Flüsse weltweit
Lebendige Flüsse für Mensch und Natur
Intakte Gewässer sind essentiell für eine gesunde Umwelt. Flüsse und Auen beherbergen eine unglaubliche Artenvielfalt und können uns – wenn sie ausreichend Platz haben – vor Hochwässern und Dürren schützen. Weltweit haben Flüsse auch eine große Bedeutung für die Trinkwasserversorgung und Ernährung. 2 Milliarden Menschen nutzen Fließgewässer zur Wasserversorgung. 150 Millionen Menschen leben vom Fischfang. Weltweit wird ein Viertel der Nahrungsmittel auf bewässerten Flächen erzeugt.
Flüsse transportieren aber nicht nur Wasser. Auch mitgeschwemmter Schotter, Kies und Sand ist von enormer Bedeutung – etwa für den Schutz von Küsten und von besiedelten Mündungsdeltas.
Unterschätzte Lebensräume
Lange Zeit wurde die Bedeutung von intakten Gewässern schlichtweg verkannt. Flüsse wurden als Abwasserkanäle missbraucht, oder für die Stromerzeugung und Bewässerung gestaut und abgeleitet. Diese kurzsichtigen Übernutzungen haben dazu geführt, dass Süßwasserlebensräume besonders stark vom Artensterben betroffen sind. Laut dem Living Planet Index sind die Bestände von Wildtieren in Wasserlebensräumen weltweit seit 1970 um 83 % zurückgegangen. Auch der Wasserhaushalt ist in vielen Flüssen stark gestört, wodurch die Gefahr von Hochwässern und Dürren steigt.
Umdenken & Fluss-Renaturierung sind erforderlich
Eine Reihe von internationalen Abkommen hat den Schutz und die nachhaltige Nutzung der Wasserlebensräume und Wasserressourcen zum Ziel. Das reicht von der Ramsar Konvention, bis zu den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen. In der EU gilt die Wasserrahmenrichtlinie als eines der fortschrittlichsten Umweltgesetze. Sie schreibt vor, dass bis 2027 alle Gewässer wieder einen guten Zustand aufweisen müssen. Die große Herausforderung besteht heute darin, die letzten intakten Flüsse vor der Zerstörung zu bewahren und beeinträchtigte Strecken wieder umfassend zu renaturieren, also wieder natürlicher zu machen.
Fläche
- Feuchtgebiete (Flüsse, Auen, Moore) bedecken weltweit rund 6 % der Landfläche.
- Der Amazonas, der größte Fluss der Erde, hat ein Einzugsgebiet das 55 mal so groß ist wie Österreich.
Zahlen & Fakten
- Weltweit gibt es mehr als 50.000 große Staudämme. Nur mehr ein Drittel der großen Flüsse kann frei fließen.
- Weltweit transportieren Flüsse jedes Jahr 42.800 km³ Wasser in die Weltmeere.
- In Österreich sind nur mehr 15 % der Gewässer intakt, 60 % sind so stark verändert, dass sie den guten Zustand verfehlen. Hauptverursacher sind die starke Regulierung und die intensive Wasserkraftnutzung sowie Verschmutzungen.
Tierwelt
- Von der Wasseramsel bis zum Seeadler, von der Elritze bis zum Huchen. Trotz der geringen Fläche sind enorm viele Tier- und Pflanzenarten in Flusslandschaften zu Hause.
- Weltweit sind die Bestände von Süßwassertieren seit 1970 um 83 % zurück gegangen.
- Von 62 österreichischen Fischarten gelten heute 60 % als gefährdet.
Bedrohungen
Das bedroht Flüsse rund um die Welt
Bedrohung 1: Staudämme und andere Verbauungen
Weltweit können nur mehr 37 % der Flüsse frei fließen. Alle anderen sind durch Staudämme unterbrochen, kanalisiert oder ihr Wasser wird abgeleitet. Auch in Österreich findet man nur mehr wenige wirklich ökologisch intakte Flüsse. Alleine in unserem kleinen Land gibt es mehr als 32.000 Wehre, Sohlstufen und Staudämme, die den Lauf unserer Flüsse und Bäche unterbrechen. Im Durchschnitt steht alle 900 m eine solche Querverbauung an einem österreichischen Fluss. Europaweit wurden in einem aktuellen EU Projekt eine Million Querbauwerke gezählt. Besonders bemerkenswert ist, dass 10 % dieser Querbauwerke nicht einmal mehr eine Funktion erfüllen. Sie zerstören den Fluss somit völlig unnötig.
