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Wie dicht ist das Forststraßennetz in Österreich?

6. Aug 2024

Die österreichischen Wälder spielen eine wichtige Rolle für Klimaschutz und Biodiversität. Besonders wertvoll sind unerschlossene, naturnahe Wälder. Gleichzeitig ist der österreichische Wald auch als Erholungsraum, Arbeitsplatz und Ressourcenquelle bedeutend. Um die Ressourcen des Waldes zu nutzen, machen Forststraßen den Wald zugänglich – das hat jedoch zahlreiche Auswirkungen auf die Waldstruktur, Tiere, Mikroklima und Boden.

Inhalt dieses Artikels:

In einer aktuellen Studie des E.C.O. Institut für Ökologie wurde das österreichische Forststraßennetz erstmals seit der Waldinventur 1992/96 systematisch erfasst. Außerdem wurden die Auswirkungen von Forststraßen untersucht. Mit diesem Dokument sollen die wichtigsten Ergebnisse der Studie dargestellt werden.

Artikel verfasst von:


Mag.a Karin Enzenhofer
Expertin für Wald
WWF Österreich

1. Wo ist das Problem

Die Erfassung von Forststraßen – und im Umkehrschluss von unerschlossenen Wäldern – ist ein entscheidender Beitrag, um die letzten Natur- und Urwaldflächen in Österreich zu identifizieren. Diese sind laut EU-Biodiversitätsstrategie 2030 für den Erhalt der waldbezogenen Artenvielfalt dringend zu sichern und als strenge Schutzgebiete auszuweisen. Die letzte Erhebung von Forststraßen fand in Österreich im Rahmen der Waldinventur vor über 25 Jahren statt.
Bei den in der Studie analysierten Straßen handelt es sich um alle Straßen in LKW befahrbaren Gelände im Wald (Daten: OpenStreetMap), also sowohl um Forststraßen laut Forstgesetz (79%) als auch um öffentliche Straßen für klassische Verkehrszwecke (21%) – alle diese Straßenanlagen werden nachfolgend als Forststraßen bezeichnet.

2. Was ist der aktuelle Stand?

2.1. Fortschreitende Zerstückelung

Insgesamt wurden im Rahmen der Studie 218.000 Kilometer Forststraßen identifiziert. Seit der letzten Erhebung vor rund 30 Jahren ist die Forststraßendichte von 35 Laufmeter pro Hektar auf 49 Laufmeter pro Hektar, also um 40 Prozent, gestiegen. Unter der Annahme einer mittleren Forststraßenbreite von 3 Meter ergibt sich eine Fläche von 65 590 Hektar, die dauerhaft unbestockt bleibt. Inkludiert man zusätzlich die Fläche der Straßenböschungen (mit einer mittleren Breite von 5,7 Meter) beläuft sich die Fläche insgesamt auf 190 211 Hektar – das sind etwa 4 Prozent der Waldfläche. Befindet man sich an einem beliebigen Punkt im österreichischen Wald, so ist die nächste Forststraße durchschnittlich nur 130 Meter entfernt. Dabei macht es einen Unterschied, in welchem Bundesland man sich aufhält: Tirol hat mit einem durchschnittlichen Wert von 202 Meter den höchsten Abstand zur nächsten Waldstraße und Niederösterreich mit 103 Meter den geringsten. Gebiete mit einer besonders hohen Dichte an Waldstraßen sind in der Steiermark und im Nordosten Oberösterreichs zu finden (siehe Bild). Tatsächlich dürften die Werte noch höher liegen – denn eine stichprobenartige Überprüfung der Datenqualität ergab, dass durchschnittlich 18 Prozent der Forststraßen im verwendeten Datensatz nicht ausgewiesen sind.

Österreich Karte mit der eingezeichneten Dichte der Fortstraßen

2.2. Bisher verschont – Größte zusammenhängende Waldflächen

Das Forststraßennetz in Österreich ist so dicht, dass es kaum größere, nicht zerschnittene Waldflächen gibt. Die zehn größten noch zusammenhängenden Waldflächen umfassen zwischen 10 und 28 Quadratkilometer. Sieben davon befinden sich zu Teilen im Naturschutzgebiet Wildalpener Salzatal an der Grenze zwischen Niederösterreich und Steiermark – einem Naturjuwel, das bereits in der Vergangenheit als Wildnispotentialgebiet erkannt wurde1. Eine weitere Fläche findet sich ebenfalls in den nördlichen Kalkalpen im Wildnisgebiet Dürrenstein. Zwei weitere der zehn größten zusammenhängenden Waldflächen befinden sich in Ober- und Niederösterreich außerhalb von Schutzgebieten.

