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Was steckt hinter dem Begriff Mykorrhiza?

1. Mrz 2024

Der Begriff Mykorrhiza kommt aus dem Griechischen mukês für Pilz und rhiza für Wurzel, man könnte ihn also übersetzen mit ‘verpilzte Wurzel’. Und genau so können wir uns die Mykorrhiza auch vorstellen: Eine pflanzliche Wurzel (meist von Bäumen), die besiedelt bzw. ummantelt ist von einem Pilz (ein Mykorrhiza-Pilz). Dabei werden die äußersten, feinen Wurzeln mit einem dichten Fadengeflecht umhüllt und ein Pilzmantel um die Wurzeln gebildet. (Egli, 2011).

Inhalt dieses Artikels:

Unter Waldexpert:innen ist die Bedeutung der Mykorrhiza-Pilze zwar seit Jahren bekannt. Wie weit der Stoffaustausch tatsächlich aber reicht und dass es Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung braucht, ist wenigen bewusst. Mit diesem Text soll der aktuelle Kenntnisstand vermittelt und auf notwendige Aktivitäten hingewiesen werden.

Artikel verfasst von:


Mag.a Karin Enzenhofer
Expertin für Wald
WWF Österreich

1. Pilze als bekannte Waldbewohner

Viele der in unseren Wäldern wachsenden Großpilze (Pilze mit leicht erkennbaren Fruchtkörpern) sind Mykorrhizapilze. Dazu gehören auch viele sehr bekannte Arten wie Trüffel, Steinpilz, Fliegenpilz und Knollenblätterpilz (Egli, 2011). Interessant ist, dass viele dieser Pilze artspezifisch sind, das heißt, sie sind an bestimmte Baumarten gebunden. Dazu gehören etwa der Lärchenröhrling oder der Eichenreizker (Egli, 2011).

2. Stoffaustausch durch Symbiose

Die symbiotische Verbindung zwischen Baum und Pilz bringt Vorteile für beide Partner und basiert grundsätzlich auf einem Stoffaustausch untereinander.

Der Pilz durchdringt den Boden mit seinen dünnen Fäden. Dadurch gelangt er an viel tiefer gelegene Bodenschichten als die Pflanze. Er schließt Wasser und viele Nährstoffe wie Stickstoff oder Phosphor auf und versorgt damit die Pflanze. Die Pflanze wiederum stellt dem Pilz den durch Photosynthese gewonnenen Zucker zur Verfügung.

Es gibt verschiedene Arten von Mykorrhiza-Pilzen: Die Ektomykorrhiza ist vor allem bei Bäumen, besonders bei Nadelbäumen, verbreitet. Hier umgeben die Pilzgeflechte die Feinwurzeln. Neben dieser Form gibt es aber auch noch die Endomykorrhizapilze, die in die Wurzeln der Pflanzen (in diesem Fall besonders krautige Pflanzen und etliche Laubbaumarten) eindringen.

3. Bedeutung der Pilze für die Bäume

Klar ist, dass es ohne Bäume Mykorrhizapilze und damit viele beliebte Speisepilze nicht gäbe. Aber wie wichtig sind die Pilze für die Bäume? Alleine die Tatsache, dass es in Mitteleuropa wahrscheinlich keinen Baum ohne Mykorrhiza gibt, gibt schon einen Hinweis auf die Bedeutung. Ohne die Pilze hätten es viele Wälder jedenfalls auf vielen Standorten und in vielen Situationen sehr schwer. Auf nährstoffarmen Böden hätten die Bäume kaum die Möglichkeit, genügend Nährstoffe aufzunehmen. Die Abwehr von pathogenen Erregern im Wurzelbereich wäre nur sehr eingeschränkt möglich und damit wären die Bäume viel anfälliger für Krankheiten, aber auch gegenüber Trockenheit und Frost wären sie weniger geschützt. Das zeigt, dass es fraglich ist, ob es ohne Mykorrhiza Wälder in der bekannten Form geben würde (Egli, 2011).

4. Wichtiger Informationsaustausch – das Wood Wide Web

Im Wald sind viele verschiedene Mykorrhiza-Gesellschaften zu finden. So leben meist etliche Mykorrhizapilze nebeneinander und können sich auch untereinander austauschen. Über die Pilze sind die Bäume in einem Wald miteinander verbunden. Durch diese Leitungen werden Nährstoffe, aber auch Informationen ausgetauscht. Dieser Infotausch passiert über Stoffe die ausgesendet werden und so ein Signal weitergeben. Schon 1997 konnte gezeigt werden, dass Mutterbäume ihre Schösslinge über die Mykorrhiza versorgen können (Simard et al., 1997) und dass dieser Austausch auch zwischen unterschiedlichen Baumarten stattfindet. Außerdem konnte festgestellt werden, dass dies für das Überleben bzw. die Entwicklung von jungen Bäumen elementar ist (Teste et al., 2009).

