© Karin Enzenhofer
Modellprojekt Alt- und Totholzverbundsysteme im Leithagebirge
Halsbandschnäpper, Mittelspecht, Hirschkäfer und Großer Eichenbock – sie sind alle auf Tot- und Altholz angewiesen. Doch davon findet sich leider oft viel zu wenig in unseren Wäldern. Daher hat der WWF Österreich ein Verbundsystem entwickelt, das gemeinsam mit den Esterhazy Betrieben im Leithagebirge erstmalig umgesetzt wird.
Entwicklung eines neuen Verbundsystems für Alt- & Totholz
Österreichweit soll ein einmaliges Modell für die Planung und Umsetzung anspruchsvoller Wald-Umweltmaßnahmen in privaten Wäldern, abseits von Großschutzgebieten, entstehen. Hierfür arbeiten der WWF Österreich und die Esterhazy Betriebe seit 2018 an der Umsetzung eines Verbundsystems, das Alt- und Totholz fördern und gleichzeitig die Bewirtschaftung der Wälder so wenig wie möglich behindern soll. Im 3.500 Hektar umfassenden Projektgebiet im Leithagebirge dienen dabei die sogenannten „EU-Schutzgüter“ (ausgewählte, schützenswerte Tier- und Pflanzenarten) Halsbandschnäpper, Mittelspecht, Hirschkäfer und Großer Eichenbock als jene Arten, die mit dem Modell aufgrund ihrer hohen Ansprüche an ihren Lebensraum, geschützt und gefördert werden sollen. Gleichzeitig wird das Projekt als Vorzeige- und Modellprojekt geführt, das auf die Umsetzung eines Managementkonzepts hinausläuft. Das Ziel ist sowohl die räumlich explizite Umsetzung im Leithagebirge sowie das Ausarbeiten eines Praxisleitfadens für Folgeprojekte in anderen Arealen.
In Zukunft sollen sich, dank der Arbeit des WWF und Esterhazy, Naturschutz und forstbetriebliche Ziele nicht mehr ausschließen, sondern ergänzen.
Darum ist altes und totes Holz so wichtig
Tote Äste, abgestorbene stehende und umgefallene Bäume sind eine seltene Szenerie in vielen Wäldern. Doch wer hätte gedacht, dass es gerade Totholz ist, das unseren heimischen Wäldern Leben einhaucht? Als Nahrung und Lebensraum stellt es die Basis für einen gesunden Waldboden dar. Es liefert dem Wald organisches Material, Nährstoffe und fungiert als Wasserspeicher. Totholz bietet einer Vielzahl an Organismen sowie größeren Waldbewohnern Lebensraum und Nahrung. Als natürlicher Stabilisator des Bodens verhindert es außerdem Hangrutschungen, Erosion, Lawinen und Steinschlag und speichert über viele Jahrzehnte hinweg Kohlenstoff.
Vorteile von Totholz
- Liefert dem Wald Nährstoffe
- Stabilisiert den Waldboden
- Speichert über Jahrzehnte hinweg Kohlenstoff
- Fungiert als Wasserspeicher
- Bietet Nahrung und Lebensraum für Organismen und Waldbewohner
Profitierende Arten
- Hirschkäfer
- Heldbock (auch Großer Eichenbock genannt)
- Mittelspecht
- Halsbandschnäpper
- u.v.a.
Was ist Totholz?
Als Totholz bezeichnet man sowohl einzelne tote Äste an einem alten Baum wie auch abgestorbene, stehende oder umgefallene Bäume oder Teile davon. Dabei ist die Bezeichnung Totholz eigentlich irreführend. Totholz ist nämlich nicht nur ein wichtiger Bestandteil des Waldökosystems, sondern auch Nahrungsgrundlage und Lebensraum für viele Arten.
Auch Altholzinseln mit ihren Biotopbäumen, die Höhlen, Risse, Stammschäden und Kronenbrüche aufweisen, sind wichtig. Dort finden sich besonders viele Mikrohabitate (Lebensräume) für unterschiedlichste Waldbewohner.
3 Strategien für mehr Biodiversität in den Wäldern
Der Schutz der Biodiversität in bewirtschafteten Wäldern ist im Wesentlichen eine Frage des gezielten Belassens entscheidender Elemente, um die ‚Verkürzung‘ des Entwicklungsphasenzyklus durch den Ernteeinschlag zu kompensieren. Darauf aufbauend basieren unsere Aktivitäten für die Erhaltung von Altbestandselementen auf 3 Strategien:
- Schützen: Schutz vorhandener Altbestandsrelikte (oder anderer Kleinbestände von hohem Wert oder mit entsprechendem Potenzial) durch die Einrichtung klar umrissener, abgesteckter Gebiete, wie beispielsweise Naturwaldreservate oder Nationalparks, aber auch kleinerer, oft „Waldrefugien“ oder „Altholzinsel” genannter Schutzflächen.
