche, Rehe und Wildschweine), da dieses überreichlich vorhanden ist. Schafe sind nur eine Gelegenheitsbeute, vor allem dann wenn eine Herde ungeschützt steht.

Unter einem „Problemwolf“ versteht man ein Wildtier, das sich immer wieder absichtlich in die Nähe des Menschen begibt, um Futter zu suchen oder zu erbetteln, obwohl es rundherum genügend Wild gibt. Ihm wurde – zum Beispiel durch Anfütterung – abgewöhnt, den Menschen zu meiden. Wer einem Wolf beibringen will, zwischen „erlaubter“ (Wild) und „unerlaubter“ (Haus- bzw. Nutztiere) Beute zu unterscheiden, erreicht das nur durch sachgemäß angewendeten Herdenschutz. Deshalb fordert der WWF Österreich von den zuständigen Landesräten seit Jahren ein rechtskonformes Wolfs-Management samt Herdenschutz und angemessenen Entschädigungszahlungen für Landwirte.

Mythos 7: Wölfe springen über Zäune und machen Herdenschutz wirkungslos

Das ist falsch, weil Wölfe grundsätzlich nicht hoch springen. Bewährt haben sich etwa schon 100 Zentimeter hohe, dünne Zaunnetze, die Strom führen, aber auch Weidezäune, deren stromführende Litzen so verlaufen, dass Wölfe sie weder überwinden, noch darunter durchschlüpfen können. Wichtig ist daher die fachgerechte Installation.

Bestehende Zäune wurden meist errichtet, um Nutztiere an der Flucht zu hindern, aber nicht um Wölfe am Eindringen zu hindern. Experten können beurteilen, ob bestehende Zäune etwa durch das Spannen zusätzlicher Stromlitzen adaptiert werden können. In Kombination können Herdenschutzhunde helfen, häufig reichen auch die Elektrozäune alleine aus.

In Deutschland und in der Schweiz konnten durch Herdenschutzmaßnahmen die Risse pro Wolf deutlich reduziert werden und Österreich könnte sich etliches abschauen. Dabei gibt es keine 0815-Lösung, denn jeder Hof ist anders. Gerade deshalb ist gute Beratung essentiell und es ist die gesetzliche Pflicht der Behörden, endlich umfassend zu informieren und sich nicht hinter Stammtisch-Parolen zu verstecken!

Mythos 8: Für den WWF sind Wölfe mehr wert als Schafe

Nein, denn es geht nicht darum zu beurteilen, ob Wölfe oder Schafe mehr wert sind. Wir sind davon überzeugt, dass in unserer Landschaft beide Platz haben.

Unsere Nachbarländer zeigen vor, dass auch in Anwesenheit des Wolfes Schafhaltung betrieben werden kann. Wölfe gelten laut der europäischen Fauna-Flora-Habitatrichtlinie und den nationalen Gesetzen als besonders schützenswert, weil sie eben so selten – in Österreich vom Aussterben bedroht – sind.  Österreich hat sich mit dem EU-Beitritt dafür entschieden, diese Richtlinie national mitzutragen – mit anderen Worten: Entscheiden sich Wölfe, auch in Österreich wieder sesshaft zu werden, darf das Land das nicht verhindern.

Mythos 9: Wir brauchen den Wolf gar nicht

Wölfe sind als heimische Wildtiere die jahrhundertelang die Landschaft bereicherten ein wichtiger und natürlicher Bestandteil der heimischen Artenvielfalt. Die Rückkehr des Wolfes ist somit aus Naturschutzsicht positiv zu bewerten. So hält der Wolf den Wildbestand in guter Kondition, denn Wölfe jagen vor allem jene Tiere, die sie leicht erbeuten können. Kranke oder schwache Tiere bemerkt der Wolf früher als der Jäger. Diese fallen dem Wolf daher eher zum Opfer als kräftige, gesunde Individuen.

Die Anwesenheit des Wolfes wirkt sich somit positiv auf die Gesundheit unseres Wildbestandes aus. Wölfe können auch andere Arten wie zum Beispiel den Goldschakal oder die nicht einheimische und stark waldschädigende Wildart Mufflon in Schach halten.

Auch kann der Wolf helfen die viel zu hohe Zahl an Hirschen, Rehen und Wildschweinen in Österreich zu senken. Unser Land hat europaweit gesehen die höchste Dichte dieser Wildtiere und deshalb auch massive Problem mit Verbiss-Schäden. Trotz aller Bemühungen durch die Jägerschaft ist es nicht gelungen den Wildbestand in den letzten Jahren zu senken. Hier könnte der Wolf dem Jäger ein wichtiger Helfer sei

Mythos 10: Die Beziehung zwischen Mensch und Wolf war immer schon schwierig

Die frühe Partnerschaft unserer Jäger-und-Sammler-Vorfahren mit dem Wolf war eine der wichtigsten Innovationen der Menschheit. Die Erstbegegnungen fanden vor 40.000 Jahren statt. Dabei haben die Menschen entdeckt, wie ähnlich uns die Wölfe im Sozialsystem und in der Lebensweise sind. Beide sind Laufjäger, leben in kleinen Gruppen, kooperieren innerhalb der Gruppen sehr gut beim Jagen und der Aufzucht der Kinder und verteidigen sich gegen ihre Nachbarn. Aus diesen Beziehungen gingen unsere Hunde hervor, die immer schon wichtige Partner der Menschen waren.

Ein gutes Management schafft die Voraussetzungen für ein möglichst konfliktarmes Zusammenleben zwischen Wolf und Mensch. Der WWF setzt sich für ein Management ein, das sowohl die Interessen der Betroffenen als auch die ökologischen Herausforderungen berücksichtigt. Engagierte, länderübergreifende Schutzbemühungen innerhalb der EU sind für den Wolf bzw. andere weit wandernde Tierarten von großer Bedeutung.

An Herdenschutz-Maßnahmen, wie sie beispielsweise in Österreich im Tiroler Oberland getestet werden, führt kein Weg vorbei, wenn man eine möglichst konfliktarme Koexistenz mit dem Wolf erreichen und Schafe effektiv schützen will. In unserem Nachbarland Schweiz, sowie in Frankreich und Italien hat man mit solchen Herdenschutzprojekten bereits gute Erfahrungen gemacht. Wir Menschen haben kein Monopol auf die alleinige Nutzung der Landschaft, sondern teilen mit dem Wolf den gleichen Lebensraum.

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