Tiwag will Ausbau Kraftwerk Kaunertal trotz zahlreicher Risiken und Naturgefahren durchboxen – WWF fordert Stopp und verweist auf Alternativen für naturverträgliche Energiewende
Hoch subventioniertes Mini-Kraftwerk für Liftbetreiber bewilligt – WWF kritisiert Profit auf Kosten der Natur
Naturschutzorganisation fordert Einschreiten des Landes gegen geplante Verbauung in Tirol

EU-Recht und Kriterienkatalog werden ignoriert, damit Liftbetreiber profitiert – Hohe Ökostrom-Subvention in Aussicht
Innsbruck, am 20. Jänner 2021. Die Bezirkshauptmannschaft Schwaz hat vor kurzem eine Kleinstwasserkraftanlage der Skilift-Gesellschaft Hochfügen im Zillertal per Sondergenehmigung bewilligt, obwohl das Projekt eindeutig gegen das EU-rechtlich verankerte Verschlechterungsverbot verstößt. Trotz einer nur sehr geringen Stromgewinnung soll das Projekt mit einer höchst fragwürdigen Ausnahmegenehmigung durchgewunken werden. Die vorgesehene Prüfung nach dem Tiroler Kriterienkatalog Wasserkraft ist nicht erfolgt. Daher fordert die Naturschutzorganisation WWF Österreich ein Einschreiten des Landes gegen die Bewilligung: „Das Ausmaß der Naturzerstörung steht in keinem Verhältnis zur minimalen Stromgewinnung. Wenn solche Projekte bewilligt werden, verabschiedet sich das Land Tirol endgültig vom Schutz der Tiroler Flüsse. Wieder einmal werden klare Regeln so hingebogen, dass die Seilbahn-Industrie profitiert“, sagt WWF-Gewässerschutz-Expertin Bettina Urbanek unter Verweis auf den ihr vorliegenden Bescheid. Gutachter stellen darin „starke Beeinträchtigungen für die Schutzgüter Naturhaushalt und Lebensraum“ fest.
Die betroffene Strecke am Finsingbach im Zillertal ist ökologisch und hydromorphologisch wertvoll. Dennoch ist vor der Verbauungs-Bewilligung keine sorgfältige Abwägung auf Basis europäischer Standards erfolgt. „Vermutlich, weil damit sofort klar werden würde, dass dieses Projekt nicht genehmigungsfähig ist“, kritisiert WWF-Expertin Bettina Urbanek. Daher brauche es jetzt zwingend eine Prüfung durch die Landesbehörden im Zuge ihrer Aufsichtspflicht. „Der zuständige Landesrat Josef Geisler muss den völlig aus den Fugen geratenen Wasserkraft-Ausbau endlich in den Griff bekommen. Flüsse und Bäche sind weit mehr als nur Kilowattstunden“, sagt die Gewässerschutz-Expertin. Völlig absurd sei in diesem Zusammenhang, dass die Skilift-Gesellschaft in ihrer Projekteinreichung behauptet, dass ein Kraftwerk mit einer derart minimalen Leistung (0,4 MW) einen „wichtigen Beitrag zur Erreichung der Tiroler Klima- und Energieziele“ leisten würde.
Hohe Subventionen in Aussicht – Profit auf Kosten der Natur
Ein Blick in den Bescheid zeigt die wahren Gewinner der Verbauung: Weil das Projekt hohe Subventionen aus den Ökostrombeiträgen aller Stromkund*innen erhalten soll, wird das Erlöspotenzial mit insgesamt 1,6 Millionen Euro bewertet. „Der Überschuss-Strom soll für 13 Jahre zum Ökostrom-Fördertarif vermarktet werden. Insgesamt (inkl. Substitution von Strombezug) ergibt sich ein jährliches Erlöspotenzial (brutto) von etwa 125.000 EUR“, heißt es im Bescheid.„Unter dem Deckmantel des Klimaschutzes werden hier die Profitinteressen von Liftbetreibern bedient. Daher muss auch die Bundesregierung aktiv werden und die Ökostrom-Förderung mit starken Naturschutz-Kriterien reformieren“, fordert WWF-Expertin Bettina Urbanek. „Gerade jene Kleinstwasserkraftwerke, die für sehr wenig Strom sehr viel Natur zerstören, dürfen nicht mehr extra subventioniert werden. Damit würden sich solche Projekte nicht mehr auszahlen.“
Wasserkraft extrem ausgebaut – WWF fordert Energiespar-Offensive
Mit österreichweit mehr als 5.200 Anlagen, davon über 900 in Tirol, ist die Wasserkraft bereits extrem ausgebaut. Nur noch 15 Prozent der Flüsse sind in einem sehr guten ökologischen Zustand. „Gerade in der Klimakrise brauchen wir intakte Gewässer auch als Verbündete gegen Dürreperioden, die Hitze und das Artensterben. Daher erfordert Klimaschutz einen ganzheitlichen Ansatz“, sagt Bettina Urbanek. „Wir müssen deutlich mehr Energie sparen und eine Photovoltaik-Offensive auf Gebäuden starten. Parallel dazu gehört das Steuersystem ökologisiert, während umweltschädliche Subventionen überall abgebaut werden“, fordert Bettina Urbanek.
Hintergrund: Der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz zur Kleinwasserkraftanlage Hochfügen am Finsingbach auf Ansuchen der Skiliftgesellschaft Hochfügen GmbH ist online abrufbar: https://bit.ly/2N8ZvG3
Rückfragen und Kontakt:
Bettina Urbanek, Gewässerexpertin WWF Österreich
E-Mail: bettina.urbanek@wwf.at
Mobil: +43 1 488 488 17 – 275
Mag. Volker Hollenstein
Leitung Politik und Kommunikation WWF Österreich
E-Mail: volker.hollenstein@wwf.at
Mobil: +43 664 501 31 58
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