Lückenhaftes und oberflächliches Regierungsprogramm wird Problem nicht gerecht – Neue Bodenstrategie und Raumordnungsnovelle müssen wirksame Maßnahmen gegen Flächenfraß in der Steiermark bringen
Neue WWF-Studie: Bundesländer fallen beim Artenschutz-Check durch
Die österreichischen Bundesländer tun noch immer viel zu wenig für den Artenschutz. Das zeigt das mittlerweile dritte WWF-Bundesländerbarometer zum Schutz und Management der Schlüsselarten Biber, Fischotter, Seeadler, Luchs und Wolf. Demnach fallen 31 der insgesamt 35 Bewertungen in die Kategorien “mangelhaft” oder “teilweise Umsetzung”. Gut eingestuft wird nur der Einsatz für den Seeadler. “Die fünf untersuchten Arten erfüllen Schlüsselfunktionen in unseren Ökosystemen und stehen daher beispielhaft für den Umgang mit unserer Natur. Wenigen Fortschritten stehen zahlreiche Defizite gegenüber, die insgesamt ein schlechtes Zeugnis ergeben”, sagt WWF-Artenschutzxperte Christian Pichler. Besonders kritisch sind Verordnungen, die die Tötung streng geschützter Arten und schwerwiegende Eingriffe in ihre Lebensräume ermöglichen. “Damit verstoßen Länder wie Kärnten oder Salzburg nicht nur gegen EU-Recht, sondern bieten der Bevölkerung auch keine langfristigen Lösungen bei lokalen Konfliktsituationen”, sagt Pichler.
Der WWF fordert daher die Einhaltung europäischen Naturschutzrechts und die Umsetzung eines wirksamen Maßnahmenpakets für ein besseres Artenschutz-Management: “Besonders wichtig ist ein bundesweit einheitliches und abgestimmtes Monitoring, denn aktuell fehlen oft österreichweit vergleichbare Daten”, erklärt Christian Pichler. Auch die Managementpläne und Artenschutzprogramme sowie die Präventions- und Kompensationsmaßnahmen müssten bundesweit einheitlichen Vorgaben folgen und an Best-Practice-Beispielen ausgerichtet werden. “Darüber hinaus muss Österreich endlich Betroffene besser einbinden und die Beteiligungsrechte von Umweltschutzorganisationen umsetzen. Beides ist laut Aarhus-Konvention völkerrechtlich bindend, passiert hierzulande aber kaum.” Für die Maßnahmen müssen vor allem die Landesregierungen mehr finanzielle und personelle Ressourcen zur Verfügung stellen. Zudem muss auch die künftige Bundesregierung der Bewältigung der Biodiversitätskrise höchste Priorität einräumen.
Die Bewertung der Bundesländer erfolgte auf Basis von Interviews mit Behörden-Vertreter:innen, einer umfangreichen Recherche öffentlich zugänglicher Informationen sowie mit dem Hintergrundwissen mehrerer Artenschutz-Fachleute. Demnach fehlen fast in jedem Bundesland der politische Wille und die finanziellen Mittel für regelmäßige, wissenschaftlich begleitete Bestandserhebungen, adäquate Managementpläne sowie für den vorbeugenden Schutz vor potenziellen Schäden oder Ausgleichszahlungen im Schadensfall. Auch bei der Transparenz gibt es große Defizite: Die Länder stellen wichtige Informationen entweder gar nicht oder nur unzureichend öffentlich zur Verfügung. “Die Natur ist unsere wichtigste Verbündete im Kampf gegen die Klima- und Biodiversitätskrise. Bei vielen politisch Zuständigen fehlt jedoch das Bewusstsein für die Bedeutung der Artenvielfalt“, erklärt Christian Pichler vom WWF.