Generell ist die Forststraßendichte in Schutzgebieten nur geringfügig kleiner als außerhalb von Schutzgebieten. Nationalparke und Naturschutzgebiete weisen eine größere Entfernung zu Forststraßen auf, als im restlichen Wald, die Werte variieren aber stark. Die Forststraßendichte in Natura 2000 Gebieten, Biosphärenparks und Landschaftsschutzgebiete zeigt im Vergleich zu Wäldern außerhalb von Schutzgebieten kaum Unterschiede.

3. Was sind die Auswirkungen?

Direkter Verlust an Waldfläche

Durch Forststraßen und ihre Böschungen gehen in Österreich insgesamt etwa 4 Prozent der intakten Waldböden und Waldfläche verloren. Diese Fläche steht als Waldlebensraum nicht mehr zur Verfügung.

Fragmentierung

Forststraßen zerschneiden einen Lebensraum in kleinere Teil-Habitate. Dadurch werden Interaktionen unterbrochen und die Ausbreitungsmöglichkeit von Arten eingeschränkt. Vor allem für wenig mobile, spezialisierte Waldbewohner bilden Forststraßen eine kaum überwindbare Barriere.

Bodenverdichtung

Durch die Errichtung und das Befahren von Forststraßen werden Böden stark verdichtet. Die Folgen sind eine geringere Bodenfruchtbarkeit und ein geringerer Zuwachs an Vegetation.

Wasserspeicherung

Der Verlust der Vegetation und die Verdichtung des Bodens führen zu einer Beeinträchtigung des Wasserhaushalts und der natürlichen Entwässerung und können das Ausmaß und die Häufigkeit von Überschwemmungen und Muren erhöhen.

Ausbreitung von Neophyten

Forststraßen gehören zu den sogenannten anthropogenen Störzonen: sie bieten ein hohes Ansiedlungs- und Ausbreitungspotential für invasive Arten, die in einem stabilen Waldbestand nur schwer Fuß fassen können.

Mikroklima

Durch die Öffnung des Kronendachs sind Sonneneinstrahlung und Temperatur auf Forststraßen – und weit in den Wald hinein – höher als in geschlossenen Waldflächen. Gleichzeitig herrscht eine geringere Luftfeuchtigkeit. Das heißt, dass das tatsächliche Waldinnenklima, das einen Wald ausmacht, erst nach ca. 40 – bis 100 m wieder zu finden ist. Auf den Offen- und Randflächen leben andere Arten als im Wald und somit kommt es zu Änderungen der Artenzusammensetzungen.

4. Welche Lösungen gibt es?

Um die negativen Auswirkungen von Forststraßen zu verringern und große zusammenhängende Waldflächen zu schützen, braucht es:

Einen einheitlichen Rechtsrahmen

Genehmigungsverfahren sollten im Sinne des Klima- und Naturschutzes verbessert und vereinheitlicht werden, da es aktuell keine allgemeine Bewilligungspflicht für Forststraßen gibt.

Natur- und klimaverträgliche Gestaltung von Forststraßen

Die zuständige Politik muss sicherstellen, dass nur solche Forststraßen gebaut und gefördert werden, deren Notwendigkeit und Dimensionierung nachvollziehbar und begründet ist. Das erfordert Kosten-Nutzen-Rechnungen, Analysen zu Ökosystemleistungen und Nutzungskonzepte.

Verstärkte Wald-Forschung

Aktuelle Wissenslücken über die Auswirkungen von Forststraßen auf Waldökosysteme müssen im Kontext der Klimakrise und im Zusammenhang mit Naturgefahren geschlossen werden.

Quellenangaben und Referenzen

  • Kohler, B., Enzenhofer, K., Plutzar, C. & Zika, M. Wildnis in Österreich ‒ auf der Suche nach den letzten unerschlossenen, abgelegenen und naturnahen Räumen der Ostalpen. Acta ZooBot Austria 153, 1–27 (2016). https://www.zotero.org/google-docs/?u1q2WZ

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