Ein Jahr nach Wuhan: WWF-Report warnt vor hunderten Wildtiermärkten in Risikogebieten

29. Dezember 2020 | Arten, Politische Arbeit, Presse-Aussendung

Gefährlicher Wildtierhandel in südostasiatischer Mekong-Region könnte weitere Virus-Sprünge aus dem Tierreich begünstigen – WWF fordert rasche Einstellung des illegalen und unregulierten Handels

Vor einem Jahr, am 31. Dezember 2019, wurde der Ausbruch einer neuen Lungenerkrankung in der chinesischen Stadt Wuhan bestätigt. Inzwischen gilt es als wissenschaftlich gesichert, dass das SARS-CoV-2-Virus von einem Wildtier auf den Menschen übersprang. Diese Zoonose setzte eine weltweite Pandemie in Gang, unter der die Welt bis heute leidet. Anlässlich des Jahrestages veröffentlicht die […]

Vor einem Jahr, am 31. Dezember 2019, wurde der Ausbruch einer neuen Lungenerkrankung in der chinesischen Stadt Wuhan bestätigt. Inzwischen gilt es als wissenschaftlich gesichert, dass das SARS-CoV-2-Virus von einem Wildtier auf den Menschen übersprang. Diese Zoonose setzte eine weltweite Pandemie in Gang, unter der die Welt bis heute leidet. Anlässlich des Jahrestages veröffentlicht die Naturschutzorganisation WWF eine Analyse zum Wildtierhandel in der südostasiatischen Mekong-Region. Das Ergebnis: Von rund 500 Märkten in größeren Städten, auf denen häufig mit Wildtieren gehandelt wird, liegt rund die Hälfte in Regionen mit einem potenziell hohen Zoonose-Risiko. „China hat zwar im Februar ein Verbot der Wildtier-Zucht für die Fleischproduktion erlassen, aber in mehreren südostasiatischen Staaten muss noch deutlich mehr getan werden. Der Artenschutz für bedrohte Wildtiere und die öffentliche Gesundheitsvorsorge gehören dringend zusammen gedacht, um die Gefahr des Überspringens von Viren auf den Menschen einzudämmen“, sagt Georg Scattolin, Leiter des internationalen Programms beim WWF Österreich. Als Teil eines Zehn-Punkte-Plans fordert er vor allem die rasche Schließung illegaler und unregulierter Wildtiermärkte sowie schärfere Kontrollen gegen den illegalen Handel: „Der Schmuggel von Wildtieren jenseits aller Regeln schafft einen idealen Nährboden für Virensprünge auf den Menschen. Daher müssen Politik und Behörden deutlich mehr tun.“

In vielen ländlichen Gegenden der Mekong-Region sind Menschen zur Ernährungssicherung noch immer auf Wildtiere angewiesen – darunter sind auch abgelegene Gebiete mit Mangelernährung bei Kindern. Zunehmend werden Wildtiere aber auch für den Verkauf in Städten gejagt. Große Märkte mit niedrigen Hygienestandards sind besonders riskant für die Übertragung von Infektionskrankheiten und auch aus Tierschutz-Sicht verheerend. Auf Lebend-Tiermärkten wie sie in weiten Teilen Chinas und Südostasiens existieren, werden Wild- und Nutztiere nebeneinander verkauft und geschlachtet. Restaurants, die Gerichte mit Wildtieren zubereiten, sowie Online- und Straßenverkäufe sind ebenfalls potenzielle Schmelztiegel für neue Krankheitserreger. Doch nicht nur die Märkte sind ein Risiko: „Die Corona-Ausbrüche in europäischen Nerzfarmen zeigen, dass auch Wildtierfarmen tickende Virus-Bomben sind. Von diesen gibt es in Südostasien immer noch hunderte“, warnt Georg Scattolin.

In der Region werden laut der WWF-Analyse jedes Jahr Dutzende Millionen Wildtiere zu Nahrungszwecken oder zur Verwendung in der traditionellen Medizin gehandelt. Neben Wildschweinen und Hirschen sind das häufig Nagetiere und Fledermäuse, die als Reservoir für eine Vielzahl von pathogenen Erregern gelten. „Die Einstellung des illegalen und unregulierten Wildtierhandels ist daher ebenso wichtig wie die Durchsetzung von Hygiene- und Sicherheitspraktiken auf Wildtiermärkten und in Restaurants“, sagt Georg Scattolin. Regionale Netzwerke und nationale Behörden, die den Handel mit Wildtieren überwachen und geltendes Recht durchsetzen, sind jedoch stark unterfinanziert. Daher braucht es auch auf dieser Ebene mehr Unterstützung, um pandemische Risiken im Keim zu ersticken. Ebenfalls entscheidend ist, dass die Nachfrage nach Produkten des Hochrisiko-Wildtierhandels reduziert wird.

Massive Entwaldung begünstigt Zoonosen

Der WWF macht in seiner Analyse auch auf ein zweites Umweltproblem aufmerksam, das Virus-Sprünge aus dem Tierreich auf den Menschen befördert: Von 1990 bis 2010 wurde die Waldfläche Südostasiens von 268 Millionen Hektar auf 236 Millionen Hektar reduziert. „Wenn Lebensräume zerstört werden und natürliche Barrieren wegfallen, bringt das Arten in Kontakt zueinander, die vorher nicht im Kontakt waren. Werden dort neue Siedlungsräume geschaffen, entsteht eine neue, räumliche Nähe zum Menschen und seinen Nutztieren“, warnt Georg Scattolin vor den Folgen der Entwaldung. Beispiele aus vielen Weltregionen verdeutlichen die Gefahr: Schweinefarmen und Obstbaumplantagen in Malaysia haben den Weg für die Übertragung des Nipah-Virus von Flughunden auf Menschen bereitet. Die Expansion von Reisfeldern und Schweinehaltung in Vietnam hat die Ausbreitung der Japanischen Enzephalitis beschleunigt. Auch andere Infektionskrankheiten werden von Entwaldung getrieben, wie eine brasilianische Studie bereits 2010 aufgezeigt hat: Die Abholzung von vier Prozent eines Waldes ging mit einer fast 50-prozentigen Zunahme der Malariafälle einher.

Geschmuggeltes Tigerbaby in Thailand, © by James Morgan WWF
Geschmuggeltes Tigerbaby in Thailand, © by James Morgan WWF

 

WWF fordert internationalen Naturschutzpakt

„Die Corona-Krise ist auch das Symptom eines kranken Planeten. Der menschliche Raubbau an der Natur verringert die Artenvielfalt, zerstört den Lebensraum von Wildtieren und drängt diese in die Nähe des Menschen. Zusätzliche Risiken schafft der illegale Handel mit Wildtieren. In Summe entstehen dadurch immer mehr gefährliche Schnittstellen, an denen sich Krankheiten von Tieren auf Menschen übertragen können“, warnt WWF-Artenschutzexperte Georg Scattolin. Daher fordert der WWF einen internationalen Aktionsplan, der sowohl den gefährlichen Wildtierhandel stoppt als auch unsere Natur und Artenvielfalt weltweit verbindlich schützt. „Das Problem sind nicht die Wildtiere, sondern der zu enge Kontakt und falsche Umgang mit ihnen. Im schlimmsten Fall entwickeln sich daraus fatale Pandemien, wie wir sie jetzt erleben. Es liegt daher in unserem ureigenen Interesse, Ökosysteme besser zu schützen. Denn eine intakte Natur gehört zu den wichtigsten Vorsorgemaßnahmen gegen globale Gesundheitsgefahren“, sagt Georg Scattolin.

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