Die vielen Unterbrechungen und die damit verbundenen Veränderungen des Wasserhaushalts, sind eine der Hauptursachen für das Artensterben in den Flüssen. Sie haben besonders für wandernde Fischarten wie den Lachs oder den Huchen dramatische Folgen, weil sie ihren Lebenszyklus stören. Die Zerstückelung der Gewässer verschärft aber auch die Folgen des Klimawandels. Denn die gestauten Gewässer erwärmen sich stärker und die darin lebenden Tiere können nicht ausweichen.
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37 % DER FLÜSSE RUND UM DIE WELT KÖNNEN NOCH FREI FLIEßEN.
Bedrohung 2: Hunger nach Strom – Ausbau der Wasserkraft
Für Flüsse stellt jedes einzelne Wasserkraftwerk eine Belastung dar. Kraftwerke durchschneiden und unterbrechen den Fluss, sodass Fische und Sedimente wie Schotter, Kies und Sand nicht mehr ungehindert passieren können. Durch Turbinen, künstliche Wasserschwankungen und Stauraumspülungen werden permanent Flusslebewesen getötet. Darüber hinaus wird durch die Ausleitung großer Wassermengen der Lebensraum in den Restwasserstrecken kleiner und ärmer. Diese Schäden können durch gesetzlich verpflichtende Auflagen wie Fischaufstiegshilfen und Restwasservorschreibungen höchstens verkleinert, aber nie ungeschehen gemacht werden.
In Österreich ist Wasserkraft die größte Gefahr für die letzten intakten Flussabschnitte. Mit über 5.200 Anlagen liegt Österreich europaweit im Spitzenfeld beim Verbauungsgrad. Trotzdem sollen – nach den Plänen der Energieunternehmen – hunderte weitere Kraftwerke gebaut werden. Doch nicht nur in Österreich bedrohen Wasserkraftwerke einzigartige Lebensräume, auch am Mekong oder Amazonas stellen sie eine ernsthafte Gefahr für unzählige Arten dar.
Bedrohung 3: Menschen nehmen den Flüssen Platz
Flusslandschaften brauchen Platz. Ein natürlicher Fluss hat neben dem Hauptarm mehrere Neben- oder Altarme. Seine Ufer sind einmal steil, einmal von Schotterbänken oder Auwäldern gesäumt. In seiner Mitte findet man immer wieder Schotterinseln. So ist der Fluss einmal tiefer und einmal seichter. Diese Struktur schafft vielfältige Lebensräume, doch all das braucht Platz. Platz, den wir Menschen Flüssen seit längerem nicht mehr zugestehen wollen.
Diese Entwicklung betrifft Flüsse auf der ganzen Welt, doch am Beispiel Österreich lässt sie sich gut verdeutlichen. In den letzten 150 Jahren wurden unsere Flusslandschaften intensiv verändert. Die Flüsse selbst wurden verbaut und in ein enges Korsett aus Stein und Beton gezwängt. Um Fläche zu gewinnen. Bebaute Flächen wie Siedlungen und Infrastruktur sind seit 1870 um das fünffache gewachsen. Die Fläche von naturnahen Gewässern, Uferzonen und Schotterbänken ist dagegen um 71 % geschrumpft. Besonders dramatisch ist der Rückgang von Feuchtwiesen, Mooren und Brachen um 82 % oder fast 600 km². Im Schnitt wurde in den österreichischen Talräumen seit 1950 täglich(!) zwei Hektar naturnahe Fläche verbraucht.
Die Folge ist, dass unsere Flüsse ihre wichtigen ökologischen Funktionen kaum mehr erfüllen können. Auch für uns Menschen hat die hohe Verbauungsrate dramatische Konsequenzen. Die Hochwassergefahr steigt in den engen Talräumen, gerade auch angesichts des Klimawandels stark an. Geht der Trend weiter, dann könnten wir in den nächsten 50 Jahren nochmal naturnahe Flächen im Ausmaß der Stadt Wien verlieren.
TÄGLICH WERDEN 2 HEKTAR (20.000 m2) FLUSSAUEN IN ÖSTERREICH VERBAUT.
