Tiwag will Ausbau Kraftwerk Kaunertal trotz zahlreicher Risiken und Naturgefahren durchboxen – WWF fordert Stopp und verweist auf Alternativen für naturverträgliche Energiewende
WWF und ÖKOBÜRO: Gewässerschutz und Energieziele in Tirol sind kein Widerspruch

Presseaussendung WWF und ÖKOBÜRO
Wien, am 11. Dezember 2015 – Wer hat das Vorrecht an den Flüssen und Bächen des Ötztales, des Stubaitales und des Inns? Nicht die Gemeinden, Grundbesitzer, der Tourismus, der Naturschutz oder Freizeitsportler, sondern Energiekonzerne wie die Tiroler Wasserkraft AG. Ein von der TIWAG – missbräuchlich unter dem Deckmantel des Gewässerschutzes – eingereichter Wasserrahmenplan erleichtert ihr die Errichtung mehrerer Großkraftwerke in ökologisch hoch sensiblen Gebieten mit entsprechenden Umweltschäden. Der WWF und ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung übermittelten nun – stellvertretend für 13 Partnerorganisationen – am 10. Dezember einen eigenen, deutlich schutzorientieren Rahmenplan „Unser Inn“ an Umweltminister Andrä Rupprechter. Er soll die Tiroler Flüsse im Einzugsgebiet des Inns vor einem übermäßigen Zugriff der Wasserkraft bewahren und weist 1.100 Flusskilometer als Tabu-Strecken aus. Dennoch können die Zielvorgaben Tirols für den Wasserkraftausbau erreicht werden. „Unser Plan zeigt, dass es möglich ist, die Energieziele zu erreichen, ohne dass Tirol alle Naturjuwele zubetonieren muss“, erklärt Bettina Urbanek, Wasserexpertin des WWF.
Die Umweltorganisationen stützen sich dabei auf Paragraph 53 des Österreichischen Wasserrechtsgesetzes. Demnach müssen Wasserrahmenpläne vor allem auf den Schutz und die Sanierung von Gewässern abzielen.
Wie „gesund“ sind die Tiroler Flüsse?
Als Basis des Gewässerschutzplans wurden vom Institut für Hydrobiologie der Universität für Bodenkultur alle größeren Wasserkörper im Einzugsgebiet des Tiroler Inn – insgesamt 2.400 Flusskilometer – auf ihren Zustand untersucht, wobei nach den Schutzkriterien des Umweltministeriums vorgegangen wurde. Dazu zählen etwa der ökologische Zustand, die natürliche Hydromorphologie, die Lage in Schutzgebieten, oder ob die Flussstrecken von bedeutenden Auwäldern gesäumt sind.
Mehr als tausend Kilometer wertvolle Flüsse: Ausschlussstrecken in den Oberläufen
Auf insgesamt 46 Prozent oder rund 1.100 Flusskilometer trifft dies zu: Solche Flussstrecken gehören im Sinne der EU-Wasserrahmenrichtlinie unter rechtlichen Schutz gestellt, damit ihr ökologischer Zustand dauerhaft gesichert bleibt beziehungsweise – wo notwendig und möglich – weiter verbessert werden kann. In diesem Sinne definiert auch der Gewässerschutzplan „Unser Inn“ sie als Ausschlussstrecken für den weiteren Ausbau der Wasserkraft. Tirol hat als eines von wenigen Ländern noch viele europaweit bedeutende alpine Flussjuwele. Ein Großteil der Ausschluss – Strecken befindet sich in den Oberläufen der Fließgewässer. So haben ein großer Teil des Einzugsgebiets der Ötztaler Ache, vor allem des hinteren Ötztals sowie das Gewässersystem der Brandenberger Ache eine hohe ökologische Schutzwürdigkeit.
Energieziele auch ohne Problemkraftwerke Kaunertal und Kühtai erreichbar
Mit den aktuell in Tirol geplanten Wasserkraftwerken, die nicht in den ökologisch wertvollsten, ausgewiesenen Strecken liegen, können grundsätzlich die Zielvorgaben Tirols für den Wasserkraftausbau erreicht werden: Sowohl das Regelarbeitsvermögen aus Wasserkraft von 1,1 TWh/a bis 2020, als auch das Ziel für 2050 von einem Gesamt-Regelarbeitsvermögen von 8 TWh/a aus Wasserkraft können erfüllt werden. Doch auch diese Projekte wie beispielsweise Kraftwerk Rotholz, Imst II und Imst-Haiming müssen einer strengen Einzelfallprüfung und UVP unterzogen werden.
