Tiwag will Ausbau Kraftwerk Kaunertal trotz zahlreicher Risiken und Naturgefahren durchboxen – WWF fordert Stopp und verweist auf Alternativen für naturverträgliche Energiewende
WWF Österreich kündigt EU-Beschwerde gegen Wasserkraft-Ausbau im Isel-Gebiet an
Kraftwerk Schwarzach in Osttirol wird Fall für die EU Kommission – Einhaltung internationaler Naturschutzziele durch das Land Tirol auf dem Prüfstand – WWF fordert Gesamtstrategie für die Isel angesichts drohender Kraftwerkswelle

Innsbruck, am 23. Juli 2020. Angesichts des nicht-abgestimmten Baus mehrerer Wasserkraftwerke im Einzugsgebiet der geschützten Isel sieht der WWF Österreich die wertvolle Wildflusslandschaft akut gefährdet. Gleich sechs Kraftwerksprojekte werden an den Isel-Zubringern forciert, eines sogar direkt am Hauptfluss. Aufgrund der kurzsichtigen Verfahrens- und Prüfungspraxis in Tirol, sieht sich der WWF dazu gezwungen, eine Beschwerde an die EU-Kommission zu richten – konkret wegender unzureichenden Umsetzung der Naturschutzziele der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. „Der Wildwuchs an Kraftwerksvorhaben in Osttirol bedroht eines der letzten großen Gletscherflusssysteme der Alpen. Die Tiroler Landesregierung muss daher seine internationalen Schutzverpflichtungen endlich ernst nehmen und den Wasserkraftausbau im Isel-Gebiet einschränken. Lebensräume von EU-rechtlich streng geschützten Arten dürfen nicht weiter für den schnellen Profit zerstört werden“, sagt WWF-Gewässerschutzexperte Gerhard Egger. „Wir erwarten uns, dass die Europäische Kommission für eine gewissenhafte Umsetzung der EU Richtlinien eintritt. Es ist absurd, dass strenge Naturschutzvorgaben immer wieder von neuen Wasserkraftprojekten torpediert werden. Das Land Tirol muss hier unbedingt die Summenwirkung der vielen Kraftwerksprojekte auf das Isel-Schutzgebiet überprüfen.“
Der WWF Österreich beobachtet seit Jahren eine höchst problematische Vorgangsweise bei der Bewilligung von Kraftwerksprojekten im Einzugsgebiet der Isel. Im Verfahren zum Kraftwerk Schwarzach wurden etwa mehrere schutzwürdige Arten (Vögel, Fische, Amphibien) sowie Lebensräume nicht in die Prüfung mitaufgenommen, obwohl dies EU-rechtlich vorgeschrieben wäre. Zugleich wird die vom Aussterben bedrohte Ufertamariske nur innerhalb des Natura 2000-Gebiets geschützt. Sobald die Pflanze auch nur einen Meter außerhalb wächst, kann sie der Verbauung zum Opfer fallen. „Die Art und Weise wie der Schutz der Isel in der Praxis gelebt wird ist ein Negativbeispiel für den gesamten Naturschutz. Trotz Ausweisung als Natura-2000-Gebiet droht dem Fluss die schrittweise Amputation durch eine Kraftwerkswelle an seinen Zubringern. Es braucht daher dringend eine Gesamtstrategie für eine möglichst naturverträgliche Nutzung der Wasserkraft sowie ein konkretes Erhaltungskonzept für das Schutzgebiet“, so WWF-Experte Gerhard Egger.
Genau das ist auch eine Schlussfolgerung aus einem aktuellen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH). Denn im Falle der umstrittenen Bewilligung des Kraftwerks Schwarzach nahe der Isel-Mündung hat der VwGh die angestrebte außerordentliche Revision des Landesgerichtsurteils abgewiesen. Demnach hätte der WWF selbst nachweisen müssen, dass durch die Summe der vielen Kraftwerksprojekte ein Schaden für geschützte Arten in der Region entsteht, obwohl dies aus Naturschutz-Sicht definitiv die Aufgabe der Landesregierung wäre. Der WWF respektiert die VwGh-Entscheidung, sieht darin aber auch eine Bestätigung dafür, dass die Bewilligungspraxis in Tirol eine ernsthafte Gefahr für hochsensible und geschützte Naturräume darstellt.
