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© Sonja Lindberg

Pferdeweide Marchegg: Konik-Pferde erobern die Au

29. März 2023

Eine Herde halbwilder Konik-Pferde lebt seit 2015 im WWF-Auenreservat in Marchegg. Die Tiere haben eine wichtige Aufgabe: Die Beweidung einer großzügigen Koppel. Und wie der aktuelle WWF-Jahresbericht zeigt, wirkt sich die Anwesenheit der Pferde sehr positiv auf die Artenvielfalt aus.

Die Pferde fressen vor Ort das Gras stellenweise kurz, wodurch die Wiesen gepflegt werden. Außerdem scharren sie mit den Hufen und wälzen sich im Gras – es entsteht so eine abwechslungsreiche Fläche, auf der sich viele verschiedene Arten wohlfühlen. Das Beweidungsprojekt soll einen wesentlichen Beitrag zur Landschaftspflege und Erhaltung des Gebiets leisten und wird von der EU im Rahmen des LIFE+ Projekts Renaturierung Untere March-Auen unterstützt.

Konik-Pferde sind perfekt an die rauen Bedingungen in der Au angepasst. Die urtümliche Pferderasse stammt aus Polen. Die Bezeichnung „Konik“ stammt aus dem Polnischen und bedeutet „kleines Pferdchen“, da die mausgrauen Kleinpferde lediglich eine Schulterhöhe von 130 bis 145 Zentimetern erreichen. Die direkten Nachfahren der ausgestorbenen europäischen Wildpferde sind äußerst robust und werden von Polen über Deutschland bis in die Niederlande ganzjährig in großen Naturreservaten gehalten.

Aufbau der Herde der Konik-Pferde

Der Aufbau der Marchegger Herde begann im Frühjahr 2015 mit sechs Stuten. Die Tiere wurden direkt aus einem polnischen Reservat übernommen, das bereits viele Jahre Konik-Pferde ganzjährig unter ähnlichen Bedingungen im Freiland hält. Im Sommer 2016 wurde die Herde mit drei Hengstfohlen ergänzt. Seither wächst der Bestand schrittweise heran.

Die Marchegger Pferdeweide ist so angelegt, dass sich die Pferde möglichst alle Grundbedürfnisse selbstständig erfüllen können. Dazu gehört neben Schutz, Nahrung und ausreichend Wasser auch die Möglichkeit ihr artgerechtes Sozialverhalten auszuleben. Auf der Badwiese finden die Tiere zudem Schutz vor Hochwasser und einen trockenen Unterstand vor.

Konik-Pferde sind Retter der Artenvielfalt

Dass die Konik-Pferde im WWF-Auenreservat leben, wirkt sich sehr positiv auf das Ökosystem aus: Bei einer Untersuchung konnten dort insgesamt 147 Pflanzen- und Tierarten nachgewiesen werden. Die Pferde hinterlassen eine Art Mosaik aus zahlreichen verschiedenen Strukturen, die es ohne Beweidung nicht gäbe: kniehohe Kräuter, kurze Rasen, überstehende Stauden und verbissene Sträucher.

Außerdem hinterlassen die Pferde Trittspuren, Suhlen und Dunghaufen. Auf solchen sogenannten Sonderstrukturen entstehen vielfältige Mikrohabitate, die für Pflanzen und Insekten wertvoll sind. 49 Arten wurden ausschließlich auf den Sonderstrukturen nachgewiesen, vor allem auf  Dung (19 Arten) und Trittspuren (18 Arten). Von der Anwesenheit der Pferde profitieren darüber hinaus auch Vogelarten wie etwa der Weißstorch, weil es dadurch mehr Nahrung gibt.

Außerdem ergaben Beobachtungen, dass am Rand der Weideflächen der Koniks mehr als doppelt so viele Jungeichen wachsen wie entlang von unbeweideten Vergleichsflächen. Die Eiche wächst in vielen Waldgebieten Europas nur sehr schwer nach – wieso ist nicht abschließend geklärt. Aber eine prominente Theorie lautet, dass große Pflanzenfresser wie Pferde im Lebenskreislauf der Eichen eine wichtige Rolle spielen, weil sie für lichte Wälder und sanfte Übergänge zwischen Wäldern und offenen Flächen sorgen. Das bietet perfekte Voraussetzungen für junge Eichen.

Geschichte der natürlichen Beweidung

Huftiere wie Auerochse und Tarpan prägten über Jahrtausende die Landschaft Mitteleuropas. Als große Pflanzenfresser schufen sie ein Mosaik unterschiedlichster Lebensräume – von geschlossenen Wäldern, parkartigen Lichtungen bis zu offenen Weiderasen.

