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Wälder im Wandel: Entwicklung der Waldfläche in Europa 2001-2021

4. Mrz 2025

In der EU gibt es etwa 180 Millionen Hektar Wälder und andere bewaldete Flächen (European Commission, 2020). Vergleicht man die Zu-und Abnahmen der Waldfläche, kommt man zu dem Ergebnis, dass der Wald in Europa insgesamt in den letzten Jahrzehnten leicht gewachsen ist (FAO, 2020). Doch wie steht es um die Qualität der gewonnenen Waldflächen? Und was sind die Gründe für Zu-und Abnahmen?

Inhalt dieses Artikels:

In ihrer Studie haben Turubanova et al. (2023) die Veränderungen der Waldfläche in Europa von 2001 bis 2021 anhand von Baumkronenausdehnung und -höhe mit Hilfe von Satellitendaten modelliert. Es werden die Regionen mit überwiegender Waldflächen-Zunahme sowie die mit überwiegendem Rückgang der Waldflächen identifiziert und die Ursachen – wie Landnutzungsänderungen, natürliche Störungen, Rodungen oder Regeneration – diskutiert. In diesem Artikel fassen wir die spannendsten Ergebnisse zusammen.

Artikel verfasst von:


Mag.a Karin Enzenhofer
Expertin für Wald
WWF Österreich

1. Definition Waldfläche

In Übereinstimmung mit der FAO FRA-Walddefinition definierten die Studienautor:innen die Baumkronenausdehnung als eine Landbedeckungsklasse mit einer Baumkronenhöhe von mindestens 5 m. Bäume mit einer Höhe von 5 m lassen sich in der Regel mit Bildern mit hoher räumlicher Auflösung leicht interpretieren, während die visuelle Trennung von Sträuchern und jungen, kurzen Baumkronen oft schwieriger ist.

2. Methode und Untersuchungsgebiet der Studie

Die Forscher:innen erstellten jährliche Karten der Baumkronenhöhe in ganz Europa für den Zeitraum von 2001 bis 2021, indem sie Satellitendaten und luftgestützte Laserscans zur Messung der Baumhöhen kombinierten. Anhand dieser Messungen erstellten sie Modelle und überprüften die Genauigkeit der Modelle mit zusätzlichen Lidar-Daten (dreidimensionales Laserscanning) und beispielhaften Luftbild-Überprüfungen. Die endgültigen Karten zeigen die Veränderungen der Baumhöhe und -bedeckung im Laufe der Zeit.

 Laserscanning  

Abbildung: Beispielhafte Darstellung von Laserscanning von typischen Baumkronenstrukturen für (a) Wälder mit hoher Baumkronenabdeckung und (b) Wälder mit spärlicher Baumkronenabdeckung (Vatandaslar et al., 2023).

Untersuchungsgebiet

Abbildung: Untersuchungsgebiet, eingeteilt in die geografischen Regionen Iberische Halbinsel, Apenninhalbinsel, Balkanhalbinsel, Baltikum, Fennoskandien, Britische Inseln, Osteuropa und Westeuropa (Turubanova et al., 2023)

3. Studienergebnisse

Die Analyse ergab, dass die Ausdehnung der Baumkronen in Europa in den letzten zwei Jahrzehnten insgesamt um fast 1 % zugenommen hat, mit dem größten Anstieg in Osteuropa, Südeuropa und UK. Nach 2016 ging die Ausdehnung der Baumkronen in Europa jedoch zurück. In einigen Regionen verringerte sich die Ausdehnung der Baumkronen auch insgesamt zwischen 2001 und 2021, wobei der stärkste Rückgang in Fennoskandien beobachtet wurde (3,5 % Nettoabnahme).

Am stärksten war der Rückgang der Baumkronen in Mittel- und Südschweden und Finnland, Estland, Lettland, im Rheinischen Gebirge und im Harz in Deutschland, in der Tschechischen Republik, in Österreich, in der Waldregion Landes in Frankreich und im Gebirge Serra da Estrela in Portugal (siehe Abbildung, braune Kennzeichnung).

Zu den Regionen mit dem größten Nettozuwachs an Baumkronen gehörten Irland, die autonome Gemeinschaft Galicien in Spanien, Mittelitalien und die meisten osteuropäischen Länder von Polen im Norden bis Bulgarien im Süden (siehe Abbildung, türkise Kennzeichnung).