Hintergrund
Laut dem Weltbiodiversitätsrat (IPBES) drohen weltweit bis zu eine Million von geschätzten acht Millionen Tier- und Pflanzenarten auszusterben, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. In Österreich sind mehr als 80 Prozent europarechtlich geschützter Arten und Lebensräume in keinem günstigen Erhaltungszustand. Die Ursachen sind vor allem menschengemacht – Übernutzung, Verschmutzung und ein hoher Flächenfraß, was den Druck auf zahlreiche Ökosysteme und ihre Leistungen für die Gesellschaft noch weiter erhöht.
Den vollständigen Bericht “Big 5 Bundesländerbarometer” sowie Grafiken und Bildmaterial finden Sie hier zum Download.
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse nach Tierarten finden Sie unter https://www.wwf.at/bundeslaenderbarometer.
Die Bundesländer-Ergebnisse im Detail:
Kärnten hat weder für den Biber, noch für Luchs, Wolf oder Fischotter einen Managementplan. Seit mehreren Jahren gefährden weitreichende Eingriffe in den Biber- und Fischotterbestand auf Basis EU-rechtswidriger Verordnungen frühere positive Entwicklungen. Tötungen von Fischottern erfolgen mit teilweise tierquälerischen Methoden. Bei Biber, Luchs und Wolf fehlen sowohl das systematische Monitoring, als auch Präventionsangebote – und damit eine tragende Säule im vorbeugenden Konfliktmanagement. Stattdessen setzt Kärnten auch bei Wölfen auf EU-rechtswidrige Abschüsse per Verordnung.
In Salzburg gibt es weder aktuelle Informationen zum Bestand des Bibers, noch einen adäquaten Managementplan oder ein langfristiges Artenschutzprogramm. Dasselbe gilt für den Fischotter, bei dem zusätzlich eine Verordnung die Tötung zahlreicher Tiere ermöglicht. Im Umgang mit dem Wolf wird im Schadensfall gut kompensiert und Herdenschutzmaßnahmen werden gefördert. Ein systematisches Monitoring fehlt jedoch und die bundesweiten Empfehlungen für das Wolfsmanagement setzt das Land kaum um. Außerdem gilt auch beim Wolf eine Tötungs-Verordnung.
In Tirol mangelt es für den Biber an einem adäquaten Managementplan und an Kompensationsmaßnahmen für den Schadensfall. Zum Thema Fischotter gibt es eine Ansprechperson in der Behörde, es fehlt aber ein entsprechender Managementplan. Teilweise verbessert haben sich das Luchs– und Wolfs-Management. Kompensationszahlungen im Schadensfall sowie Datenaufbereitung, Information und Kommunikation werden gut umgesetzt. So bietet etwa die Land Tirol App aktuelle Sicht- und Schadensmeldungen. Zum Herdenschutz gibt es drei mehrjährige, wissenschaftlich begleitete Projekte. Allerdings gilt in Tirol eine Tötungs-Verordnung, die sowohl den Abschuss von Wölfen, als auch von Luchsen ermöglicht. Außerdem setzt das Land die bundesweiten Empfehlungen für das Wolfsmanagement nur unzureichend um.
Die Steiermark hat seit der letzten Erhebung mit der “Biberstrategie” einen Managementplan für den Biber geschaffen. Positiv sind auch die angebotenen Präventionsmaßnahmen für Biber und Fischotter, wobei Kompensationsangebote nicht vorgesehen sind. Damit fehlt eine wichtige Maßnahme zur Konfliktminderung bei diesen Arten. Sowohl beim Fischotter als auch beim Wolf sind Tötungs-Verordnungen in Kraft. Beim Luchs fehlt nach wie vor ein Managementplan, beim Wolf ein systematisches Monitoring der Verbreitung und Bestandsentwicklung. Dafür stehen im Schadensfall Gutachter:innen zur Verfügung, die bei der Abwicklung unterstützen. Ein gutes Management attestiert der WWF Österreich der Steiermark im Umgang mit dem Seeadler.
