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Tatort Kaunertal #6 – TIWAG – Eine Skandalgeschichte

Wir schreiben das Jahr 2023. Eine der letzten unberührten Moorlandschaften Europas soll zerstört werden, Wasser aus einem ohnehin wasserarmen Tal abgeleitet werden, die Gefährdung eines ganzen Tals in Kauf genommen werden und das alles um ein Kraftwerk zu bauen, gegen das es massive Widerstände in der Bevölkerung gibt und gegen das auch zahlreiche Verbände, Landwirt:innen, Forscherinnen und Wissenschafter protestieren. Wir reden nicht von einem Kraftwerksbau in einer Diktatur oder einem mindestens autoritären Staat. Nein, im Tiroler Kaunertal wird seit Jahrzehnten gegen alle Widerstände an einem Kraftwerk geplant, das in den nächsten Jahrzehnten gebaut werden soll. Wie ist es möglich, dass mitten in Österreich solche Zustände herrschen? Willkommen im System TIWAG.

Die TIWAG – der nicht so “saubere” Energieversorger

Die TIWAG in Tirol, das ist der offizielle Landes-Energieversorger der Tirolerinnen und Tiroler. Ein Unternehmen im Vollbesitz des Landes, das laut Selbstzuschreibung sauberen, umweltfreundlichen Strom, Energieunabhängigkeit und leistbare Preise garantiert. So geht nicht nur die Erzählung der TIWAG selbst, landauf und landab seit Jahrzehnten beworben, sondern so ist auch die Wahrnehmung vieler Tirolerinnen und Tiroler von “ihrem” Energieunternehmen.

Doch das makellose Image des Tiroler Energieunternehmens hat Risse bekommen. Skandale, Polit-Einfluss und ein rücksichtsloser Umgang mit der Umwelt haben über die Jahre am Saubermann-Image des Unternehmens gekratzt. Bis in die unmittelbare Gegenwart kommt das Unternehmen immer wieder in die Kritik. Zuletzt mit viel zu hohen Strompreisen, die nur nach einem Gutachten der Arbeiterkammer und auf politischen Druck hin geändert wurden. (Quelle 1)

Ein Blick zurück in die bewegte Geschichte des Unternehmens zeigt jedoch: Es waren nicht einzelne Ausrutscher. Vielmehr ziehen sich Skandale, Profitstreben und ein fragwürdiger Umgang mit Mensch und Natur wie ein roter Faden durch die Geschichte. Der bewegte Weg von Tiroler Energieerzeugerin zum international tätigen Wasserkraftkonzern ist von ständigen Grenzüberschreitungen und einem Raubbau an der Natur geprägt, der von der Vergangenheit bis in die Gegenwart reicht. Es sind nicht einzelne Unfälle, sondern es ist ein “System Tiwag”, das in Tirol vor Jahrzehnten geschaffen wurde und bis heute fortdauert.

TIWAG Kapitalaufnahme 1921

Das System TIWAG, wie alles begann

Angefangen hat alles 1924 und schon damals ging es um Wasserkraft. Bereits bei der Gründung war das Unternehmen so lukrativ, dass sich selbst Investoren aus den Vereinigten Staaten beteiligten. (Quelle 2) An der Lukrativität hat sich seither nichts geändert. Seit 2005 beträgt der Umsatz oft mehr als eine Milliarde Euro. Zuletzt, 2021, waren es 1,192 Milliarden Euro. (Quelle 3) Doch leider hat sich auch an der Technologie viel zu wenig geändert. Wie eine Heuschrecke in der Landschaft, gräbt sich die TIWAG durch Tirol, Umweltschäden und Naturgefahren werden viel zu häufig ignoriert. Über die Jahrzehnte etabliert sich ein System in Tirol, bei dem viel zu oft weggeschaut statt hingeschaut wird und in dessen Mittelpunkt die TIWAG steht.

Von Beginn an steht die Wasserkraft im Zentrum der Unternehmensidentität. Das begann bereits 1927 mit der Errichtung des Achenseekraftwerks durch die TIWAG. Von Anfang an als Landesunternehmen geführt und als solches dem öffentlichen Interesse verpflichtet, ziehen sich stattdessen Gier, Profitinteresse und ein unsauberer Umgang mit der eigenen Vergangenheit durch die Geschichte.