Die kontinentale Ausdehnung der Wälder mit hohen Baumkronen (≥ 15 m Höhe) nahm zwischen 2001 und 2021 um 3 % ab (siehe Abbildung B, braune Kennzeichnung). Der aktuelle Rückgang der Baumkronenausdehnung stimmt mit FAO-Statistiken über die Intensivierung der Holzernte und mit dem zunehmenden Ausmaß und der Schwere der natürlichen Störungen überein. Die beobachtete Abnahme der Baumkronenhöhe deutet außerdem auf eine Verringerung der Kohlenstoffspeicherkapazität der Wälder in Europa hin.

Baumkronenausdehnung

Abbildung: A) Nettoveränderung der kartenbasierten Baumkronenausdehnung von 2001 bis 2021 pro 50 × 50 km-Rasterzelle. (B) Die Nettoveränderung der Fläche der hohen Baumkronen (≥ 15 m Höhe) von 2001 bis 2021 pro 50 × 50-km-Rasterzelle (Turubanova et al., 2023).

4. Gründe für Veränderungen in der Waldfläche

Für jede Referenzstichprobe, bei der zwischen 2001 und 2021 eine Veränderung der Baumkronen-Ausdehnung festgestellt wurde, haben die Studienautor:innen die unmittelbare Ursache dieser Veränderung anhand der Bildinterpretation bestimmt. Anhand dieser Stichprobendaten schätzten die Studienautor:innen den Anteil jeder unmittelbaren Ursache für den Verlust und die Zunahme der Baumkronen auf dem gesamten Kontinent.

4.1. Abnahme der Baumkronenausdehnung

Die Studie schlussfolgert, dass die Kombination natürlicher Störungen (Waldbrände, Windschäden und Insektenbefall) und die Intensivierung der Holzernte die Abnahme der Baumkronenausdehnung in den meisten Regionen erklärt:

  • 87 % (Standardfehler 9 %) werden auf natürliche Störungen oder die mechanische Entfernung von Bäumen ohne Anzeichen von Landnutzungsänderungen zurückgeführt. Die Studienautor:innen gehen davon aus, dass sich diese Gebiete innerhalb der nächsten Jahre wieder mit Baumkronen bedecken werden
  • 13 % (Standardfehler 7 %) wurden auf Landnutzungsänderungen zurückgeführt: 5 % entfielen auf die Umwandlung in Weideland oder Zwischenfrüchte und 8 % auf Gebäude, die Entwicklung der Infrastruktur (einschließlich der Verwaltung bestehender Infrastrukturen, wie z. B. Straßenverbreiterungen) oder Bergbaugebiete.

Weitere Gründe in unterschiedlichen Regionen:

  • Jährliche Schwankungen auf der Balkan- und der Iberischen Halbinsel spiegeln die regionale Branddynamik wider
  • Höchste Abnahme der Baumkronenausdehnung in Norditalien 2018/19: Windschäden durch Sturm Adrian (Vaia)
  • Höchste Abnahme der Baumkronenausdehnung in Westeuropa 2007: Windschäden durch den Zyklon Kyrill
  • Höchste Abnahme der Baumkronenausdehnung in Fennoskandien 2005: Zyklon Gudrun; 2010 Sturm in Südfinnland.
  • Jüngste Abnahme der Baumkronenausdehnung in Ost- und Westeuropa (2018-2021): Borkenkäferbefall in Nadelwäldern + nachfolgende mechanische Rodung geschädigter Baumbestände. In Deutschland waren die Borkenkäferschäden und die anschließenden Waldrodungen in den letzten Jahren (2019-2021) am größten, was der Hauptgrund für den regionalen Anstieg der Abholzungsflächen in Westeuropa war.

Die Abnahme der Baumkronenausdehnung in Mittel- und Nordeuropa war ebenfalls mit der Zunahme der Holzernte verbunden. Die Abbildung zeigt die Beziehung zwischen der jährlichen Abholzungsfläche und der von der FAO gemeldeten Rundholzproduktion. Die durchschnittliche jährliche Rundholzproduktion stieg zwischen den Zeiträumen 2001-2010 und 2011-2020 um 11 %. Die Spitzen beim Verlust der Baumkronen und bei der Rundholzproduktion in den Jahren 2005 und 2007 sind auf die Bergungsarbeiten nach den Zyklonen Gudrun und Kyrill zurückzuführen.