Lösungen
So können wir die Flüsse schützen
Lösung 1: Schutz der letzten intakten Flüsse vor dem Wasserkraftausbau
Der wichtigste Schritt zur Bewahrung gesunder Flüsse und der Artenvielfalt ist ein strenger Schutz der letzten natürlichen und naturnahen Flussstrecken vor der Verbauung. In einer Studie der Universität für Bodenkultur wurde dies für Österreich genau untersucht. Fazit: Noch ein Drittel der Flüsse und Bäche in Österreich sind besonders schutzwürdig. Mit angemessenen Instrumenten der Raumplanung und des Naturschutzes (z.B. Ausweisung als Naturschutzgebiete oder erhaltenswürdige Strecken) sind diese vor dem Zugriff der Wasserkraft-Betreiber und vor Bauprojekten zu schützen.
Nur durch langfristigen und effektiven Schutz können wir österreichische Wildflusslandschaften wie Lech oder Isel als Lebensraum für Tiere und Pflanzen, sowie als Naherholungsraum für zukünftige Generationen erhalten. Doch nicht nur in Österreich ist der Schutz besonders sensibler Gewässer ein Thema. Das gilt auch für große Flüsse wie den Mekong. Nachdem jedes Wasserkraftwerk einen großen Eingriff in die Natur darstellt, sollten nach Möglichkeit andere erneuerbare Energieträger zur Stromerzeugung genutzt werden.
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36 % DER ÖSTERREICHISCHEN FLÜSSE SIND NOCH VON HOHER QUALITÄT UND SCHUTZWÜRDIG
Lösung 2: Renaturierung von Flüssen
Aufgrund von Unterbrechungen, Verbauungen oder Veränderungen des Abflusses, gibt es in vielen Flüssen heute eine weit geringere Artenvielfalt als früher. Darüber hinaus sind auch wichtige Ökosystemfunktionen eingeschränkt. Doch zum Glück sind diese Entwicklungen keine Sackgasse. Mit Renaturierungsmaßnahmen – wie der Entfernung von Uferverbauungen oder die Anbindung von abgetrennten Auflächen – können lebendige Flüsse wiederhergestellt werden.
Im 20. Jahrhundert hat man es geschafft, die enorme Verschmutzung der Gewässer mit dem Bau von tausenden Kläranlagen und strengen Umweltauflage zu sanieren. Kernaufgabe des 21. Jahrhunderts wird es sein, die vielen immer noch degradierten Flüsse auch ökologisch zu sanieren. Dafür braucht es eine umfassende Renaturierungsoffensive. Das fordern auch relevante Umweltschutzbestimmungen wie die EU Wasserrahmenrichtlinie, die Fauna-Flora-Habitat Richtlinie und die europäische Biodiversitätsstrategie. Der WWF hat in Österreich erfolgreiche Modellprojekte an March, Donau, Lech und Inn angestoßen und durchgeführt.
Lösung 3: Nature-based solutions – Arbeiten mit statt gegen die Natur
Nature based solutions, also Maßnahmen, die in Einklang mit der Natur stehen, können nachhaltig und effizient zur Lösung von Herausforderungen im Gewässermanagement beitragen. Durch Aufweitungen von Flussbetten können Erosionstendenzen gemindert werden. Durch die Entfernung von Geschiebesperren (das sind Bauwerke die Holz und Geröll in Wildbächen zurückhalten), kann Flüssen wohldosiert wieder mehr Sand und Kies mitgegeben werden um Sedimentdefizite auszugleichen. Durch die Wiederanbindung von Auen, können Hochwasserwellen und Dürren gleichermaßen abgeschwächt werden.
Der Vorteil von so genannten Nature-based solutions ist, dass diese Maßnahmen mit der Natur oft vielschichtiger wirken als rein technische Maßnahmen. Eine angebundene Au senkt nicht nur das Hochwasserrisiko, sie ist auch gut für die Bewahrung der Artenvielfalt, für die Wasserqualität, die Grundwasserspeisung und bietet attraktive Erholungsräume.
Flüsse sind die Lebensadern der Erde. Die rücksichtslose Verschmutzung, Verbauung und Übernutzung in der Vergangenheit gefährdet heute die Artenvielfalt, aber auch uns Menschen. Gerade angesichts der Klimakrise brauchen wir wieder mehr lebendige Flüsse, als Wasserspeicher und Klimaregulatoren.