In Oberösterreich erlaubt eine aktuell gültige Verordnung für Fischotter über mehrere Jahre die Tötung zahlreicher Tiere. Sie gilt auch an Fließgewässern, obwohl landeseigene Studien gezeigt haben, dass die Tötungen dort keine positive Wirkung auf die Fischbestände haben. Ein Managementplan für Fischotter ist zwar vorhanden, wird mit dieser Herangehensweise aber weitgehend ignoriert. Beim Wolf gilt ebenfalls eine Tötungs-Verordnung. Als positiv bewertet der WWF, dass das Land die Empfehlungen des Bundes zu Management und Kompensationsmaßnahmen übernimmt. Für Kompensationen stehen finanzielle Mittel und Online-Anträge zur Verfügung. Der Luchs ist in Oberösterreich regional erneut vom Aussterben bedroht, das Fehlen eines Managementplans ist hier mangelhaft beurteilt. Die Partizipation und Kommunikation zum Luchs setzt Oberösterreich hingegen gut um. Auch die vorhandenen Präventionsmaßnahmen im Umgang mit dem Biber wertet der WWF positiv – ebenso wie das Seeadler-Management.
In Niederösterreich bewertet der WWF die Kompensationen im Schadensfall bei Luchs und Wolf positiv. Bei beiden fehlt allerdings ein systematisches Monitoring, beim Luchs gibt es darüber hinaus keinen Managementplan. Beim Biber bietet das Land inzwischen zwar finanzielle Mittel für Präventionsmaßnahmen an, wie zum Beispiel die Gitterung von Bäumen, allerdings gibt es nach wie vor keine Kompensationsangebote im Schadensfall. Bei drei Arten gelten Tötungs-Verordnungen – derzeit bei Wolf, Biber und Fischotter. Im Fall des Bibers ist die erste Verordnung Gegenstand eines EU-Vertragsverletzungsverfahrens. Besonders problematisch sind die Tötungen für die Fischotter-Population. Wie eine aktuelle Erhebung zeigt, sinkt die Zahl der Individuen in Teilen Niederösterreichs – ein Umstand, den die aktuell gültige Verordnung nicht berücksichtigt.
Dem Burgenland attestiert der WWF lediglich im Umgang mit Seeadlern ein gutes Management. Beim Biber setzt das Land zwar Partizipation und Kommunikation gut um, verfügt jedoch weder über Kompensationsmaßnahmen im Schadensfall noch über einen adäquaten Managementplan. Dasselbe Bild zeigt sich beim Fischotter, für den außerdem keine aktuellen Verbreitungszahlen verfügbar sind. Allerdings unterstützt das Burgenland Präventionsmaßnahmen für die Teichwirtschaft besser als andere Bundesländer. Beim Wolf fehlen derartige Präventionsangebote noch.
Für Vorarlberg bewertete der WWF die Situation bei Biber, Luchs und Wolf. Während für Biber und Luchs aktuelle Karten der Reviere vorliegen, mangelt es beim Wolf an einem systematischen Monitoring, da seine Bestandszahlen derzeit nur anlassbezogen erhoben werden. Kompensationsmaßnahmen im Schadensfall bietet Vorarlberg nur für Luchs und Wolf an. Es gibt nach wie vor keine adäquaten Managementpläne für Biber und Luchs. Seit diesem Jahr gilt eine Verordnung zum Abschuss von Wölfen.
In Wien bewertete der WWF das Management von Biber und Fischotter. Positiv ist, dass das Land beide Wildtiere als Teil der Natur wahrnimmt und die Kommunikation auch entsprechend gestaltet. Für den Biber werden Präventionsmaßnahmen durchgeführt. Kompensationen waren bisher nicht nötig, da trotz landesweiter Verbreitung des Bibers bis dato keine Schäden an die Behörde gemeldet wurden. Zum Fischotter gibt es keine eigene Ansprechperson, Managementpläne für Fischotter und Biber fehlen gänzlich.
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