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© Christoph Praxmarer

Kraftwerk Kaunertal: Wieso der massive Ausbau eine Gefahr für die Bevölkerung ist

11. Januar 2023

Im Tiroler Kaunertal liegt der Gepatschspeicher, ein großer Stausee. Aus ihm wird das Wasserkraftwerk Kaunertal gespeist. Doch über eines kann der viele Stahl und Beton nicht hinwegtäuschen: Die Berghänge rund um den Speicher sind instabil. Schon jetzt sind an den Hängen 290 Millionen Kubikmeter Gestein in Bewegung – das wäre genug, um ganz Innsbruck unter rund drei Metern Schutt und Geröll zu begraben.

Hauptverantwortlich für diese Hangrutschungen ist der Betrieb des bestehenden Kraftwerks. Es klingt deshalb wie ein schlechter Scherz, dass es nun sogar weiter massiv ausgebaut werden soll. Das Risiko für Rutschungen, Fels- und Bergstürze würde dadurch noch weiter erhöht werden. Zu diesem Ergebnis kommen zwei aktuelle geologische Gutachten. Somit wäre der Ausbau des Kraftwerks im Kaunertal – neben der massiven Zerstörung von bisher nahezu unberührter alpiner Landschaften und Flüssen – auch eine große Gefahr für die lokale Bevölkerung.

Vor allem die Bewohner*innen im Kaunertal sind besorgt. „Wenn beim Bau des Speicherkraftwerks oder beim täglichen Pumpen zwischen den Speicherseen etwas schiefgeht, dann sind es unsere Existenzen, die auf dem Spiel stehen”, sagt Anita Hofmann, Obfrau des Vereins „lebenswertes kaunertal”. „Es ist völlig inakzeptabel, die Bevölkerung einem so großen Risiko auszusetzen und uns nicht einmal zu informieren.”

Staudamm Gepatschspeicher Kraftwerk Kaunertal © Sebastian Frölich

Mahnendes Beispiel: Katastrophe von Longarone

Die Katastrophe von Longarone 1963 ist ein mahnendes Beispiel dafür, dass das Risiko nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf. Das Aufstauen des Stausees Vajont führte zu einem verhängnisvollen Bergrutsch. Mehr als 2000 Menschen kamen in einer Flutwelle um. Nach der Katastrophe wurde auch die Sicherheit der Anlage im Kaunertal intensiv diskutiert. Es wurde ein umfangreiches Monitoring und ein Frühwarnsystem aufgebaut.

Doch das Kaunertal ist geologisch gesehen vorgeschwächt: Die Gesteine sind instabil und anfällig gegenüber zusätzlichen Störungen. Es zeigt sich, dass trotz umfassender Sicherungsmaßnahmen keine Entschärfung der Situation herbeigeführt werden konnte. Selbst Hangund Felssicherungen, die 20 und mehr Meter tief im Untergrund verankert sind, werden von den Rutschungen mitgerissen.

Was den Ausbau so gefährlich macht

Aber was genau sorgt dafür, dass sich das Risiko mit einem Ausbau des bestehenden Kraftwerks weiter erhöhen würde? Das Kraftwerk Kaunertal soll massiv ausgebaut werden und es soll unter anderem ein zusätzliches Pumpspeicherkraftwerk errichtet werden. Das bedeutet, dass das Wasser von einem unteren Speicher in einen oberen Speicher gepumpt und bei hohen Strompreisen als Antrieb für Turbinen genutzt wird. Dadurch gelangt das Wasser dann wieder in den unteren Speicher. Für diesen Vorgang bräuchte es einen neuen Stausee, der mit viel Aufwand errichtet werden müsste.

Ein zusätzlicher Pumpbetrieb würde die Gefahren von Rutschungen, Fels- und Bergstürzen noch weiter erhöhen. Zwei aktuelle Gutachten zur Geologie im Kaunertal haben die Situation genauer unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Die Hänge über dem Speicher sind seit Jahrzehnten in Bewegung. Der Hauptgrund dafür sind die jährlichen Wasserspiegelschwankungen durch den Kraftwerksbetrieb. Der Ausbau würde dafür sorgen, dass der Wasserspiegel des Stausees noch stärker und vor allem häufiger schwanken würde.

Dabei werden allein schon Temperaturanstiege durch die Klimakrise, die schmelzenden Gletscher, das Auftauen des Permafrostes und Extremwetterereignisse eine massive Herausforderung für die Sicherheit des Gepatschstausees. Bereits im Winter 2018/2019 führten starke Niederschläge zu den umfangreichsten Bewegungen im Westhang seit den 1960er-Jahren. Aus Sicherheitsgründen musste der Kraftwerksbetrieb eingeschränkt werden. Das Gutachten kam zum Schluss, dass sich auf der Westseite seit 2015 Felsstürze und Rutschungen häufen. 2019 wurde sogar ein abgesicherter Bereich samt Sicherungsnetz mitgerissen.

Wir fordern: Stoppt das Projekt!

Die beunruhigende Häufung von Hangrutschungen und Felsstürzen erfordern eine rasche Überprüfung der Sicherheitslage. Die Gutachten geben Anlass zu schwerwiegenden Bedenken, ob die Hänge des Kaunertals für den Ausbau eines Pumpspeicherkraftwerks geeignet sind. Es ist deshalb dringend notwendig, dass die Tiroler Landesregierung das Projekt stoppt. Es braucht eine unabhängige Kommission, die mit der umfassenden Untersuchung der steigenden Naturgefahren im Kaunertal beauftragt wird. Denn die Risiken sind derzeit unkalkulierbar.

Zahlen & Fakten

  • Das bestehende Kraftwerk Kaunertal soll massiv ausgebaut werden.
  • Unter anderem soll ein zusätzliches Pumpspeicherkraftwerk errichtet werden.
  • Vom Ausbau wären drei Täler betroffen: Das Kaunertal, das Ötztal und das Platzertal.
  • Aus dem Ötztal sollen bis zu 80% des Wassers abgeleitet werden.
  • Im Platzertal ist ein neuer Staudamm geplant, der 120 Meter hoch und 450 Meter breit werden soll.
  • Wertvolle Moore würden dadurch im Wasser versinken, 6 Schutzgebiete wären bedroht.
  • Geschützte Tierarten wie Murmeltier, Alpenschneehuhn oder Innäsche würden an Lebensraum verlieren.

WWF Info-Material

Stoppen Sie mit uns das Monster-Kraftwerk!

Unsere Petition gegen den Kraftwerksausbau im Kaunertal,
und für den Schutz österreichischer Flussheiligtümer.

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