© G. Werner/WWF Steiermark
Diese Flüsse in Österreich eignen sich besonders für Renaturierungen
Studie zeigt über 1.000 Flusskilometer mit hohem Potenzial
Intakte Flüsse beherbergen eine unglaubliche Fülle an Arten und sind essenziell für eine gesunde Umwelt. Auch wir Menschen könnten ohne Wasser nicht existieren. Doch leider verbauen und verändern wir unsere heimischen Flüsse so, dass sie in keinem natürlichen Zustand mehr sind. Von den österreichischen Fließgewässern sind nur mehr 14% ökologisch intakt.
Die Lösung: Renaturierungen von Flüssen. Eine neue Studie zeigt, dass mehr als 1.000 Flusskilometer in Österreich ein hohes Renaturierungs-Potenzial haben. Für die Analyse haben die technischen Büros blattfisch e.U. in Zusammenarbeit mit dem WWF Österreich den Verbauungsgrad der großen heimischen Flüsse untersucht.
In allen Bundesländern finden sich Flussabschnitte, die sich besonders gut für eine Renaturierung eignen. An vielen der Strecken mit hohem Potenzial würde schon eine bauliche Maßnahme reichen, um sie wieder frei fließen zu lassen. Denn oft gibt es veraltete oder nicht mehr benötigte Querbauwerke, die den Fluss unnötig einschränken. An anderen Abschnitten könnten Uferbausteine entfernt oder Seitenarme wieder angebunden werden.
Wir zeigen für jedes Bundesland einen Fluss als Beispiel für ein hohes Renaturierungs-Potenzial.
Oberösterreich: Die Aschach
In Oberösterreich gibt es insgesamt 70 Flusskilometer mit hohem Renaturierungs-Potenzial. Ein Beispiel ist die Aschach – sie verläuft in den Bezirken Eferding und Grieskirchen. Sie wäre ein Paradebeispiel für die Umsetzung der EU-Renaturierungsverordnung. Denn hier könnten durch den Rückbau nicht mehr gebrauchter Querbauwerke verhältnismäßig viele Flusskilometer wieder frei fließen. Aus gewässerökologischer und naturschutzfachlicher Sicht kommt der Aschach eine besondere Bedeutung zu: Die Aschach ist im Europaschutzgebiet Eferdinger Becken ein Biodiversitäts-Hotspot. Dort kommen viele seltene und teils stark gefährdete Arten vor, wie zum Beispiel dem Frauennerfling. Im Unterlauf der Aschach befinden sich neben einem aktuell noch genutzten Kraftwerkswehr auch drei ungenutzte Querbauwerke – diese könnten leicht entfernt werden.
Kärnten: Die Drau
Kärnten weist 80 Flusskilometer mit hohem Renaturierungs-Potenzial auf. Laut Studie liegt ein vielversprechender Abschnitt zum Beispiel an der Drau, zwischen Sachsenburg und der Landesgrenze zu Tirol. Die Drau entspringt auf 1.600 Metern Seehöhe in Südtirol, fließt durch Osttirol, Kärnten und Slowenien und mündet nach rund 749 Kilometern in Kroatien in die Donau. Ab Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Drau stark reguliert. Hinzu kommt die intensive energiewirtschaftliche Nutzung des Flusses. Wenn die Drau durch Renaturierungsmaßnahmen wieder mehr Platz bekommt, könnten hier die bestehenden naturnahen Abschnitte um bis zu 18 Flusskilometer verlängert werden.
Steiermark: Die Mur
In der Steiermark gibt es insgesamt 278 Flusskilometer mit hohem Renaturierungs-Potenzial. Einer dieser Bereiche liegt in den Mur-Auen im Grenzgebiet zu Slowenien – den zweitgrößten Auwäldern Österreichs nach den Donau-March-Thaya Auen. Mit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Mur in der Steiermark systematisch reguliert. Typische Lebensräume für viele Tierarten wie Seitenarme, Kiesbänke, seicht überströmte Wasserbereiche und Abbruchufer gingen großteils verloren. Das hatte katastrophale Auswirkungen auf die Ökologie. Seit 2021 ist die untere Mur Teil des Fünf-Länder-Biosphärenparks Mur-Drau-Donau, der sich von Österreich über Slowenien, Kroatien, Ungarn und Serbien erstreckt. Aktuell wird die untere Mur im Rahmen des EU-geförderten Projekts Life Restore for MDD grenzüberschreitend renaturiert. Geplant sind beispielsweise Aufweitungen auf slowenischer Seite bei Konjišče und Mele sowie auf österreichischer Seite an der Sulzbachmündung. Außerdem wurde im Interreg-Projekt „GoMURra“ ein Renaturierungskonzept für die gesamte Grenzmur erstellt. Die EU-Renaturierungsverordnung könnte ein entscheidender Baustein für ambitionierte Maßnahmen an der unteren Mur sein.