Modell für fachliche Beteiligung von NGOs
Doch gerade dieser §53 WRG könnte in Kürze einer Verwaltungsreform zum Opfer fallen. „Damit soll wohl versucht werden, Bürgerinitiativen und Umweltorganisationen von Prozessen auf Bundesebene, in denen die Weichen für umstrittene Projekte gestellt werden, auszuschließen. Anstatt diesen Paragrafen ausgerechnet dann, wenn er erstmals richtig angewendet werden kann, einfach abzuschaffen, sollte er auch bei anderen wichtigen Umweltgesetzen eingeführt werden“, fordert Thomas Alge von ÖKOBÜRO abschließend.
Der Gewässerschutzplan „Unser Inn“ wird von folgenden Organisationen getragen:
WWF Österreich, Greenpeace, GLOBAL 2000, ÖKOBÜRO, Österreichischer Fischereiverband, Tiroler Fischereiverband, Österreichisches Kuratorium für Fischerei und Gewässerschutz, kajak.at, Lebenswertes Kaunertal, Forum Wissenschaft und Umwelt, Naturschutzbund Österreich, WET – Wildwasser erhalten Tirol und Tiroler Raftingverband.
Rückfragehinweis:
Claudia Mohl, WWF-Pressesprecherin, Tel. 01/48817-250, E-Mail: claudia.mohl@wwf.at
Bettina Urbanek, WWF-Wasserexpertin, Tel. 01/48817-275, E-Mail: bettina.urbanek@wwf.at
Rückfragen
News
Aktuelle Beiträge
Neuer Klima-Check stellt Regierungsprogramm durchwachsenes bis schlechtes Zeugnis aus
WWF und Ökonomin Sigrid Stagl zeigen Chancen, Lücken und Widersprüche im neuen Koalitionspakt – Mehr Priorität für verbindlichen Klima- und Naturschutz gefordert
WWF: Kärntner Landesregierung will bis zu 740 Biber zur Tötung freigeben
Biber-Verordnung soll verlängert und verschärft werden – Zahl der erlaubten Tötungen wird mehr als verdoppelt – WWF kritisiert Angriff auf Artenschutz
19. WWF-Earth Hour: Weltweite Klimaschutzaktion am Samstag
Bundespräsident unterstützt Initiative – An berühmten Wahrzeichen rund um den Globus geht für eine Stunde das Licht aus – WWF Österreich fordert: “Klimaschutz – jetzt erst recht!”
WWF-Analyse: Bundesregierung muss beim Bodenschutz nachschärfen
Regierungsprogramm im Bodenschutz-Check: vereinzelt neue Ansätze, drohende Rückschritte – Bodenverbrauch weiter viel zu hoch – WWF fordert mehr Verbindlichkeit und echte Reformen
Erster Welttag der Gletscher: WWF für lückenlosen Schutz
Naturschutzorganisation fordert Politik zum Umdenken auf – Weitere Verbauung der Gletscher stoppen und als Zufluchtsorte für seltene Tiere und Pflanzen erhalten
Video: So arbeiten Naturschutzhunde gegen Wildtierkriminalität
Lea ist der erste WWF-Naturschutzhund. Im Video gibt es Einblicke, wie sie in der Praxis arbeitet.
Neuer WWF-Report: Tiefseebergbau würde Nachhaltigkeitsziele aushebeln
Internationale Meeresbodenbehörde berät über Rohstoffabbau in der Tiefsee – Neuer WWF-Report zeigt Risiken auf: UN-Nachhaltigkeitsziele und Weltnaturabkommen gefährdet
Nach Tiwag-Eingeständnis: WWF fordert Mattle zu Kaunertal-Stopp auf
Tiwag bestätigt, dass Bildung von Gletscherseen bisher “kein Thema” war – Risiko für Flutwelle wird ignoriert – WWF: “Mattle muss die Reißleine ziehen”