Wasserkraft in Österreich
Flüsse unter Druck
Seit jeher hat der Mensch die Kraft des Wassers genützt: zum Antrieb von Mühlen, zum Transport von Gütern und im letzten Jahrhundert auch zur Gewinnung von elektrischem Strom. Der aus Wasserkraft erzeugte Strom wird als ökologisch und nachhaltig verkauft. Aber ist er das wirklich?
Jedes Kraftwerk ist ein massiver Eingriff
Fakt ist, dass Wasserkraftwerke massiv in den natürlichen Lebensraum eines Flusses eingreifen. Sie blockieren ihn, stauen ihn auf, leiten Wasser aus oder lassen ganze Täler hinter einer Staumauer versinken. Dadurch tragen Wasserkraftwerke zum Artensterben bei und verschlechtern die Lebenskraft gesunder Flüsse. Dies ist insofern dramatisch, da Süßwasser-Ökosysteme wie Flüsse bereits am stärksten unter dem Artensterben leiden. Von ökologisch und nachhaltig kann also bei Wasserkraft nicht die Rede sein.
Wasserkraft in Österreich
In Österreich macht die Wasserkraft einen großen Teil der Stromerzeugung aus. Österreichs Flüsse stehen deshalb unter Druck: Der Ausbau der Wasserkraft wird weiter stark vorangetrieben, obwohl unsere Flüsse bereits in hohem Maße verbaut sind. In Österreich gibt es bereits mehr als 5.200 Wasserkraftwerke. Die sogenannte hydrologische Veränderung, also etwa die Zerstörung natürlicher Flusslandschaften ist in Österreich jedoch Hauptursache für das Artensterben. Der WWF setzt sich daher mit Partnerorganisationen und Menschen vor Ort für einen sorgsamen und respektvollen Umgang mit der Natur und gegen die weitere Verbauung von ökologisch besonders wertvollen Flussstrecken ein.
Zahlen & Fakten
- Mehr als 5.200 Wasserkraftwerke belasten Österreichs Flüsse – 80% von ihnen erfüllen nicht die ökologischen Mindeststandards
- 60% unserer Flüsse müssen saniert werden
- Nur 15% unserer Flüsse sind ökologisch intakt
- Alle 900 m unterbricht ein Querbauwerk unsere Flüsse und Bäche
Tierwelt
- 60% aller heimischen Fischarten sind gefährdet oder vom Aussterben bedroht
- Gefährdete Tierarten wie Äsche, Flussuferläufer, Kiesbankgrashüpfer oder Wasseramsel sind auf natürliche und lebendige Flusslandschaften angewiesen
Bedrohungen
Wie Wasserkraft in Österreich die Flüsse bedroht
Bedrohung 1: Ungebremster Ausbau
Die Flüsse in Österreich sind für den Hochwasserschutz, Landgewinnung und Wasserkraft stark verbaut und reguliert worden. Kein anderes Land Europas hat derart viele Wasserkraftwerke im Verhältnis zur Fläche wie Österreich. Der Großteil dieser Anlagen ist veraltet und erfüllt nicht die ökologischen Mindeststandards. Dem Fluss wird oft zu viel Wasser entzogen und Fische werden auf ihren lebensnotwendigen Wanderungen behindert. Die starke Verbauung unserer Flüsse ist Hauptursache dafür, dass 60% der heimischen Fischarten gefährdet oder vom Aussterben bedroht sind. Viele weitere Tier- und Pflanzenarten wie etwa die Flussuferläufer oder deutsche Tamariske verlieren so ihre Lebensgrundlage.
Doch anstatt die alten Kraftwerke zu sanieren und effizienter zu machen, setzt Österreich auf den Bau neuer Kraftwerke. Hunderte Wasserkraftprojekte werden unkoordiniert vorangetrieben und mit zig Millionen Euro subventioniert. Oft wird an den ökologisch wertvollsten und letzten wilden Strecken geplant und auch vor Schutzgebieten nicht Halt gemacht: Jedes dritte Wasserkraftprojekt ist in einem Schutzgebiet geplant. Auch der Mensch leidet unter dem Verlust natürlicher Flusslandschaften, denn wir verlieren Naherholungsräume und die Sicherung unserer Wasserressourcen.
Bedrohung 2: Zu sauberes Image
Strom aus Wasserkraft hat ein gutes Image. Zu Unrecht, denn erst auf den zweiten Blick wird deutlich: Das Wasser ist erneuerbar, die zerstörten Lebensräume sind es jedoch nicht. Daher muss der Wasserkraft-Ausbau ökologisch und sozial verträglich erfolgen. Die Rücksichtnahme auf die Natur wird in der Praxis jedoch grob vernachlässigt.
