Die March-Thaya-Auen
Ein Hotspot der Artenvielfalt im Osten Österreichs
Die March-Thaya-Auen gehören aus Naturschutz-Sicht zu den bedeutendsten Flusslandschaften Österreichs. Zusammen mit dem tschechischen und dem slowakischen Anteil bilden sie auf ca. 60.000 Hektar die größte unzerschnittene Flusslandschaft im Herzen Mitteleuropas. Diese „Schatzkammer der Artenvielfalt“ gibt mehr als 500 gefährdeten Tier- und Pflanzenarten eine Heimat: Seeadler, Schwarzstorch, Rotbauchunke oder Hügelnelke finden hier ihren oft letzten Lebensraum. Fischotter, Biber und Uferschwalbe brauchen die intakten Auen genauso wie Moorfrösche, Urzeitkrebse und prächtige Libellen.
Die Tieflandflüsse March und Thaya formten diese Landschaft und so entstand ein abwechslungsreiches Mosaik aus feuchten Senken und trockenen Sandrücken oft auf engstem Raum – ein Geheimnis für reichhaltiges Leben. Die Auen sind zwar vielfältig geschützt, dennoch sind sie immer noch gefährdet. In ambitionierten Projekten setzt sich der WWF für deren Erhalt ein.
Geografische Verortung
Die March-Thaya-Auen liegen im Osten Niederösterreichs an der Grenze zur Slowakei.
Zahlen & Fakten
- ca. 60.000 ha in drei Ländern: Österreich / Tschechien / Slowakei
- ca. 12.000 ha in Österreich
- 150 km frei fließende Flüsse
- Schutzstatus: Internationales Ramsar-Gebiet, EU-Natura2000-Gebiet, NÖ Naturschutz- und Landschaftsschutzgebiete, NÖ Naturdenkmäler
Tierwelt
- über 1.600 Tier- und Pflanzenarten
- über 500 davon sind gefährdet
- ca. 200 haben in den March-Thaya-Auen ihr oft letztes Vorkommen in Österreich
Bedrohungen
Das bedroht die March-Thaya-Auen
Bedrohung 1: Regulierung der Flüsse – massive Eingriffe
Der Schein trügt: Auch wenn die Auen an March und Thaya im Vergleich zu anderen Landschaften immer noch idyllisch aussehen, die beiden Flüsse sind stark reguliert und von ihren Auen weitgehend abgeschnitten. Bei den Regulierungsarbeiten im 20. Jahrhundert wurde der Großteil der Ufer mit großen Steinen und Betonplatten verbaut, die Flüsse begradigt und alle Nebenarme abgeschnitten.
Das hat bis heute anhaltende, gravierende Konsequenzen für das Ökosystem: Die Flüsse leiten das Wasser sehr schnell ab und graben sich dabei immer weiter in ihr Bett ein. Der Grundwasserspiegel sinkt, die Auen werden nicht mehr genug mit Wasser versorgt und trocknen langsam aus. Es fehlen immer mehr natürliche, gesunde Lebensräume, wie flache Ufer, an denen Fische laichen und Vögel brüten können oder Augewässer für Amphibien, Wasservögel und den Eisvogel. Ohne geeignete Lebensräume verschwinden auch die Tiere und Pflanzen. Die Veränderung hat aber auch Auswirkungen für uns Menschen: Denn je weniger Wasser ins Grundwasser sickern kann, desto weniger steht uns, z.B. als Trinkwasser zur Verfügung.
%
75 % DER UFER SIND VERBAUT
Bedrohung 2: Flächenverlust, Bauprojekte und fehlendes Management
Die Regulierungsarbeiten im 20. Jahrhundert machten nicht bei den beiden Flüssen halt, sie haben sich tief in die umliegende Landschaft eingegraben. Mit der Ausweitung von Siedlungen und Straßenbauten, Dammbauten sowie mit der Industrialisierung der Landwirtschaft gingen Landschaftsstrukturen unwiederbringlich verloren, die vielen Arten als Lebensraum und unseren Augen zur Entspannung massiv fehlen. Die Landschaft wurde zubetoniert, immer mehr Straßen gebaut. 80 % der Wiesen gingen verloren, Gewässer wurden trockengelegt. Kleine, abwechslungsreiche Wiesen mussten riesigen Feldern weichen. Und all das hält immer noch an! Noch immer wird in Naturschutzgebieten Wald abgeholzt und noch immer werden Feuchtflächen trockengelegt und eingedämmt. Zudem gefährden große Infrastrukturprojekte, wie die Marchfeld-Schnellstraße S8, die mitten durch die March-Auen führen soll, die Einzigartigkeit der Auen.