Die TIWAG – Profiteurin des NS-Regimes

Die ersten Jahre waren beschaulich. Doch in der Zeit des Nationalsozialismus war die Tiwag dann Teil der Alpen-Elektrowerke AG. Aus dieser Zeit ist auch Zwangsarbeit bei der geplanten Errichtung einer großen Ötztaler Kraftwerksanlage und eines Windkanals belegt. Dafür wurden Zwangsarbeiter aus dem Zwangsarbeitslager Haiming-Beinkorb eingesetzt. (Quelle 4) Ähnlich war es auch in Kirchbichl. Dort, wie auch in Gerlos, wurden Kraftwerke unter Ausnützung von Zwangsarbeiter:innen errichtet. (Quelle 5)

“Im Mai 1943 haben die Tiroler Wasserkraftwerke (TIWAG) und die Westtiroler Kraftwerke auf ihren Baustellen 3.071 Arbeiter beschäftigt. Über 90% (2.773) sind ausländische Zwangsarbeitskräfte”, schreibt der Tiroler Historiker Horst Schreiber. (Quelle 6)

Die TIWAG im Nationalsozialismus Tirol TV doku 2013

Der Fall Haiming

In Haiming wurden im Nationalsozialismus auch zahlreichen Bäuer*innen Grundstücke abgekauft. Betroffene sprechen in diesem Zusammenhang oft auch von Enteignungen und Zwangsmaßnahmen, die zum Verlust der Grundstücke geführt haben. Eine Rückübertragung fand aber nie statt, was immer wieder auch medial thematisiert wurde. (Quelle 7) So auch vom bekannten Investigativjournalisten Markus Wilhelm, der unter anderem kritisierte, dass betroffene Grundstücke von der Tiwag an das Unternehmen Handl Speck verkauft wurden, obwohl sie ihr nicht gehören. (Quelle 8)

Kaunertal Aufnahme US-Army

Quelle: DieTIWAG.ORG Die von Nazis requirierten Gründe

Denn 1949 beschloss eine Gerichtskommission mit knapper 2:1 Mehrheit, dass die Gründe ihren vormaligen Besitzer:innen nicht zurückgegeben werden. (Quelle 9) Erst dadurch wurden die fragwürdigen Geschäfte Jahrzehnte später möglich. Eine wiederholte Thematisierung und selbst eine im Jahr 2017 vom Land eingesetzte Historiker*innenkommission änderte nichts am Unrecht. (Quelle 10)

In Haiming fasste man es 2019 im Rahmen einer Gesprächsrunde mit Tiwag-Beteiligung zum Thema folgendermaßen zusammen: “Schließlich trat auch Hannes Schmid als juristischer Vertreter der TIWAG AG an das Rednerpult. Er kündigte indirekt eine Fortsetzung der in den vergangenen 75 Jahren gut funktionierenden Strategie an: „Wir sind jederzeit zu Gesprächen bereit“, so Schmid. Daran hat sich auch seither nichts geändert. Die TIWAG spricht, aber sie entschädigt nicht. (Quelle 11)

Dabei ist unstrittig, dass die TIWAG eine Profiteurin des NS-Staates war. Die Historikerin Gisela Hormayr fasst es für das Projekt “Erinnern” zusammen: “Die TIWAG, zwischen 1938 und 1945 unter vollständiger Kontrolle der deutschen Reichsverwaltung, wurde nach Kriegsende nach intensiven Verhandlungen zwischen Bund und Landesregierung schließlich in Landesbesitz übergeführt und konnte, ausgehend von vielen in den vorangegangenen Jahren getätigten Investitionen, rasch mit einer intensiven und erfolgreichen Nutzung der Wasserkraft beginnen. Der Kraftwerksbau wurde, nicht nur in Tirol, geradezu zum Symbol des wirtschaftlichen Aufschwungs Österreichs.” (Quelle 12) Erschwert wird die Aufarbeitung dadurch, dass es keinen Zugang zu den Archiven gibt. Ein entsprechender Entwurf der Landesregierung für ein Tiroler Archivgesetz wurde 2017 entsprechend der Stellungnahme der TIWAG extra geändert, um öffentliche Unternehmen von öffentlichem Archivgut auszunehmen. Daher müssen die Archive der TIWAG nicht öffentlich zugänglich gemacht werden. (Quelle 13)