Unter dem Argument des öffentlichen Interesses werden Kraftwerke in ökologisch sensiblen Flussstrecken bewilligt. Damit handelt Österreich europäischen Gesetzen zuwider, die uns verpflichten den Zustand unserer Gewässer nicht weiter zu verschlechtern. Mittels politischer Weisungen werden selbst nicht genehmigungsfähige Kraftwerke wie z.B. das Kraftwerk Lesachbach (Oberstufe) in Osttirol durchgewinkt. Dabei steht der minimale Beitrag zur Energiewende, den solche Kleinkraftwerke leisten in keinem Verhältnis zur angerichteten Naturzerstörung. Es fehlt ein Gesamtkonzept, das festlegt, wo und unter welchen Bedingungen Wasserkraft noch möglich ist, und wo Flussjuwele für zukünftige Generationen bewahrt werden.
%
DER ÖSTERREICHISCHEN WASSERKRAFTWERKE ERFÜLLEN DIE ÖKOLOGISCHEN MINDESTSTANDARDS NICHT
Bedrohung 3: Förderungen setzen falsche Anreize
Der Ausbau erneuerbarer Energieträger wird mit den Geldern der Stromkund*innen gefördert. An sich begrüßenswert, doch im Fall der Wasserkraft werden mit den Förderungen falsche Anreize gesetzt, die den Wasserkraft-Ausbau in ökologisch sensiblen Bereichen angeheizt. Ohne nach den ökologischen Auswirkungen eines Kraftwerks zu unterscheiden werden Förderungen nach dem „Gießkannenprinzip“ ausgegeben. Auch Kleinstkraftwerken, die keinen relevanten Beitrag zur Energiewende leisten, aber unverhältnismäßig viel Natur negativ beeinträchtigen, kommen dabei unverhältnismäßig hohe Förderungen zu. Durch diese Förderpolitik wird Naturzerstörung profitabel gemacht. Und das ist katastrophal.
Lösungen
So können wir die letzten lebendigen Flüsse schützen
Lösung 1: Rettungsplan für unsere Flüsse
Nach dem nur mehr so wenige Teile unserer Flüsse in einem sehr guten ökologischen Zustand sind, gilt es einerseits die verbleibenden natürlichen und naturnahen Flussstrecken vor Verbauung zu schützen und andererseits unsere Gewässer zu sanieren. Wir können die letzten intakten Flussstrecken schützen, indem wir Ausbauverbote verhängen oder indem wir sie unter Schutz stellen. Zudem muss die Bundesregierung 60% unserer Flüsse sanieren, damit sie wieder in einem guten ökologischen Zustand sind. Die Modernisierung veralteter Wasserkraftwerke spielt hier eine wichtige Rolle um Flüsse wieder passierbar zu machen und ökologische Funktionen wiederherzustellen. Auch der Abriss nicht mehr rentabler Kraftwerke ist eine wichtige Maßnahme um den Flüssen die natürliche Lebenskraft zurück zu geben. Ein langfristiger und effektiver Schutz unserer Flussjuwele könnte Wildflusslandschaften wie Lech oder Isel als Lebensraum für Tiere und Pflanzen, sowie als Naherholungsraum für zukünftige Generationen erhalten werden.
Lösung 2: Klimaschutz und Naturschutz Hand in Hand
Prognosen sagen voraus, dass der Strombedarf in den kommenden Jahren stetig ansteigt. Doch selbst mit der Verbauung der letzten Bächlein, kann der steigende Strombedarf nicht gedeckt werden. Der Komplettausbau der Wasserkraft ist also nicht die Lösung unseres Energieproblems. Vielmehr ist es notwendig Energie einzusparen. Besonders im Bereich Mobilität und Gebäudedämmung besteht hierfür großes Potenzial. Durch die Modernisierung und Effizienzsteigerung bestehender Kraftwerke kann mehr Strom produziert werden ohne zusätzliche Schäden an der Natur zu verursachen. Beim Ausbau erneuerbarer Energiequellen ist auf einen ausgewogenen Mix der Energiequellen zu achten, sowie auf klare und wirksame Naturverträglichkeitskriterien. Die WWF Studie „Energiewende und Gewässerschutz“ zeigt, wie eine naturverträgliche Energiewende gelingt, ohne dass dafür die Naturschätze Österreichs geopfert werden müssen.
Lösung 3: Naturverträglichkeitskriterien bei der Ökostromförderung
Um keinen Anreiz für besonders naturschädliche Wasserkraftwerke am falschen Standort zu schaffen, ist es dringend notwendig die Fördergelder an strenge Naturschutzkriterien zu knüpfen. Im 2021 neu verabschiedeten Erneuerbaren Ausbaugesetz sind die Ökostromförderungen festgelegt. Erstmals sind Schutzkriterien für ökologisch sehr gute Fluss-Strecken verankert, womit zumindest die schädlichsten neuen Kraftwerke von Subventionen ausgeschlossen werden!