Niederösterreich: Die March
Die March in Niederösterreich ist ein besonderes Beispiel. Der 358 Kilometer lange Fluss verläuft viele Kilometer entlang der Grenze zwischen der Tschechischen Republik und der Slowakei sowie entlang der Grenze Slowakei und Österreich. Das WWF-Auenreservat in Marchegg liegt im Überschwemmungsgebiet der March. Neben naturnahen Auwäldern prägen mannigfaltige Wiesen und Augewässer das rund 1.100 Hektar große Naturschutzgebiet. Insgesamt finden mehr als 500 gefährdete Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum im WWF-Auenreservat – darunter Seeadler, Weißstorch und Hügelnelke. Zwar wird die March in der Studie aufgrund ihres Verbauungsgrades nur mit einem mittleren Potenzial bewertet. Doch durch die Entfernung künstlicher Uferbefestigungen und der Wiederanbindung alter Seitenarme und Mäander könnte hier eine Auenlandschaft wiederhergestellt werden. Diese würde rund 200 Quadratkilometern umfassen.
Tirol: Die Isel
In Tirol gibt es insgesamt 112 Flusskilometer mit hohem Renaturierungs-Potenzial. Dazu gehören auch Abschnitte an der Isel, einem der letzten Gletscherflüsse Österreichs, die ihren ursprünglichen und natürlichen Charakter weitgehend bewahren konnte. Die Isel entspringt auf 2400 Metern am Umbalkees, fließt über 57 Kilometer durch Osttirol und mündet bei Lienz in die Drau. Schluchten mit senkrecht abfallenden Felswänden, Wasserfälle wie die Umbafälle im Oberlauf und turbulente Strömungen wechseln sich ab mit weniger gefällereichen Strecken und breiteren Tälern. Leider ist aber auch die Isel in einigen Abschnitten in keinem guten ökologischen Zustand: Querbauwerke an den Zubringern sowie Uferverbauungen haben hier zu Verschlechterungen geführt.
Burgenland: Die Strem
Rund 120 Flusskilometer mit einem hohen Renaturierungs-Potenzial gibt es im Burgenland. Ein besonders vielversprechender Abschnitt liegt an der Strem. Die Quelle der Strem befindet sich westlich von Oberwart. Der Fluss durchfließt das Südburgenland, bildet in ihrem Unterlauf die Staatsgrenze zu Ungarn und mündet in die Pinka. Besonders hohes Potenzial für eine Renaturierung hat der 7 Kilometer lange und noch unverbauten Oberlauf des Flusses. Unmittelbar anschließend folgt ein ungefähr 2 Kilometer langer Abschnitt, mit ebenfalls sehr hohem Potenzial für eine Renaturierung.
Salzburg: Die Saalach
Insgesamt 68 Flusskilometer mit hohem Renaturierungs-Potenzial gibt es im Bundesland Salzburg. Ein vielversprechender Abschnitt findet sich an der fast durchgehend regulierten Saalach. Die in Summe mehr als 100 Kilometer lange Saalach entspringt in den Kitzbühler Alpen in Tirol, fließt durch das Glemmtal, wechselt nach rund 80 Kilometern nach Bayern und kommt wieder zurück, um in die Salzach zu fließen. Sie ist beinahe durchgängig reguliert, weist aber noch eine längere Flussstrecke auf, die ihren typischen und natürlichen Charakter bewahrt hat: die letzten Kilometer vor dem Grenzübertritt nach Bayern. Auf dem rund 22 Kilometer langen Abschnitt zwischen Saalfelden und der Staatsgrenze könnten durch den stellenweisen Rückbau von Uferbefestigungen viele Flusskilometer wieder frei fließend gemacht werden.
Vorarlberg: Die Breitach
Vorarlberg liegt in einer der Regionen mit dem meisten Niederschlag in ganz Europa. Rund 41 Flusskilometer weisen in dem Bundesland ein hohes Renaturierungs-Potenzial auf. Ein Beispiel dafür ist die Breitach. Die Breitach entspringt bei Baad auf rund 1.200 Metern Seehöhe. Sie durchfließt das Kleinwalsertal Richtung Nordwesten. Unmittelbar nach der Staatsgrenze zu Deutschland befindet sich die imposante Breitachklamm, ein beliebtes Ausflugsziel. Die Breitach ist fast auf der gesamten österreichischen Strecke als frei fließend eingestuft und weist im Oberlauf noch ein hohes Renaturierungs-Potenzial auf. Der 21 Kilometer lange frei fließende Abschnitt könnte hier um drei Kilometer verlängert werden.
Wien: Der Alserbach
Wien nimmt als Stadt eine Sonderstellung ein. Dennoch bietet die EU-Renaturierungsverordnung auch in Städten Möglichkeiten, Naturschutz und Anpassung an die Klimakrise gemeinsam zu denken. Ein Beispiel dafür ist der Alserbach. Er entspringt im Wienerwald und ist ein circa 10 Kilometer langer Fluss, der heute großteils als Bachkanal geführt wird. Die meisten Wienerwaldbäche fließen heute unterirdisch durch Wien: Seit 1755 sind 33% der Wiener Fließgewässer von der Oberfläche verschwunden. Auch wenn eine vollständige Wiederherstellung der Natur am Alserbach nicht möglich ist, können Abschnitte „reaktiviert” und wieder an die Oberfläche geholt werden. Das könnte nicht nur das Mikroklima verbessern und Erholungsräume schaffen, sondern auch die Bewässerung von Straßenbäumen und Grünflächen wie Parks erleichtern.