In Haiming ist die ungeklärte Vergangenheit immer noch Thema. Aktuell beschäftigt sich die Gemeinde und ein eigens dafür eingerichteter Ausschuss mit der Aufarbeitung der Geschichte und der Frage etwaiger Klagemöglichkeiten gegen die TIWAG. (Quelle 14) Dazu kommt ganz neuer Ärger. In nur einem Jahr (2022-2023) wurde die UVP für das Kraftwerk Imst-Haiming durchgepeitscht. Sehr zum Ärger der Bürgermeisterin und vieler Gemeindebürger*innen. Aktuell hat die Bürgermeisterin Beschwerde gegen das UVP-Verfahren eingebracht. Der Hintergrund sind die umfassenden Wassernutzungsrechte der TIWAG. Die Gemeinde fürchtet, künftig nicht mehr genug Wasser für die eigene Versorgung zu haben. Weder in der Planung noch im UVP-Verfahren wurden diese Bedenken berücksichtigt. (Quelle 15) Gehandelt hat die Bürgermeisterin ohne Gemeinderatsbeschluss. Die Zeit eilte wegen auslaufender Fristen. Doch auch hier zeigt sich wieder das System TIWAG. Im zuständigen Gemeinderatsausschuss ist der Leiter selbst ein Gemeinderat, der beim Kraftwerksbau Kühtai Subauftragnehmer der TIWAG war. Wie so oft bei der TIWAG, trifft eine fragwürdige Vergangenheit so an ein und demselben Ort, eben in Haiming, auf eine zweifelhafte Gegenwart.

Eine Geschichte der Skandale

Mit dem Ende des Nationalsozialismus wurde die TIWAG wieder zum Landesunternehmen. Die Nachkriegszeit war von zahlreichen Kraftwerksbauten geprägt. Fortschrittsoptimismus und eine fehlende kritische Öffentlichkeit lassen die TIWAG in diesen Jahrzehnten jedoch zu oft unbemerkt von der Öffentlichkeit arbeiten. Erst durch den immer weitergehenden Eingriff in die Natur, ein verändertes Umweltbewusstsein und eine kritische Medienöffentlichkeit beginnt sich das ab Mitte der 1980er Jahre zu ändern und führte zu massiven Protesten gegen die Kraftwerksprojekte im Dorfertal oder bei Langkampfen am Inn.

In den 1990er Jahren nimmt die TIWAG den Kraftwerksbau wieder auf. Landeshauptmann Van Staa, der Schwiegersohn des berühmten Tiroler Landeshauptmanns Eduard Wallnöfer, startet mit Optionenbericht (Quelle 16) und Synthesebericht (Quelle 17) den neuerlichen großtechnischen Ausbau der Wasserkraft in Tirol.

Neues Jahrtausend – TIWAG steigt ins Cross-Border-Leasing ein

In den frühen 2000er Jahren ging die TIWAG dann zahlreiche Cross-Border-Leasing Geschäfte ein. Dabei handelt es sich um Geschäfte, bei denen ein amerikanischer Investor ausländisches Eigentum erwirbt, dem bisherigen Eigentümer die Nutzungsrechte aber überlässt und das Eigentum für Jahrzehnte verleast. Der Zweck des Geschäfts ist es, Steuervorteile, die in den USA für derartige Geschäfte existieren, zwischen den beiden Vertragspartnern aufzuteilen. Zunächst hält das Energieunternehmen das für ein gutes Geschäft.

Es gab jedoch immer mehr internationale Kritik, dass mit der Abtretung der Eigentumsrechte natürlich auch zahlreiche vertragliche Verpflichtungen einhergehen. Also ein erhebliches Risiko besteht, weil man nicht mehr besitzt, was man vorher besessen hat.

Cross Border Leasing (CBL) Verträge sind unglaublich komplex und haben eine Vielzahl von Risiken. Die Verwaltungsgebühren sind über die Jahrzehnte hoch und viele Vertragspartner mussten am Ende feststellen, dass sie für die erheblichen Risiken auf die gesamte Laufzeit betrachtet kaum einen finanziellen Vorteil hatten. Das hinderte die TIWAG nicht, zwischen 2001 und 2005 insgesamt fünf Cross-Border Leasing Verträge abzuschließen. Die Innsbrucker Kommunalbetriebe (IKB), die zu 50 Prozent der TIWAG gehören, schlossen in derselben Zeit ebenfalls solche Leasingverträge ab. Die TIWAG verkaufte dabei Kraftwerke und Teile des Leitungsnetzes. Alle Verträge wurden unter dem TIWAG-Aufsichtsratvorsitzenden Ferdinand Eberle und den ÖVP-Landeshauptmännern Weingartner und Van Staa abgeschlossen.