Projekte
So schützt der WWF die letzten natürlichen Flüsse – eine Auswahl an Projekten
Flussschutzkonzept für Österreichs letzte natürliche Flussstrecken
Der WWF arbeitet mit der Wissenschaft zusammen, um die besten Lösungen zum Schutz der Natur zu finden. Für den Gewässerschutz wurde im Auftrag des WWF von der Universität für Bodenkultur eine umfassende Studie durchgeführt. Diese zeigt welche Flussstrecken Österreichs besonders schützenswert sind. Ausschlaggebend sind dabei Kriterien wie z.B. das Vorkommen besonders gefährdeter Arten oder Lebensräume. Durch diese Untersuchungen wurde deutlich, dass ein Großteil der schützenswerten Flusstrecken de facto nicht geschützt und somit dem Wasserkraftausbau ausgesetzt ist. Basierend auf diesen Erkenntnissen setzt sich der WWF gegenüber Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen und der Öffentlichkeit für einen effektiven Schutz der letzten Flussjuwele ein.
Dynamic LIFE Lines Danube
“Dynamic LIFE Lines Danube“ ist ein österreichisch-slowakisches Gemeinschaftsprojekt zur Renaturierung der Donau und ihren Auen. Das Vorhaben wird vom LIFE Programm der Europäischen Union kofinanziert. Der WWF und seine Projektpartner haben sich zum Ziel gesetzt, die Donau-Auen Österreichs und der Slowakei wieder ein Stück naturnäher zu machen. Dabei geht es im Wesentlichen um zwei Themen: mehr Dynamik und mehr Wasser in den Lebensadern der Au. Denn Auen sind abhängig von der Dynamik eines Flusses. Durch die Kraft des Wassers kommt es zu Erosion und Sedimentation. Kombiniert mit verschiedenen Wasserständen entstehen stetig neue Lebensräume.
Erhalt der freifließenden Flussstrecken am Mekong
Der WWF ist die einzige Organisation, die am Mekong von der Quelle bis zum Meer arbeitet. Zum Schutz des Flusses entwickeln wir Instrumente, mit deren Hilfe beurteilt werden kann, welche Nebenflüsse des Mekong für die Wasserkraft erschlossen werden können, ohne die ökologische Integrität des unteren Mekong-Beckens zu gefährden. Ein Schlüsselprojekt, an dem wir arbeiten, ist die Kartierung des gesamten Flusssystems, damit wir Entscheidungsträger beraten können, wo kein Damm gebaut werden sollte. Ein schlecht platzierter Damm hat viele negative Auswirkungen auf die Fischwanderung und das Laichen der Fische sowie auf die Ablagerung von Sedimenten. Das beeinträchtigt wiederum die Ernährungssicherheit in der Region.
Darüber hinaus fordern wir in einem Moratorium, dass 10 Jahre lang keine neuen Megadämme am Mekong gebaut werden. In dieser Zeit wollen wir wissenschaftlich untersuchen, welche Auswirkungen ihr Bau und ihr Betrieb auf die Umwelt hat. Und wir möchten die Länder der Mekong Region in dieser Zeit dazu bewegen auch andere erneuerbare Energiequellen in ihre Versorgungspläne aufzunehmen.
WWF Flussentwicklungsplan
Der WWF hat in einer umfangreichen zweiteiligen Studie, der Flüsserevision und dem Flussentwicklungsplan, ein integriertes Szenario für die Zukunft österreichischer Flüsse entwickelt, das einen Ausgleich zwischen ökologischen, schutzwasserwirtschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Ansprüchen anstrebt.
Das Ergebnis der Studie: Um die wichtigsten Flussfunktionen zu verbessern, müssen langfristig 70 % der Flussräume als naturnahe Gewässer und Uferzonen, als Auwälder, und nachhaltig genutzte Wiesen und Äcker – jedenfalls unverbaut – erhalten bleiben. Gleichzeitig sind die großen Flüsse – wo dies noch möglich ist – wieder konsequent aufzuweiten und zu revitalisieren. Das bedeutet: Bis 2070 müssen jedes Jahr 38 km Flussstrecke und 100 Hektar Aulandschaft aufgewertet werden. Mit der Umsetzung dieses WWF-Flussentwicklungsplans kann das Hochwasserrisiko gesenkt sowie ausreichend Lebensraum für gefährdete Tier- und Pflanzenarten sowie attraktive Naherholungsräume für 3,7 Mio. Fluss-Anrainer geschaffen werden.
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Presseaussendung Rettet die Mur und WWF Graz, am 8. Jänner 2016 - Erstmals legen WWF und "Rettet die Mur" heute eine Detailstudie zur Wirtschaftlichkeit der...
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Presseaussendung Wien, Marchegg, am 20. Mai 2015 –In Marchegg im östlichen Niederösterreich startet heute ein beispielloses Naturschutzprojekt mit frei lebenden Konik-Pferden....
Geplantes Schutzgebiet an der Isel kann dem Lech nicht das Wasser reichen
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