Die Bandbreite, in der Stoffe ausgetauscht werden, ist sehr groß. Im Kampf um limitierende Ressourcen werden auch Stoffe zur Wachstumshemmung anderer Individuen ausgesandt (Barto et al., 2011). Dies zeigt, dass die Partnerschaften nicht nur mutualistisch sondern auch parasitisch sein können. Manche Forscher:innen gehen soweit, dass sie die Pilz-Netzwerke mit neuronalen Netzwerke vergleichen (Simard, 2018)

  • Die Symbiose zwischen Pflanze und Pilz hat viele Vorteile für die Bäume:
  • Die Bäume sind stresstoleranter: So können sie Frost und Trockenheit besser aushalten.
  • Die Pilze verhelfen den Bäumen zu Abwehrkräften und damit sinkt die Anfälligkeit gegenüber Krankheiten
  • Schutz gegenüber Schadstoffen
  • Schwermetalle wie Blei, Nickel oder Quecksilber sind toxisch und können nicht abgebaut werden. Pilze bewirken, dass die Schwermetalle vom Baum nicht aufgenommen werden. Das heißt aber auch, dass sich diese Stoffe in den Pilzen konzentrieren und das kann eine erhöhte Schwermetallbelastung von Speisepilzen bedeuten.
  • Die Pilze regen das Pflanzen- und Wurzelwachstum an

5. Schutz der Symbiose = Waldschutz?

Die Ko-Abhängigkeit zwischen Pflanzen und Pilzen hat eine lange Geschichte: Mykorrhizen wurden in Pflanzenfossilien gefunden, die mehr als 400 Millionen Jahre alt sind (Beimforde et al., 2011). Zudem zeigt die aktuelle Forschung, wie wichtig die Pilze auch für den Kohlenstoffkreislauf sind: Es wird geschätzt, dass die Pilze jährlich das Äquivalent von 13 Milliarden Tonnen Kohlendioxid von Pflanzen aufnehmen – das entspricht 36 % der derzeitigen jährlichen Emissionen fossiler Brennstoffe (Hawkins et al., 2023).

Der Schutz der Mykorrhiza ist also für die Gesundheit unserer Wälder bedeutend.

Mit folgenden Maßnahmen können Pilze geschützt bzw. gefördert werden:

  • Je höher die Baumartenvielfalt in Wäldern ist, desto mehr unterschiedliche Mykorrhizapilze sind vorhanden.
  • In sehr dunklen, dichten Wäldern können Durchforstungen die Fruchtkörperproduktion der Pilze fördern.
  • Kahlflächen sollten unbedingt vermieden werden. Ohne Wirtsbäume sterben auch die Pilze und damit ist eine Verjüngung bzw. vitales Pflanzenwachstum auf diesen Flächen in den nächsten Jahren erschwert.
  • Die Erhaltung von Totholz im Wald hat positive Effekte auf die Pilz-Baum-Vergesellschaftung, deshalb sollte bei Nutzungen unbedingt der Schlagabraum im Wald belassen werden.
  • Von allgemeinen Bodenschutzmaßnahmen wie Verhinderung von Verdichtung profitiert auch die Mykorrhiza.

Zuletzt sei erwähnt, dass es noch weitere Forschung braucht, um die Kommunikation zwischen Baum und Pilz noch besser zu verstehen und daraus wichtige Maßnahmen zur Erhaltung der Wälder abzuleiten.

Quellenangaben und Referenzen

  • Barto EK, Hilker M, Müller F, Mohney BK, Weidenhamer JD, et al. (2011) The Fungal Fast Lane: Common Mycorrhizal Networks Extend Bioactive Zones of Allelochemicals in Soils. PLOS ONE 6(11): e27195. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0027195
  • Egli S., Brunner I. (2011) Mykorrhiza. Eine faszinierende Lebensgemeinschaft im Wald. 3. überarbeitete Aufl. Merkblatt für die Praxis 35. Birmensdorf: Eidg. Forschungsanstalt WSL. 12 S.
  • H.-J. Hawkins, RI.M. Cargill, M E. Van Nuland, S C. Hagen, K J. Field, M Sheldrake, A. Soudzilovskaia, E. T Kiers (2023). Mycorrhizal mycelium as a global carbon pool. Current Biology. https://www.cell.com/current-biology/fulltext/S0960-9822(23)00167-7
  • Beimforde, C., Schäfer, N., Dörfelt, H., Nascimbene, P.C., Singh, H., Heinrichs, J., Reitner, J., Rana, R.S. and Schmidt, A.R. (2011), Ectomycorrhizas from a Lower Eocene angiosperm forest. New Phytologist, 192: 988-996. https://doi.org/10.1111/j.1469-8137.2011.03868.x
  • Douglas Godbold und Peer Hietz (2023). Beitrag in TV-Dokumentation “Die geheimnisvolle Sprache der Bäume – Unterwegs mit den Hütern des Waldes”. https://www.3sat.de/dokumentation/…
  • Simard, S., Perry, D., Jones, M. et al. Net transfer of carbon between ectomycorrhizal tree species in the field. Nature 388, 579–582 (1997). https://doi.org/10.1038/41557
  • Simard, S. (2018) Mycorrhizal Networks Facilitate Tree Communication, Learning, and Memory. https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-3-319-75596-0_10
  • Teste, F.P., Simard, S.W., Durall, D.M., Guy, R.D., Jones, M.D. and Schoonmaker, A.L. (2009), Access to mycorrhizal networks and roots of trees: importance for seedling survival and resource transfer. Ecology, 90: 2808-2822. https://doi.org/10.1890/08-1884.1

Rückfragen

Mag.a Karin Enzenhofer
Programm für Arten und Lebensräume, WWF Österreich

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