Die TIWAG ging dabei große Risiken bis hin zu einem denkbaren Totalverlust ein – man war ja nicht mehr Eigentümer der betriebenen 14 verleasten Kraftwerke – darunter das Kraftwerk Sellrain-Silz mit einem Volumen von 1,5 Milliarden US Dollar. (Quelle 18) Die Veröffentlichung der Verträge aus den Jahren 2001 und 2003 durch Markus Wilhelm löste einen politischen Skandal und eine Vielzahl von Prozessen aus, mit denen die TIWAG gegen den Kritiker vorging. So ließ man dem Kritiker die Website abdrehen, wegen behaupteter Verletzung der Namensrechte, was eben so wenig erfolgreich war wie die Prozesse auf Unterlassung der Veröffentlichung von Geschäftsgeheimnissen und Schadenersatz. 2008 wurde der TIWAG und ihrem damaligen Geschäftsführer Bruno Wallnöfer der Big Brother Award – ein Negativpreis – für “den jahrelangen Versuch, den Publizisten Markus Wilhelm mit allen Mitteln zum Schweigen zu bringen” verliehen. Den Big Brother Award erhalten Organisationen und Personen, die die Privatsphäre und den Datenschutz schädigen.

2011 wurde dann sogar ein CBL-Vertragspartner der TIWAG in den USA wegen Steuerbetrugs in der Causa TIWAG verurteilt. (Quelle 19)

Trotzdem dauerte es noch bis 2014, ehe die TIWAG einen Großteil der Leasingverträge aufgelöst hatte. Danach waren nach Angaben der TIWAG noch drei Leasingverträge mit “weniger als einem Drittel des ursprünglichen Transaktions-Volumens” offen. Bei einer günstigen Gelegenheit würde man auch hier vorzeitig aussteigen. (Quelle 20)

Seither war von dem Thema nichts mehr zu hören. Noch immer bestehen CBL-Verträge der TIWAG, der Konzern ohne Aufsicht steuert hier weiter ins Ungewisse.

Neben den ganz großen Skandalen bietet das System TIWAG auch immer wieder Raum für kleinere Skandale. So wird etwa 2006 bekannt, dass ein damaliger TIWAG-Manager einen Callgirl-Ring betreibt. (Quelle 21) Die TIWAG kündigt den Mitarbeiter dennoch über ein Jahr lang nicht. (Quelle 22)

Wassernutzungsrechte für Aufsichtsratsposten verkauft

2007 wurde bekannt, dass die TIWAG Wassernutzungsrechte aus dem Paznauntal an die Vorarlberger Illwerke verkaufte und damit die Entscheidung über die Wassernutzung dauerhaft abtrat. Im Gegenzug bekam die TIWAG einen Aufsichtsrat bei den Illwerken. Ab 2008 war das Anton Mattle, ausgerechnet jener ÖVP-Politiker, der sich auch für die Abgabe der Wassernutzungsrechte stark gemacht hatte (Quelle 23) , der heute Tiroler Landeshauptmann ist. Diesen Aufsichtsratsposten gibt es inzwischen nicht mehr – das Wasser ist aber immer noch weg. (Quelle 24)

Bei den verkauften Wassermengen von 260 Millionen Kubikmetern handelt es sich immerhin um das doppelte Stauvolumen des Gepatschspeichers. Viele Ausbaufragen von Wasserkraftwerken in Tirol würden sich wohl nicht stellen, wenn man das eigene Wasser nicht nach Vorarlberg verkauft hätte. Verzichtete man doch auf Strombezugsrechte von bis zu 120 Millionen KwH durch bereits bestehende Kraftwerke. (Quelle 25) Dass das alles ohne breite öffentliche Diskussion, ohne Abwägung der zukünftigen Entwicklungen erfolgte, ist einmal mehr typisch für ein System der Intransparenz und der Entscheidungen im kleinsten Kreis. Was bei der TIWAG leicht geht, gibt sie doch das Bild eines Konzerns ohne Aufsicht ab.

