© Sonja Lindberg
Pferdeweide Marchegg: Konik-Pferde erobern die Au
Eine Herde halbwilder Konik-Pferde lebt seit 2015 im WWF-Auenreservat in Marchegg. Die Tiere haben eine wichtige Aufgabe: Die Beweidung einer großzügigen Koppel. Und wie der aktuelle WWF-Jahresbericht zeigt, wirkt sich die Anwesenheit der Pferde sehr positiv auf die Artenvielfalt aus.
Die Pferde fressen vor Ort das Gras stellenweise kurz, wodurch die Wiesen gepflegt werden. Außerdem scharren sie mit den Hufen und wälzen sich im Gras – es entsteht so eine abwechslungsreiche Fläche, auf der sich viele verschiedene Arten wohlfühlen. Das Beweidungsprojekt soll einen wesentlichen Beitrag zur Landschaftspflege und Erhaltung des Gebiets leisten und wird von der EU im Rahmen des LIFE+ Projekts Renaturierung Untere March-Auen unterstützt.
Konik-Pferde sind perfekt an die rauen Bedingungen in der Au angepasst. Die urtümliche Pferderasse stammt aus Polen. Die Bezeichnung „Konik“ stammt aus dem Polnischen und bedeutet „kleines Pferdchen“, da die mausgrauen Kleinpferde lediglich eine Schulterhöhe von 130 bis 145 Zentimetern erreichen. Die direkten Nachfahren der ausgestorbenen europäischen Wildpferde sind äußerst robust und werden von Polen über Deutschland bis in die Niederlande ganzjährig in großen Naturreservaten gehalten.
Aufbau der Herde der Konik-Pferde
Der Aufbau der Marchegger Herde begann im Frühjahr 2015 mit sechs Stuten. Die Tiere wurden direkt aus einem polnischen Reservat übernommen, das bereits viele Jahre Konik-Pferde ganzjährig unter ähnlichen Bedingungen im Freiland hält. Im Sommer 2016 wurde die Herde mit drei Hengstfohlen ergänzt. Seither wächst der Bestand schrittweise heran.
Die Marchegger Pferdeweide ist so angelegt, dass sich die Pferde möglichst alle Grundbedürfnisse selbstständig erfüllen können. Dazu gehört neben Schutz, Nahrung und ausreichend Wasser auch die Möglichkeit ihr artgerechtes Sozialverhalten auszuleben. Auf der Badwiese finden die Tiere zudem Schutz vor Hochwasser und einen trockenen Unterstand vor.
Konik-Pferde sind Retter der Artenvielfalt
Dass die Konik-Pferde im WWF-Auenreservat leben, wirkt sich sehr positiv auf das Ökosystem aus: Bei einer Untersuchung konnten dort insgesamt 147 Pflanzen- und Tierarten nachgewiesen werden. Die Pferde hinterlassen eine Art Mosaik aus zahlreichen verschiedenen Strukturen, die es ohne Beweidung nicht gäbe: kniehohe Kräuter, kurze Rasen, überstehende Stauden und verbissene Sträucher.
Außerdem hinterlassen die Pferde Trittspuren, Suhlen und Dunghaufen. Auf solchen sogenannten Sonderstrukturen entstehen vielfältige Mikrohabitate, die für Pflanzen und Insekten wertvoll sind. 49 Arten wurden ausschließlich auf den Sonderstrukturen nachgewiesen, vor allem auf Dung (19 Arten) und Trittspuren (18 Arten). Von der Anwesenheit der Pferde profitieren darüber hinaus auch Vogelarten wie etwa der Weißstorch, weil es dadurch mehr Nahrung gibt.
Außerdem ergaben Beobachtungen, dass am Rand der Weideflächen der Koniks mehr als doppelt so viele Jungeichen wachsen wie entlang von unbeweideten Vergleichsflächen. Die Eiche wächst in vielen Waldgebieten Europas nur sehr schwer nach – wieso ist nicht abschließend geklärt. Aber eine prominente Theorie lautet, dass große Pflanzenfresser wie Pferde im Lebenskreislauf der Eichen eine wichtige Rolle spielen, weil sie für lichte Wälder und sanfte Übergänge zwischen Wäldern und offenen Flächen sorgen. Das bietet perfekte Voraussetzungen für junge Eichen.
Geschichte der natürlichen Beweidung
Huftiere wie Auerochse und Tarpan prägten über Jahrtausende die Landschaft Mitteleuropas. Als große Pflanzenfresser schufen sie ein Mosaik unterschiedlichster Lebensräume – von geschlossenen Wäldern, parkartigen Lichtungen bis zu offenen Weiderasen.
In der Neuzeit übernahmen Haustiere wie Rinder vielerorts diese Funktion, bis sie im Zuge der Industrialisierung im 20. Jahrhundert aus vielen Kulturlandschaften verschwanden. Im Auenreservat Marchegg wurden zuletzt in den 1930er Jahren Flächen regelmäßig beweidet. Noch 1946 gab es rund um Marchegg mehr Weideflächen als Wiesen. Heute spielen Weidetiere in der Bewirtschaftung der March-Auen keine Rolle mehr, damit haben aber viele an die Beweidung angepasste Arten, wie der auffällige Wiedehopf oder der unscheinbare Dungkäfer, ihren Lebensraum verloren.
Große Pflanzenfresser schaffen große Vielfalt
Mit der Rückkehr der großen Huftiere erwartet sich der WWF im Auenreservat eine wesentlich natürlichere Entwicklung der Au. Die Jahresberichte (siehe Downloads) zeigen, dass das Projekt bisher ein voller Erfolg ist! Für die vielen Besucher*innen der Storchenstadt Marchegg bietet das Projekt außerdem neue Naturbeobachtungsmöglichkeiten. Und für den Forstbetrieb stellt die Beweidung auch eine gute Alternative zur Wiesenmahd dar, da die besonders nassen Flächen ohnedies nur schwer zu mähen, aber noch gut zu beweiden sind.
Die Einrichtung der Pferdeweide wurde durch die Finanzierung im Rahmen des EU LIFE+ Programms im LIFE-Renaturierungsprojekt ermöglicht. Die Infrastruktur wurde im Rahmen einer interdisziplinären Vorstudie unter der Beteiligung der Fachabteilungen des Landes und des Bezirks, sowie namhafter Expert*innen sorgfältig geplant.
Fotostrecke: Die größten Erfolge aus den Weideberichten
Seltene Vogelarten, immer mehr Heuschrecken und Brutrekorde bei den Störchen: In den jährlich erscheinenden Weideberichten können wir von zahlreichen Erfolgen der Beweidung im WWF-Auenreservat erzählen.
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