Vergleich von Abnahme der Baumkronenausdehnung und der Rundholzproduktion

Abbildung: Vergleich von Abnahme der Baumkronenausdehnung und der Rundholzproduktion laut FAO von 2001-2020. (Turubanova et al., 2023)

4.2. Zunahme der Baumkronenausdehnung

  • 68 % (Standardfehler: 8 %) werden auf die Regeneration von Bäumen nach Abholzung oder natürlichen Störungen zurückgeführt.
  • Die verbleibenden 32 % (Standardfehler 7 %) wurden auf Landnutzungsänderungen zurückgeführt, vor allem auf die Anpflanzung von Bäumen auf aufgegebenen landwirtschaftlichen Flächen oder die Umwandlung von Zwischenfrüchten in Dauerkulturen.

Die größte relative Zunahme der Baumkronenfläche wurde in Ost- und Südeuropa und UK beobachtet. Als Gründe führen die Autor:innen kommerzielle Baumplantagen und die Aufforstung landwirtschaftlicher Flächen (insbesondere in Osteuropa) an.Diese Etablierung von Plantagen kann negative Folgen für Biodiversität und Ökosystemfunktionen haben, vor allem wenn es sich um strukturell homogene Monokulturplantagen mit nichtheimischen Arten handelt. Diese Gebiete sind besonders anfällig für Störungen durch Windwurf oder Insektenbefall.

5. Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse von Turubanova et al. (2023) zeigen, dass zwar insgesamt die Waldfläche in Europa leicht zugenommen hat, das aber nicht auf alle Regionen zutrifft. Besonders Teile Skandinaviens, aber auch Österreich, Tschechien und Deutschland zeigen vor allem durch die Intensivierung der Holzernte und natürliche Störungen (Stürme, Borkenkäfer) eine Abnahme der Baumkronenausdehnung. Ein kleinerer Teil der Abnahme geht auf Landnutzungsänderungen (Infrastruktur, landwirtschaftliche Nutzung) zurück.

Es zeigt sich außerdem, dass der Trend zunehmender Waldflächen (vor allem in Osteuropa) wenig über den Zustand der Wälder und deren Biodiversität aussagt. Grund für die Waldflächenzunahme ist oft die Aufforstung von schnellwachsenden Monokulturen. Besonders wenn es sich bei den aufgeforsteten Flächen um davor intakte Ökosysteme (z.B. Wiesen, Buschland) handelt, sind dadurch negative Effekte auf die Biodiversität zu erwarten (Bremer & Farley, 2010). Zusätzlich sind homogene Monokulturen besonders anfällig für Störungen und haben ein geringeres Potential für Kohlenstoffspeicherung.

Es braucht daher politische Maßnahmen zur Förderung von artenreichen und strukturreichen Wäldern, Verjüngungen und Aufforstungen an geeigneten Standorten, um die Biodiversität und Widerstandsfähigkeit von Wäldern zu erhöhen.

Quellenangaben und Referenzen

  • Bremer, L. L., & Farley, K. A. (2010). Does plantation forestry restore biodiversity or create green deserts? A synthesis of the effects of land-use transitions on plant species richness. Biodiversity and Conservation, 19(14), 3893–3915. https://doi.org/10.1007/s10531-010-9936-4
  • European Commission (Hrsg.). (2020). Agriculture, forestry and fishery statistics: 2020 edition. Publications Office. https://data.europa.eu/doi/10.2785/143455
  • FAO. (2020). Global Forest Resources Assessment 2020. FAO ; https://openknowledge.fao.org/handle/20.500.14283/ca9825en
  • Turubanova, S., Potapov, P., Hansen, M. C., Li, X., Tyukavina, A., Pickens, A. H., Hernandez-Serna, A., Arranz, A. P., Guerra-Hernandez, J., Senf, C., Häme, T., Valbuena, R., Eklundh, L., Brovkina, O., Navrátilová, B., Novotný, J., Harris, N., & Stolle, F. (2023). Tree canopy extent and height change in Europe, 2001–2021, quantified using Landsat data archive. Remote Sensing of Environment, 298, 113797. https://doi.org/10.1016/j.rse.2023.113797
  • Vatandaslar, C., Narin, O. G., & Abdikan, S. (2023). Retrieval of forest height information using spaceborne LiDAR data: A comparison of GEDI and ICESat-2 missions for Crimean pine (Pinus nigra) stands. Trees, 37(3), 717–731. https://doi.org/10.1007/s00468-022-02378-x

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