Millionenverluste an der Börse

2008 musste die TIWAG einen Spekulationsverlust von 35 Millionen Euro an den Börsen hinnehmen. Die Situation war ganz ähnlich wie heute, die Energiepreise stiegen in kurzer Zeit stark an. Laut dem Journalisten Markus Wilhelm wurde mit so genannten Futures und Optionen Strom zu hohen Kosten eingekauft, der Strompreis sank dann rasch und die Tiwag musste mit hohem Verlust verkaufen. (Quelle 26) Auch diese Situation entspricht 1:1 der Gegenwart. Der Strompreis ist im vergangenen Jahr dramatisch gestiegen und wieder gefallen. Wie das diesmal für die TIWAG ausgegangen ist, wird man im nächsten Geschäftsbericht nachlesen können. Von der Strombörse, Futures und Optionen hält man sich jedenfalls heute ebenso wenig fern wie damals.

Verflechtung mit der Tiroler ÖVP

Im selben Jahr 2008 wird aus der TIWAG heraus ein Wahlkampfpapier für die ÖVP erstellt. Verfasser ist die damalige Agentur der TIWAG, Hofherr, obwohl sie gar keinen Auftrag der ÖVP, sondern nur der TIWAG hatte. (Quelle 27) Aber die Grenzen schienen, wie so oft, fließend.

Gekaufte Medienberichterstattung

Die TIWAG ist ein großes Unternehmen mit hohen Werbeetats. Immer wieder wurden diese Etats auch genutzt, um sich Einfluss auf die Berichterstattung zu sichern. So wurde etwa 2010 bekannt, dass die TIWAG über eine Agentur einen Kooperationsvertrag mit dem damaligen Medium “Tiroler Woche” schloss. “Unter der Voraussetzung, dass das Partnermedium in der Berichterstattung über das Kraftwerksprojekt Kaunertal vor allem die Sicht der TIWAG einfließen lässt und gegnerische Darstellungen relativiert, bzw. nur wenig Raum gibt.” Ähnliche Kooperationen existieren auch mit anderen Medien. (Quelle 28) Da wurde gar nichts mehr verklausuliert. Das Geschäft war ganz einfach: Geld für Kraftwerks-Propaganda.

TIWAG gekaufte Medienberichterstattung
Tatort Kaunertal (c) Sebastian Fröhlich

Tatort Kaunertal

Eine 7-teilige Serie über den Energiekonzern TIWAG und das Monster-Kraftwerk Kaunertal

www.wwf.at/tatort-kaunertal

Sponsoring einer Bürgermeisterwahl im Kaunertal

Ganz ähnlich wurde auch politisch gehandelt. So wurde 2010 bekannt, dass die TIWAG “Sponsoring” über 40.000 Euro zu Gunsten eines Bürgermeisters im Kaunertal betrieb. (Quelle 29) Sein Wahlkampf wurde von der Agentur, die die TIWAG begleitet, durchgeführt, aber von der TIWAG abgerechnet. (Quelle 30) Dieser Vorgang wurde 2013 bei der WKStA angezeigt. Das Verfahren endete mit Freispruch, da das Sponsoring-Geld keinen Einfluss auf die Amtsgeschäfte hätte, ein Agenturmitarbeiter erhielt eine Diversion. (Quelle 31) Wahlkämpfe zu führen, würde man nicht unbedingt für die Kernkompetenz eines Energieversorgers halten. Aber in der Schnittmenge zwischen eigenen Lobbyinteressen für den Kraftwerksbau und den Interessen des Landes-Eigentümers war und ist so einiges möglich, was auch, wenn strafrechtlich letztlich nicht relevant, so doch zumindest moralisch verwerflich ist.

Beim fragwürdigen Sponsoring ist man dennoch geblieben. So beispielsweise für den privaten Charity-Verein des damaligen Tiroler Landeshauptmanns Günther Platter “Tirol hilft” im Jahr 2010. (Quelle 32) Die TIWAG sponsert die Charity-Aktivitäten des Eigentümers – auch ein mindestens befremdlicher Vorgang. Aber kein alleiniges Privileg des Alt-Landeshauptmanns: Vom Schützenbund über die Kaiserjäger konnten sich viele über Sponsorings freuen. (Quelle 33)

TIWAG musste Hypobank retten

2011 musste die TIWAG die landeseigene Hypobank retten, so hat es die Tiroler Politik beschlossen. Sieben Jahre im Voraus musste die TIWAG Dividenden ans Land überweisen. Eine finanzielle Verpflichtung, unter der die TIWAG noch heute laut Rechnungshofbericht 2021 stöhnt und die nichts mit der eigentlichen Aufgabe eines Energieversorgers zu tun hat.