- Erhalten: Der bewusste Erhalt von toten, alten oder anderen Habitatbäumen in einem Bestand im Rahmen von Durchforstungs- oder Erntemaßnahmen sichert Schlüsselelemente innerhalb der „Matrix“ bewirtschafteter Wälder.
- Wiederherstellen: Auch wenn aktuell keine solchen Altbestandsstrukturen vorhanden sind, kann mithilfe geeigneter Maßnahmen deren Wiederherstellung in geplanten, vernetzten Mustern erfolgen. So können beispielsweise Anwärter-Biotopbäume ausgewiesen werden.
Werden diese drei Strategien in der Praxis umgesetzt, so bedeutet dies, dass etliche Elemente ehemaliger Naturwälder erhalten werden. Optimalerweise entsteht ein Verbundsystems aus verschiedenen Elementen. Dies soll über den Erhalt von bestimmten Strukturen hinaus auch eine Ausbreitung, von auf diese Strukturen angewiesenen Arten (Tiere, Pflanzen, Bakterien, Pilze) ermöglichen.
Das Alt- und Totholzverbundsystem und seine Elemente
Für das langfristige Überleben von totholzgebundenen Arten braucht es im Wirtschaftswald ein Netzwerk an Lebensraumelementen, die miteinander verbunden sind. Durch die Verbindung von Biotopbäumen, Altholzinseln, Prozessschutzflächen und Totholz entstehen Trittsteine für anspruchsvolle Waldbewohner.
Sogenannte Prozessschutzflächen bilden dabei die Kernlebensräume. Als Trittsteine fungieren Altholzinseln und Habitatbäume, sie vernetzen also die Prozessschutzflächen miteinander. Damit ist ein Austausch von Individuen zwischen Populationen möglich, wenn auch in der umliegenden Waldlandschaft ein Minimum an Totholz und Struktur vorhanden ist. Zusätzlich zur Totholzquantität spielt auch die Qualität eine große Rolle. Besonders stehendes Totholz mit großen Brusthöhendurchmessern, das über einen langen Zeitraum zur Verfügung steht, ist von Bedeutung.
Prozessschutzflächen
Prozessschutzflächen sind kleine Waldflächen, die Außernutzung gestellt werden. Im Idealfall handelt es sich um Flächen, die schon länger nicht genutzt wurden, große Totholzmengen aufweisen und auch eine gewisse Strukturvielfalt zur Verfügung stellen: Liegendes und stehendes Totholz, unterschiedliche Zersetzungsphasen, unterschiedliche Baumarten und unterschiedliche Dicken der Bäume sind optimal. Damit kann gewährleistet werden, dass die Reservate die Kernlebensräume der anspruchsvollen Arten sind.
Biotopbäume
Bei Biotopbäumen handelt es sich um Baumindividuen mit möglichst vielen seltenen und besonderen Merkmalen. Das sind Bäume, die beispielsweise Höhlen, Stammschäden, Kronenbrüche, Blitzrinnen, bizarren Wuchs, Maserknollen und Totholzteile aufweisen und damit viele Mikrohabitate (Kleinstlebensräume) zur Verfügung stellen. Sie stellen die wichtigste Naturwaldstruktur im Wirtschaftswald dar. Je größer die Vielfalt an Strukturen ist, desto wertvoller sind sie.
Neben den bereits vorhandenen Biotopbäumen sollen auch Bäume, die das Potenzial zeigen, zukünftig Kleinstlebensräume aufzuweisen, im Bestand belassen werden. Sie sind die Biotopbäume von morgen, die Anwärter.
Altholzinseln
Eine Altholzinsel, auch Habitatbaumgruppe, Biotopbaumgruppe oder Biodiversitätsinsel genannt, ist eine Gruppe aus mindestens 2 Biotopbäumen. Sie können bis einige Hektar groß sein, besonders dann, wenn Anwärterbäume in der Umgebung oder Nähe miteinbezogen werden. Altholzinseln repräsentieren ein Stück Naturwald im Wirtschaftswald.
Was macht einen Biotopbaum so besonders?
- Große Strukturvielfalt und somit das Angebot an Kleinstlebensräumen sind entscheidend für die Wertigkeit eines Biotopbaumes.
- Auch wenn die meisten Biotopbäume alt und dick sind, bestimmt die Strukturvielfalt die Wertigkeit der Biotopbäume.
Profitierende Tierarten
Der Hirschkäfer
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