Die Auen sind zwar vielfältig geschützt, jedoch fehlt diesem Nationalpark-würdigen Gebiet immer noch ein umfangreiches und ganzheitliches Management, das diesen Schutz auch gewährleisten kann.
- 80 % DER WIESEN VERSCHWANDEN IM 20. JAHRHUNDERT 80%
- 40 % DER AUENWÄLDER VERSCHWANDEN IM 20. JAHRHUNDERT 40%
Bedrohung 3: Klimawandel – Kein Schnee und heiße Sommer
Der Wechsel von Überflutung und Trockenfallen ist der Herzschlag der Au. Durch zahlreiche Aubäche wird die Au von den Flüssen her mit Wasser versorgt und am Leben erhalten. Durch die einschneidenden Regulierungen der Flüsse ist die Au inzwischen aber weitgehend von den Flüssen entkoppelt, die Wasserversorgung wird immer schlechter.
Verschärft wird dieses Problem nun auch noch durch den Klimawandel: Die Winter werden immer wärmer. Der Niederschlag, der früher als Schnee im Tschechischen und Slowakischen Mittelgebirge – daher im Einzugsgebiet der Flüsse – in der Landschaft liegen blieb und mit dem Tauwetter als kleine Hochwasserwellen die Auen füllte, fehlt. Und damit auch das Wasser, das die Auen am Leben erhalten kann.
Seit Jahren beobachten wir ein stetiges Austrocknen der Augewässer. Amphibien, wie Rotbauchunke und Donau-Kammmolch aber auch Wasservögeln fehlt zunehmend der Lebensraum und das Futter. Wir müssen gezielt Maßnahmen zur Revitalisierung der Au ergreifen und dem Klimawandel entgegenwirken.
Lösung
So können wir die March-Thaya-Auen schützen
Lösung 1: Flüsse und Gewässer revitalisieren
Waren das 19. und das 20. Jahrhundert die Jahrhunderte der Regulierungen, muss das 21. Jahrhundert das der Revitalisierung sein. Denn heute weiß man, dass diese massiven Eingriffe nicht nur der Natur, sondern auch dem Menschen schaden. Deshalb arbeitet der WWF Österreich mit Partnern ganz konkret an Projekten zur Revitalisierung der Flüsse und ihrer Auen. So wurden zum Beispiel zwischen 2011 und 2019 Nebenarme wieder mit der March verbunden oder neu geschaffen, sowie Teile der Uferverbauung entfernt (LIFE Projekt). Damit schaffen wir wieder mehr Platz und Lebendigkeit für die Flüsse. Die Au wird wieder besser mit Wasser versorgt.
Mit der Rückwandlung von Ackerflächen in Feuchtwiesen, dem Start des Weideprojektes mit Konik-Pferden oder ganz konkreten Artenschutzprojekten und Pflegeeinsätzen geben wir zumindest ein Stück der verloren gegangenen Lebensräume wieder der Natur zurück. Dabei erhalten und pflegen wir sie auf eine naturnahe Weise. Das fördert das Leben im und am Wasser (Fische, Muscheln, Libellen) sowie in der Au. Gefährdete und seltene Vögel, Insekten und Pflanzen kehren wieder zurück.
Das ist nicht nur gut für die Natur – es gibt dem Menschen wieder einen hochwertigen Erlebnis- und Erholungsraum zurück, der Augen und Seele gut tut.
ÜBER 7 KM NEUE NEBENARME FÜR DIE MARCH
Lösung 2: Flächen erhalten und pflegen, Bauprojekte verhindern
Die March-Thaya-Auen sind vielfältig geschützt. Dennoch kommt es immer wieder zu Flächen- und Lebensraumverlusten sowie Eingriffen, die einzelne Arten in ihrem Bestand gefährden. Der WWF trägt seit Jahrzehnten nicht nur Verantwortung für das WWF-Auenreservat in Marchegg, er setzt sich seither auch für den Erhalt und den Schutz der gesamten March-Thaya Auen ein.
Dies beinhaltet zum einen enorme Überzeugungsarbeit, wenn es zum Beispiel darum geht, schädliche Großprojekte zu verhindern oder auch um immer wieder ein flächendeckendes und durchsetzungsstarkes Management für die March-Thaya Auen zu fordern, damit diese Nationalpark-würdige Landschaft auch langfristig erhalten bleibt.
Wir setzen aber auch konkrete Projekte für den Erhalt von Arten und Lebensräumen gemeinsam mit Projektpartnern um. Dabei geht es darum gefährdete Arten, wie Schwarzstorch, Donau-Kammmolch oder Urzeitkrebse zu fördern und Lebensräume wie Trockenrasen oder Feuchtwiesen zu pflegen und somit zu erhalten.