2021 kritisierte der Rechnungshof die TIWAG scharf. Sowohl teilweise fehlende Aufsicht, eigene Führungsgremien innerhalb des Aufsichtsrates, Verflechtungen mit der Politik, als auch ein fehlendes modernes und transparentes Management wurden kritisiert. (Quelle 34)

Fazit: System TIWAG bedeutet enge Verflechtung mit der Politik

Von den Anfängen bis in die Gegenwart ziehen sich immer die gleichen Problemfelder. Eine ungewöhnliche Nähe zwischen Politik und TIWAG, ein ständiges Verschwimmen von Wünschen der Politik und den unternehmerischen Aufgaben der TIWAG. Ein enormer Druck auf die TIWAG, hohe Erträge zu erwirtschaften, weil vom Sponsoring bis zur Hypo-Rettung immer wieder Dinge aus der TIWAG finanziert werden müssen, die nichts mit den Aufgaben der TIWAG zu tun haben. Eine laufende, starke Beeinflussung der öffentlichen Meinung seitens der TIWAG und eine wiederholte Verfolgung von Kritiker*innen.

Ein System der Skandale hinter dem sauberen Image

Unter dem Deckmantel der sauberen Energieanbieterin wird so ein ständiger Ausbau der Wasserkraft, ein immer weiter gehender Flächenfraß und ein fragwürdiger Einsatz des öffentlichen Vermögens der TIWAG für politische Zwecke vorangetrieben.

Was beim fragwürdigen Umgang mit der eigenen Vergangenheit beginnt, zieht sich bis in die Gegenwart. Fehlende Transparenz und Rechenschaftspflicht, eine Abschirmung gegen den Blick von außen, selbst wenn man dafür extra die Archivgesetze des Landes Tirol ändern muss. Ein Bauchladen für Wünsche und Befindlichkeiten der Politik und ein dabei immer wieder erstaunlich unprofessionelles Agieren – sei es beim Abschluss riskanter Cross-Border-Deals, bei Millionenspekulationen, oder auch nur dem ganz alltäglichen Einfluss der Politik auf das Unternehmen.

Die eigentliche Aufgabe der TIWAG, die umweltschonende und kostengünstige Versorgung der Tiroler Bevölkerung mit Energie, kommt in diesem Karussel der Begehrlichkeiten strukturell und seit Jahrzehnten zu kurz. Man hat sich im eigenen Gasnetz verfangen (LINK) und keinen ausreichenden Blick für die Veränderungen in Tirol. Dass ein verändertes Umweltbewusstsein, eine kritische Öffentlichkeit und vor allem die Notwendigkeiten der Klimakatastrophe einen ganz anderen Energieversorger in Tirol erfordern würden. Damit die Umwelt und Natur, wie auch die Tiroler Bevölkerung, nicht die Leidtragenden dieses “System Tiwag” bleiben, sondern eine bessere Zukunft möglich ist. Diesem Ausblick im Schlechten wie im Guten widmen wir uns im nächsten, abschließenden Artikel unserer Serie zur TIWAG.

Quellenangaben zum Text

01 – TIWAG Strompreise https://www.derstandard.at/story/2000144022727/nach-ak-gutachten-erwartet-mattle-baldige-bewertung-von-tiwag Am 29.3.2023

02 – US-Investoren beim TIWAG-Start https://innsbruck-erinnert.at/wasserkraft-vor-100-jahren/ 11.3.2023

03 – TIWAG Kennzahlen https://www.tiwag.at/unternehmen/ueber-uns/kennzahlen-publikationen/ 12.3.2023

04 – Zwangsarbeiter in Haiming https://www.tt.com/artikel/12774057/funde-aus-ns-zeit-in-haiming-tiwag-setzt-historiker-ein 11.3.2023

05 – Zwangsarbeit in Kirchbichl

06 –  Zwangsarbeit in Tirol https://www.erinnern.at/bundeslaender/tirol/unterrichtsmaterial/zwangsarbeit-in-tirol Am 29.3.2023