Völlig verfehlt sind hingegen die weiterhin bestehenden Schlupflöcher für Verbauungen in Schutzgebieten sowie für Kleinwasserkraft-Anlagen, die für relativ wenig Stromgewinn sehr viel Natur zerstören. Hier setzt das Fördersystem nach wie vor völlig falsche Anreize für die Verbauung intakter Flüsse. Denn nur noch 14 % der Gewässer sind in einem sehr guten ökologischen Zustand, aber schon 60 % sanierungsbedürftig. Ein gefördertes Kraftwerk darf auch den Zustand des betroffenen Flusses nicht verschlechtern oder geschützte Arten beeinträchtigen. Es darf in Zukunft nicht mehr passieren, dass sogar Skandalprojekte in Schutzgebieten mit Subventionen befeuert werden. Die Modernisierung veralteter Anlagen muss Vorrang vor dem Ausbau neuer Wasserkraftwerke haben. Eine intakte Natur ist unser größter Verbündeter gegen die Klimakrise. Daher müssen die Lebensräume bedrohter Arten auch beim Erneuerbaren-Ausbau besser geschützt werden. Der WWF setzt sich gemeinsam mit anderen Umweltverbänden für strengere Naturverträglichkeitskriterien bei der Ökostromförderung ein.
KLEINSTKRAFTWERKE UNTER 1 MEGAWATT LEISTUNG DÜRFEN NICHT MEHR SUBVENTIONIERT WERDEN.
Erneuerbar an der Wasserkraft ist nur das Wasser, die zerstörten Lebensräume sind es nicht. Der WWF setzt sich daher für freie und klimafitte Flüsse sowie einen sorgsamen Umgang mit der Natur ein.
Projekte
So schützt der WWF die letzten lebendigen Flüsse Österreichs – eine Auswahl an Projekten
Stopp Ausbau Kraftwerk Kaunertal
Ein neues Kraftwerksprojekt stellt aktuell eine massive Bedrohung für unsere heimischen Alpenflüsse dar. Mit dem Ausbau des Kraftwerks Kaunertal soll nun ein weiteres Megaprojekt mitten in eine hochsensible Naturlandschaft gezwängt werden. Mit fatalen Folgen: Wertvolle Fluss- und Moorlandschaften würden zerstört werden und seltene Tierarten ihren Lebensraum verlieren. Gemeinsam mit den Vereinen „Lebenswertes Kaunertal“ und „Wildwasser Erhalten Tirol“ (WET) setzt sich der WWF für den Schutz dieses Gebiets ein.
Ein Netz für unsere Flüsse
Zur Rettung unserer Flüsse haben wir uns mit Partnerorganisationen zur Plattform „Flüsse voller Leben“ zusammengeschlossen. Unser Ziel: Der Schutz der letzten natürlichen und intakten Flüsse und Bäche Österreichs. Gemeinsam mit bundesweit tätigen Naturschutzorganisationen und lokalen Bürgerinitiativen setzen wir uns gegen die Verbauung der letzten Flussjuwele ein – als Anwalt der Natur in Gerichtsverfahren und im Einsatz für starke gesetzliche Gewässerschutzbestimmungen.
Projekt „Alles im Fluss“
In diesem Projekt setzt sich der WWF dafür ein, dass die unterbrochenen Lebensadern rascher und konsequenter als bisher wieder verbunden werden. Unterstützt wird dieses Projekt von HOFER im Rahmen der Initiative „Heute für Morgen“. Zusammen mit weiteren starken Partnern wollen wir unsere Flüsse und Bäche wieder lebendiger und artenreicher gestalten. Dafür müssen unnötige Barrieren entfernt werden.
In dem Projekt werden zunächst Erfahrungen aus vorangegangenen Modellprojekten gesammelt, zusammengetragen und ausgewertet. In einem weiteren Schritt werden Flüsse und Bäche identifiziert, die durch Entfernungen von Barrieren besonders effizient verbessert werden können. Mit regionalen Partnern werden dort Rückbaumaßnahmen geplant und durchgeführt.
Im Einsatz gegen Kraftwerke und für die Natur
Ob in Tirol, der Steiermark oder Niederösterreich – Der WWF ist österreichweit im Einsatz für den Schutz unserer letzten Flussparadiese. Diese sind vielfach durch Wasserkraftwerksprojekte bedroht. Der WWF ist nicht grundsätzlich gegen den Wasserkraftausbau, wenn dieser ökologisch und sozial verträglich erfolgt. Beispiele für rücksichtslose Ausbauprojekte sind etwa die Erweiterung des Kraftwerks Kaunertal, das Kraftwerk Schwarze Sulm, die Kraftwerke im Isel-Einzugsgebiet, das Kraftwerk Tumpen-Habichen an der Ötztaler Ache und zahlreiche weitere. Hier arbeitet der WWF mit Umweltverbänden und lokalen Bürgerinitiativen zusammen um die betroffenen Flüsse zu schützen. Auch vor Gericht vertritt der WWF in zahlreichen Verfahren die Anliegen der Natur.
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