Lösung 3: Wasser in der Landschaft halten
Durch die Regulierung der Flüsse wurden diese von der Au abgetrennt. Der WWF setzt gemeinsam mit Projektpartnern Maßnahmen um, damit die Flüsse wieder besser mit ihren Auen verbunden werden. Denn nur durch die bessere Vernetzung von Fluss und Au kann das Wasser in die Augewässer – die Lebensadern der Auen – fließen.
Dank dieser Maßnahmen bleibt das Wasser länger in der Flusslandschaft, füllt dort Augräben und -tümpel und hält so nicht nur die Au am Leben, sondern kann dort langsam ins Grundwasser versickern. Davon profitiert nicht nur die Natur, sondern vor allem auch der Mensch, gerade auch in Zeiten des Klimawandels. In Trockenzeiten ist so die Versorgung mit Trinkwasser gesichert. Im Falle von Starkregenereignissen, die oft Hochwasser auslösen, kann sich das Wasser besser in der Au ausbreiten und fließt so langsamer ab, was Überflutungen in flussab liegenden Ortschaften verhindern kann.
IM FALL VON HOCHWASSER KANN DAS WWF - AUENRESERVAT ÜBER 26 MILLIONEN KUBIKMETER WASSER AUFNEHMEN UND SO FLUSSABWÄRTS LIEGENDE SIEDLUNGEN VOR ÜBERFLUTUNGEN SCHÜTZEN
Projekte
So schützt der WWF die March-Thaya-Auen – eine Auswahl an Projekten
Projekt: WWF-Auenreservat Marchegg
Bereits 1970 kaufte der WWF ein Grundstück in den Marchauen. Doch erst 1978 wurde das „Reservat Marchauen“ schließlich als Naturschutzgebiet ausgewiesen. Die land- und forstwirtschaftliche Nutzung wurde seitdem stark zurückgefahren, und dient derzeit in erster Instanz dem Naturschutz. Kernaufgaben sind die langfristige Erhaltung und die nachhaltige Pflege des Gebietes, aber auch die Wildstandsregulierung sowie eine schonende fischereiliche Nutzung.
Horstschutzzonen, Naturwaldreservate und das Augewässersystem bilden die Kernzonen, in denen die Natur immer mehr sich selbst überlassen bleibt. Das Gebiet wird von einer kleinen Forstverwaltung in Baumgarten an der March betreut. Die Wiesenpflege erfolgt in Zusammenarbeit mit Landwirten aus der Region. Gemeinsam mit den Anrainergemeinden Weiden und Marchegg gründete der WWF das Besucherzentrum Storchenhaus Marchegg. Daneben werden große und ambitionierte Arten- und Lebensraumschutzprojekte durchgeführt.
Unsere Vision ist, dass sich die Unteren March-Auen in eine weitgehend unberührte und intakte Aulandschaft zurückverwandeln können. Urige Auwälder und üppige Feuchtwiesen prägen die Landschaft. Bäche, Seitenarme, Auweiher und -tümpel verteilen die Überschwemmungen der March in der Au und sind der lebenspendende Antrieb der Landschaft. Hochgradig gefährdete Tiere und Pflanzen – vom majestätischen Seeadler bis hin zum winzigen Urzeitkrebs – finden in den March-Auen eines ihrer letzten intakten Refugien. Für die Menschen der Region sind die March-Auen ein Ort der Bildung: Und sie dienen ihnen auch als besonderes Ausflugs- und Erholungsgebiet.
Projekt: Storchenhaus Marchegg
Das Storchenhaus Marchegg ist das Informationszentrum für Naturtourismus in den March-Auen – geboren aus der Zusammenarbeit von WWF Österreich, Stadtgemeinde Marchegg und Gemeinde Weiden an der March. Besucher bekommen hier einen genauen Einblick in das Leben der Störche und das Leben in der Au. Das Storchenhaus bietet einerseits geführte Touren mit geschulten Ökopädagoginnen, es bietet regionale Produkte der Partnerbetriebe in der Region zum Kauf an und es informiert über das touristische Angebot in der Region. Der Schutz der wunderbaren March-Auen ist ein großes Anliegen des Storchenhauses. Zu den Aufgaben gehört die Unterstützung von Artenschutzprojekten, wie für Weißstorch und die Hügelnelke, aber auch die regelmäßige Mahd von Sand- und Salzrasen oder die Entfernung unerwünschter fremdländischer Arten.