07 – Braunes Erbe in Tirol Braunes Erbe im Land Tirol – SWR.dehttps://www.swr.de › swr2-feature-2019-11-27-104 15.3.2023

08 – Haiminger Gründe, Handl Speck http://www.dietiwag.org/index.php?id=4970 16.3.2023

09 –  Die TIWAG Haiming http://www.dietiwag.at/index.php?id=4990 Am 16.3.2023

10 – Historikerkommission Haiming https://www.tt.com/artikel/13275476/die-aufarbeitung-kann-beginnen Am 16.3..2023

11 – Gespräche statt Entschädigung http://www.dorfblattl-haiming.at/single/?tx_ttnews%5Byear%5D=2019&tx_ttnews%5Bmonth%5D=01&tx_ttnews%5Bday%5D=27&tx_ttnews%5Btt_news%5D=731&cHash=6647f6843b4c8d3a59c90956bea8d2e0 Am 17.3.2023

12 – Erinnern https://www.erinnern.at/media/cf375d9181f792d33461120985b39ef9/10_gisela-hormayr-die-zeit-der-entnazifizierung/@@download/file/10_Gisela%20Hormayr,%20Die%20Zeit%20der%20Entnazifizierung.pdf Am 18.3.2023

13 – Änderung im Archivgesetz http://www.dietiwag.org/index.php?id=5090&highlighted=TIWAG Am 17.3.2023

14 – Tiroler Tageszeitung Haiming https://www.tt.com/artikel/30848055/tiwag-kraftwerk-neuer-ausschuss-soll-es-in-haiming-richten Am 18.3.2023

15 –  TWAG UVP-Verfahren Haiming https://www.meinbezirk.at/imst/c-lokales/recht-auf-wasser-hoeher-als-recht-auf-strom_a5927473 Am 29.3.2023

16 – http://www.dietiwag.at/mat/optionenbericht.pdf

17 – https://www.tirol.gv.at/fileadmin/themen/landesentwicklung/raumordnung/downloads/Archiv/Synthesebericht_Endfassung.pdf 

18 – https://listefritz.at/177-fragen-zu-den-tiwag-cross-border-deals-an-den-landesrechnungshof/

19 – Crossboarder Leasing http://www.dietiwag.org/index.php?id=4220&highlighted=TIWAG Am 18.3.2023

20 – Cross Boarder Ausstieg https://tirol.orf.at/v2/news/stories/2647422/index.html Am 18.3.2023

21 – Callgirl Ring bei der Tiwag http://www.dietiwag.org/index.php?id=2420 Am 17.3.2023

22 – Keine Kündigung in Callgirl Affäre http://www.dietiwag.org/index.php?id=2480 Am 18.3.2023

23 – Mattle und die TIWAG http://www.dietiwag.org/index.php?id=3350 Am 29.3.2023

24 – Illwerke Verkuaf des Wassers ​​https://www.derstandard.at/story/3139615/tirol-verkauft-wasser Am 18.3.2023

25 – Wsserbezugsrechte Kritik http://www.dietiwag.at/index.php?id=1390 Am 29.3.2023

26 – TIWAG Spekulation http://www.dietiwag.org/index.php?id=1680 Am 17.3.2023

27 – Wahlkampf aus der TIWAG http://www.dietiwag.org/index.php?id=4080&highlighted=TIWAG Am 17.3.2023

28 – Medienkooperation Kaunertal http://dietiwag.at/index.php?id=3430  18.3.2023

29 – Wahlkampf für den Bürgermeister https://tirv1.orf.at/stories/442516 Am 18.3.2023

30 – Agentur der TIWAG Kaunertal http://dietiwag.at/index.php?id=3230  Qm 18.3.2023

31 – WKSTA TIWAG https://www.tt.com/artikel/7709359/freispruch-fuer-buergermeister-josef-raich-in-korruptionsaffaere Am 18.3.2023

32 – Cahrity Platter http://www.dietiwag.org/index.php?id=4140&highlighted=TIWAG  Am 17.3.2023

33 – Sponsoring Tiwag http://www.dietiwag.org/index.php?id=4070&highlighted=TIWAG Am 17.3.2023

34 – Rechnungshofkritik TIWAG http://www.dietiwag.org/index.php?id=4070&highlighted=TIWAG Am 17.3.2023

 

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