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Einsatz im Dschungel: So funktioniert eine Tigerzählung
Ein Tag mit Tiger-Expertin Sabita Malla
Es ist 5 Uhr Früh, als in einem Zelt im nepalesischen Dschungel ein Wecker läutet. Sabita Malla hat einen langen und anstrengenden Tag vor sich: Denn die Tiger-Expertin des WWF und ihr Team werden den Tigerbestand im Bardia Nationalpark zählen.
Wichtig sind dabei vor allem Wildtierkameras, damit Bilder von Tigern verglichen werden können. Denn das Streifenmuster eines Tigers ist so individuell wie ein Fingerabdruck – und die zuverlässigste Möglichkeit, Individuen zu identifizieren. Doch bei einer Tigerzählung wird nicht nur die Anzahl der Großkatzen erhoben, sondern auch der Bestand an Beutetieren und der Zustand des gesamten Ökosystems analysiert.
Expedition im Dschungel
Da Tiger einen großen, zusammenhängenden Lebensraum benötigen, müssen tausende Quadratkilometer Dschungel durchforstet werden. „Ich kann es mir nicht leisten, auch nur einen Zentimeter des Dschungels auszulassen, jeder Winkel des Waldes ist für die Tigerbeobachtung sehr wichtig“, erzählt die 27-jährige Sabita.
Die Wissenschaftler*innen gehen deshalb auf eine sehr genaue Spurensuche. Jeder Hinweis auf Tiger wird festgehalten: Kratzspuren, Pfotenabdrücke, Urin und Kot. So wissen sie, an welchen Orten sich die Tiere häufig aufhalten und welche Wege sie benutzen. Dort werden dann Wildtierkameras platziert.
Über 1.600 solcher Kameras werden verteilt, die dann wochen- bis monatelang an Ort und Stelle bleiben. Die Kameras lösen automatisch aus, wenn sich etwas vor ihnen bewegt. Immer zwei Kameras werden gegenüber voneinander aufgestellt, damit die Tiger von beiden Seiten fotografiert werden können. Das ist wichtig für die spätere Auswertung, denn mit einem vollständigen Streifenmuster kann man einen einzelnen Tiger besser identifizieren.
Nachdem die Kameras aufgestellt sind, beginnt Sabita die Anzahl der Beutetiere im Gebiet zu schätzen. Denn wo es keine Nahrung gibt, gibt es auch keine Tiger. Dafür muss sie zwischen zwei vorab definierten Punkten im Dschungel mehrere Kilometer weit gehen. Diesmal entdeckt sie eine Gruppe Rehe, die sie sofort fotografiert, zählt und die Geschlechter bestimmt. Die Daten werden inklusive der genauen Position notiert.
Gefährliche Begegnungen
Nach einer kurzen Mittagspause müssen die Wildtierkameras kontrolliert werden. Einmal kreuzt Sabita dabei den Weg eines Nashorns: Es ist nur fünf Meter von ihr entfernt. Das imposante Tier stürmt auf sie zu und die junge Naturschützerin kann sich gerade noch rechtzeitig auf einen nahen Baum retten.
Doch Sabita lässt sich trotz der gefährlichen Situation nicht von ihrem Vorhaben abbringen, im Gegenteil: „Ich war glücklich, ein weiteres Nashorn am Leben zu sehen, anstatt dass es den Wilderern zum Opfer fiel”, erzählt sie nachher.
Auch ihre Kolleg*innen können teilweise von gefährlichen Situationen berichten. Bishnu erinnert sich an eine Begegnung in den 1980er-Jahren: Er und sein Kollege stießen während einer Tigerzählung auf zwei Jungtiere. Auch die Mutter der beiden war in der Nähe. Sie griff die beiden Naturschützer an, doch zum Glück entschied sich die Tigerin dafür, bei ihren Jungen zu bleiben.
Akribische Auswertung
Nach einem langen Tag kommt Sabita mit den gesammelten Fotos aus den Wildtierkameras zurück ins Camp. Nun sieht sie jedes der aufgenommenen Bilder durch. Eine Arbeit, die mehrere Stunden dauern kann. Denn sobald ein Tiger fotografiert wurde, muss sie das Bild mit allen zuvor aufgenommenen Tigern vergleichen. Nur so kann ausgeschlossen werden, dass einzelne Tiere mehrfach gezählt werden.
Hier macht sich bezahlt, dass es Fotos von beiden Seiten gibt: Denn die Unterschiede in der Fellzeichnung können sehr gering und manchmal nur auf einer Seite sichtbar sein. Jedes Individuum erhält eine eigene ID und ist für Sabita ein riesiger Erfolg, denn jeder Tiger zählt. Da aber nicht garantiert werden kann, dass jedes Exemplar tatsächlich von den Wildtierkameras aufgenommen wird, wird die vollständige Population anhand von Wahrscheinlichkeiten und statistischen Verfahren sehr exakt geschätzt.
Besprechung am Lagerfeuer
Abends sitzt das ganze Team ums Lagerfeuer. Sie reden über die Geschehnisse und Entdeckungen des Tages und so mancher weiß auch Geschichten von früher zu erzählen. Egal ob Tiger-Land Nepal, Indien, Russland oder in einem anderen Land – es ist eine teure, aufwendige und manchmal gefährliche Arbeit, die Tiger zu zählen. Aber ohne Menschen wie Sabita und Bishnu wäre der König des Dschungels vielleicht schon ausgestorben.
Fakten
- Innerhalb der letzten 12 Jahre hat sich der Tiger Bestand in Nepal fast verdreifacht. 2009 lebten in Nepal 121 Tiger, zuletzt waren es 355.
- Alle 4 Jahre findet eine Tigerzählung statt. Der wichtigste Anhaltspunkt: Das Streifenmuster eines Tigers, das so individuell wie ein Fingerabdruck ist.
- Bilder von über 1.600 Wildtierkameras werden verglichen, um dann die Anzahl der Tiger zu schätzen.
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