Der Wolf kehrt zurück: Schießen oder schützen? Wir fragen einen Bauern!

4. Februar 2021 | Team Panda News

Ob am Meer, im Gebirge oder im Wald: Der Mensch ist in fast alle Regionen der Erde vorgedrungen. Eine echte „Wildnis“ gibt es in Europa kaum noch. Das verändert nicht nur die Natur selbst, sondern auch die Lebensweise von Tieren. Viele sterben aus. Andere passen sich an und versuchen ihren Platz zu finden, obwohl immer mehr Straßen, Äcker, Kraftwerke, Viehweiden und Siedlungen angelegt werden. Dazu gehört der Wolf.

Die Nahrung des Wolfs besteht in Österreich fast ausschließlich aus Hirschen, Rehen und Wildschweinen, die bei uns sehr zahlreich sind. Wenn jedoch Weidetiere wie Schafe oder Ziegen nur schlecht geschützt auf der Alm stehen, kann es vorkommen, dass er anstelle der kräftezehrenden Wildtierjagd, auf diese „leichte Beute“ ausweicht. Verständlich, dass Bauern dann nicht gut auf den Wolf zu sprechen sind!

Eine von Thomas’ Schafweiden im Oberinntal: Rieder Pleis auf 2900m Höhe © A. Kofler

Sollen Wölfe abgeschossen werden?

Der Tiroler Schäfer Thomas Schranz kann ein Lied davon singen. Er sieht den Wolf, genauso wie den Bären oder Luchs, als große Herausforderung für die Bauern. Trotzdem will er nicht, dass die geschützten Tiere geschossen werden, wie das manche Landwirt*innen oder Politiker*innen fordern. Er bezeichnet sich selbst als Realist, also als einen Menschen, der sich den Tatsachen stellt. Der Wolf ist zurück gekommen um zu bleiben. Also heißt es bestmöglich mit ihm umzugehen.

 

Thomas Schranz (rechts) im Gespräch mit WWF-Wolfsexperte Christian Pichler © A. Kofler

Das Leben seiner 200 Schafe steht für Thomas an erster Stelle. Daher probiert er verschiedene Techniken aus, die sich gegen Angriffe von Wölfen oder Hunden bewährt haben. Es nimmt auch an Projekten der Europäischen Union (EU) teil, in dem Berufskolleg*innen aus Österreich, Bayern und Südtirol ihre Erfahrungen beim Herdenschutz austauschen. Speziell ausgebildete Hunde spielen dabei eine wichtige Rolle.

Herdenschutz als Lösung

Auf einer Alm im Oberinntal in Tirol stehen die Wächter von Thomas’ Schafherde: „Dijay“ und „Summ“. Es sind Kangals. Das ist eine kräftige und mutige Hunderasse aus der Türkei. Thomas hat die beiden als Welpen geholt und zu Hütehunden ausgebildet. Jetzt fühlen sie sich als Teil der Herde und ordnen sich dem Tierhalter unter. Im Notfall nehmen sie es mit einem Wolf auf!

Hinter dem Zaun sind sie sicher

Die beiden Lamas „Heidi“ und „Peter“ gehören ebenso zum Team. Sie fürchten sich nicht vor Hunden oder Wölfen, sondern sind neugierig. Nähert sich ein Tier dem Zaun, bäumen sich die Lamas auf. Für den Wolf bedeutet das: „Halt! Hier könnte ich verletzt werden – lieber nicht…“ Zusätzlich schützt Thomas seine Schafe durch Zaunnetze, die dicht am Boden abschließen und Strom führen. Normalerweise dringt ein Wolf hier nicht ein, denn wenn er es versucht, bekommt er einen Stromschlag. Das macht er kein zweites Mal!

Mutige Lamas hinterm Zaunnetz!, © by EWS/Rossberg

Innerhalb der eingezäunten Fläche grasen die Schafe. Haben sie alles abgefressen, werden die Zäune an eine neue Stelle versetzt. So bewirtschaftet der Schäfer die Alm und die Schafe pflegen die Landschaft. Thomas ist überzeugt, dass Herdenschutz auch in schwierigen, zum Beispiel sehr steilen Lagen, möglich ist, wenn sich mehrere Almbauern zusammenschließen – ein Hirte für viele Schafe:

Ein Hirte für viele Schafe, © by EWS/Rossberg

Gemeinsam könnten bis zu 800 Tiere zusammengehalten und geschützt werden. Nachts brauchen die Schafe eine geschützte Koppel und einen Hirten, der auf sie aufpasst. Obwohl Thomas bisher noch keinen Wolfsriss hatte, ist er sicher: einen 100prozentigen Schutz gibt es nicht.

Almen sollen erhalten bleiben

Wozu dann der ganze Aufwand? Für Thomas ist das klar: „Almwirtschaft ist wichtig und muss weiterhin möglich sein. Dazu braucht man eine gezielte Weideführung. Das heißt, dass die Schafe von Hirten und Hunden gelenkt werden. So wird vermieden, dass sie die Wiese an manchen Stellen zu viel und an anderen zu wenig abfressen.“ Im hochalpinen Gelände:

Er wünscht sich, dass dieses alte Wissen über eine nachhaltige Weidewirtschaft wieder aufgefrischt wird. Dazu gehört auch die Erfahrung, wo man am besten einen Zaun oder eine Koppel anlegt, damit wertvolle Almflächen für später erhalten bleiben. Thomas selbst will mehr Herdenschutzhunde ausbilden und weiter dazulernen, um ein Nebeneinander von Viehwirtschaft und Wolf zu ermöglichen.

In Wahrheit haben wir heute auf den Almen ganz andere Probleme als den Wolf, meint Thomas. Als Beispiele nennt er Lawinen und Muren und zugewachsene Almflächen, die nicht mehr als Schafweide genutzt werden können.

Kangalhunde mit einem Lamm. Sie wachsen gemeinsam auf!

Zusammenarbeit

Sollte der Wolf tatsächlich einmal zu ihm kommen, dann ist Thomas gerüstet. Was er sich wünscht? „Ich will weiterhin Freude an der Landwirtschaft haben. Deshalb trage ich dazu bei, dass nicht nur jeder auf sich selbst schaut, sondern dass alle vernünftig miteinander reden und sich gemeinsam den Herausforderungen stellen. Das ist mir das wichtigste.“

Hat dir der Artikel gefallen? Dann willst du vielleicht wissen, wie der typische Tag einer Schafhirtin im Wolfsgebiet aussieht. Mehr Spannendes über den Wolf erfährst du hier. Wenn du Fragen oder Anregungen hast, schreib uns gerne an teampanda@wwf.at Wir freuen uns über Post von dir!

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