Übersicht: Schrittweise Zerstörung eines Naturjuwels
Aufgrund ihrer ökologischen Besonderheit ist die Isel seit 2015 als Natura-2000 Gebiet geschützt. Dennoch wird ihr Einzugsgebiet immer mehr verbaut. An der Schwarzach bei sind zwei Wasserkraftprojekte in Planung sowie an Tauernbach, Kalserbach und Stalleralmbach jeweils eines. Die Pläne zum hochumstrittenen Kraftwerk Obere Isel direkt im Schutzgebiet wurden Anfang des Jahres zwar abgewiesen, die Betreiber halten aber weiterhin am Vorhaben fest. Das Kraftwerk Lesachbach ist nach einer politischen Intervention sogar schon im Bau. Um dieses nicht genehmigungsfähige Kraftwerk an einer intakten Flussstrecke zu ermöglichen, griff LH-Stv. Josef Geisler sogar mit einer Weisung direkt in das Verfahren ein, wie durch eine Anfragebeantwortung an den Landtag belegt ist.

Rückfragehinweis:
Vincent Sufiyan
Pressesprecher WWF Österreich
Tel. 0676 83 488 308
E-Mail: vincent.sufiyan@wwf.at
Rückfragen
News
Aktuelle Beiträge
Neuer Klima-Check stellt Regierungsprogramm durchwachsenes bis schlechtes Zeugnis aus
WWF und Ökonomin Sigrid Stagl zeigen Chancen, Lücken und Widersprüche im neuen Koalitionspakt – Mehr Priorität für verbindlichen Klima- und Naturschutz gefordert
WWF: Kärntner Landesregierung will bis zu 740 Biber zur Tötung freigeben
Biber-Verordnung soll verlängert und verschärft werden – Zahl der erlaubten Tötungen wird mehr als verdoppelt – WWF kritisiert Angriff auf Artenschutz
19. WWF-Earth Hour: Weltweite Klimaschutzaktion am Samstag
Bundespräsident unterstützt Initiative – An berühmten Wahrzeichen rund um den Globus geht für eine Stunde das Licht aus – WWF Österreich fordert: “Klimaschutz – jetzt erst recht!”
WWF-Analyse: Bundesregierung muss beim Bodenschutz nachschärfen
Regierungsprogramm im Bodenschutz-Check: vereinzelt neue Ansätze, drohende Rückschritte – Bodenverbrauch weiter viel zu hoch – WWF fordert mehr Verbindlichkeit und echte Reformen
Erster Welttag der Gletscher: WWF für lückenlosen Schutz
Naturschutzorganisation fordert Politik zum Umdenken auf – Weitere Verbauung der Gletscher stoppen und als Zufluchtsorte für seltene Tiere und Pflanzen erhalten
Video: So arbeiten Naturschutzhunde gegen Wildtierkriminalität
Lea ist der erste WWF-Naturschutzhund. Im Video gibt es Einblicke, wie sie in der Praxis arbeitet.
Neuer WWF-Report: Tiefseebergbau würde Nachhaltigkeitsziele aushebeln
Internationale Meeresbodenbehörde berät über Rohstoffabbau in der Tiefsee – Neuer WWF-Report zeigt Risiken auf: UN-Nachhaltigkeitsziele und Weltnaturabkommen gefährdet
Nach Tiwag-Eingeständnis: WWF fordert Mattle zu Kaunertal-Stopp auf
Tiwag bestätigt, dass Bildung von Gletscherseen bisher “kein Thema” war – Risiko für Flutwelle wird ignoriert – WWF: “Mattle muss die Reißleine ziehen”