In der Neuzeit übernahmen Haustiere wie Rinder vielerorts diese Funktion, bis sie im Zuge der Industrialisierung im 20. Jahrhundert aus vielen Kulturlandschaften verschwanden. Im Auenreservat Marchegg wurden zuletzt in den 1930er Jahren Flächen regelmäßig beweidet. Noch 1946 gab es rund um Marchegg mehr Weideflächen als Wiesen. Heute spielen Weidetiere in der Bewirtschaftung der March-Auen keine Rolle mehr, damit haben aber viele an die Beweidung angepasste Arten, wie der auffällige Wiedehopf oder der unscheinbare Dungkäfer, ihren Lebensraum verloren.

Große Pflanzenfresser schaffen große Vielfalt

Mit der Rückkehr der großen Huftiere erwartet sich der WWF im Auenreservat eine wesentlich natürlichere Entwicklung der Au. Die Jahresberichte (siehe Downloads) zeigen, dass das Projekt bisher ein voller Erfolg ist! Für die vielen Besucher*innen der Storchenstadt Marchegg bietet das Projekt außerdem neue Naturbeobachtungsmöglichkeiten. Und für den Forstbetrieb stellt die Beweidung auch eine gute Alternative zur Wiesenmahd dar, da die besonders nassen Flächen ohnedies nur schwer zu mähen, aber noch gut zu beweiden sind.

Die Einrichtung der Pferdeweide wurde durch die Finanzierung im Rahmen des EU LIFE+ Programms im LIFE-Renaturierungsprojekt ermöglicht. Die Infrastruktur wurde im Rahmen einer interdisziplinären Vorstudie unter der Beteiligung der Fachabteilungen des Landes und des Bezirks, sowie namhafter Expert*innen sorgfältig geplant.

Fotostrecke: Die größten Erfolge aus den Weideberichten

Seltene Vogelarten, immer mehr Heuschrecken und Brutrekorde bei den Störchen: In den jährlich erscheinenden Weideberichten können wir von zahlreichen Erfolgen der Beweidung im WWF-Auenreservat erzählen.

2015: Stuten ziehen ein

Im Jahr 2015 startete das Projekt der Ganzjahresbeweidung im WWF-Auenreservat. Zunächst ziehen 6 Konik-Stuten ein. Sie erkunden neugierig die gesamte Fläche, die ihnen zur Verfügung steht, und leben sich rasch ein.

2016: Junge Hengste folgen

Zu den 6 Stuten kommen nun auch 3 Junghengste. Außerdem wird ein Teil der Fläche auch mit Rindern und Wasserbüffeln beweidet. Der Anblick der ehemaligen Mähwiesen ändert sich durch die Beweidung deutlich: es entsteht ein buntes Mosaik verschiedener Vegetationstypen.

2017: Fohlen werden geboren

2017 werden erstmals Fohlen geboren, die sich rasch zu Publikumsmagneten entwickeln. Die Fläche wird auf 76 Hektar erweitert. Untersuchungen zeigen, dass sich die Änderungen der Vegetation positiv auf den Heuschreckenbestand auswirken – und Heuschrecken sind ein wichtiger Indikator für den Zustand der Natur.

2018: Hoher Bruterfolg bei Störchen

Die Vegetation wird durch die Beweidung immer abwechslungsreicher – und seltene Arten kehren zurück. Auch die Störche der Marchegger Kolonie profitieren von der Beweidung: seit die Pferde da sind, ist der Bruterfolg durchwegs hoch.

2019: Seltene Vogelarten entdeckt

Seltene Vogelarten wie der Neuntöter (im Bild), Raubwürger und Wendehals werden im Reservat entdeckt. Eine wichtige Rolle dabei spielt wahrscheinlich, dass die Weidefläche zu einem Dungkäfer-Hotspot geworden ist. Und Großinsekten wie Dungkäfer und Heuschrecken sind für zahlreiche Vogelarten eine wichtige Nahrungsquelle.

2020: Die Herde wächst

Die Pferdeherde ist mittlerweile gewachsen und hat sich – wie üblich in einer natürlichen Situation – in mehreren Gruppen aufgeteilt. Auch der Klimawandel macht sich bemerkbar: Auf die zusätzliche Rinderbeweidung wird erstmals verzichtet, weil sonst womöglich zu wenig Winterfutter für die Pferde übrig geblieben wäre.

2021: Heuschrecken-Hotspot

Der Heuschreckenbestand erreicht einen neuen Höchststand, und viele seltene Arten, die vorher in dem Gebiet nicht bekannt waren, können nachgewiesen werden. Eine Besucher:innenbefragung zeigt die große Beliebtheit der Pferdeherde.

2022: Rekord bei den Störchen

Der Bruterfolg der Störche erreicht einen Höhepunkt: Noch nie in den vergangenen Jahrzehnten wurden pro Brutpaar so viele Jungstörche großgezogen. Eine Untersuchung zeigt die große Bedeutung von „Mikrohabitaten“ für den Artenreichtum auf der Weidefläche. Dazu gehören zum Beispiel Trittpfade, verbissene Sträucher, Scharrspuren oder Dunghaufen.

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