Projekte zur Wiederbelebung der Au
Durch die massiven Eingriffe in die Natur mit der Regulierung von March und Thaya, der Abtrennung großer Teile der Au durch den Dammbau sowie den großen Veränderungen in der Landwirtschaft im 20. Jahrhundert, sind Teile der Au unwiederbringlich verloren gegangen. Große Teile sind aber immer noch vorhanden – und für diese haben wir deshalb eine noch größere Verantwortung sie zu erhalten und zu schützen.
Dieser Aufgabe hat sich der WWF seit Jahrzehnten verschrieben. Gemeinsam mit anderen Organisationen und Behörden arbeiten wir in größeren und kleineren Projekten stetig daran, die Au vor weiterer Zerstörung zu bewahren, Flächen zu pflegen und dort wo es möglich ist, sie sogar Stück für Stück naturnäher zu machen. Zwischen 2011 und 2019 lief an der Unteren March ein groß angelegtes Renaturierungsprojekt. Im Life+ Projekt Renaturierung Untere March-Auen hat der WWF mit seinen Projektpartnern viadonau und NÖ. Landesfischereiverband durch gezielte Maßnahmen insgesamt über 7 km an abgeschnittenen Nebenarmen wieder mit der March verbunden, fast 40 ha an Feuchtwiesen und Sutten wiederhergestellt oder langfristig geschützt und auf fast 80 ha Konik-Pferde angesiedelt.
Wir haben bisher zwar schon viel erreicht, doch wir arbeiten stetig daran, dem Fluss und die Au ihre Natürlichkeit zurückzugeben. Deshalb hat der WWF 2022 einen Masterplan für den unteren Abschnitt der March ausgearbeitet, der den Weg für die Renaturierung der March in den kommenden Jahren vorgibt.
www.life-march.at
Pferdeweide Marchegg
Mittelwald-Projekt
Storchenhaus Projekte
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Aktuelles zu den March-Thaya-Auen
Neue Studie: Über 1.000 Flusskilometer mit hohem Renaturierungs-Potenzial in Österreich
Große heimische Flüsse auf Verbauungsgrad analysiert – WWF fordert Schwerpunkt auf Flüssen im österreichischen Renaturierungsplan und Schutz frei fließender Strecken
Grenzenlos verbunden: INN Dialog diskutiert über Zukunft des Inns
Internationaler Austausch zu Schutz und Wiederherstellung der Natur am Inn – Reges Interesse und über 100 Teilnehmende bei Fachvorträgen und Exkursionen
Weltflüssetag: WWF fordert umfassende Renaturierung der heimischen Fließgewässer
Ökologisch intakte Fließgewässer essenziell für Hochwasserschutz und krisensicheres Österreich – Umweltschutzorganisation fordert Schwerpunkt auf Wiederherstellung von Flüssen und Feuchtgebieten
Nach Hochwasser: Wissenschaft und WWF fordern “Grünes Sicherheitsnetz”
Österreich erlebt ein Katastrophenjahr – WWF, Umweltmediziner Hans-Peter Hutter und Klimatologe Herbert Formayer fordern eine Naturschutz-Offensive für krisensicheres Österreich
Trockenheit im Osten: WWF fordert Wasser-Rückhalt statt Donau-Zuleitung
Klimakrise verschärft Dürren und Hochwasser – Natürliche Rückhalteräume schaffen Ausgleich – WWF fordert Wiederherstellung von Feuchtgebieten
Renaturierung: WWF zeigt hohes Potenzial an der March
200 Quadratkilometer Auenlandschaft an der March wiederherstellbar – WWF-Reservat in Marchegg als Vorbild – WWF fordert Schwerpunkt auf Wiederherstellung von Flüssen
WWF fordert Notbremse: Tiwag-Konzern hält vor Gericht an Ötztal-Wasserableitungen fest
Naturschutzorganisation fordert Eingreifen des Landeshauptmanns – Tiwag will trotz negativer Volksbefragung langfristig weiter Wasser aus dem Ötztal ableiten
WWF-Erfolg: Großer Uferschwalben-Brutplatz an der Drau geschützt
Kroatische Gemeinde Ðelekovec stellt seltenen Vogelarten ein Steilwandufer zur Verfügung. Einer der größten Brutplätze für Uferschwalben, Bienenfresser und Eisvögel an der Drau ist somit gesichert.
Good News: Europa sagt mit Renaturierungsgesetz Ja zur Natur
Ein historischer Fortschritt der europäischen Umweltpolitik: Das EU-Renaturierungsgesetz wurde beschlossen! Ein großer Sieg für die Natur – und damit ein Gewinn für uns alle.