Naturzerstörung, Wilderei und Klimakrise gefährden zahlreiche Tierarten – WWF zieht Bilanz und fordert Naturschutz-Offensive von der Politik – Artenschutz-Projekte geben Hoffnung
Neue WWF-Studie: Weltweit sind mehr als 500 Staudämme innerhalb von Schutzgebieten geplant
Forscher*innen warnen vor Beschleunigung des Artensterbens durch Flussverbauungswelle – In Österreich ist fast jedes dritte neue Wasserkraft-Projekt in einem Schutzgebiet geplant
Wien, 3. August 2020. Laut einer neuen, im Fachjournal Conservation Letters veröffentlichten Studie sind aktuell weltweit 509 Staudämme in Schutzgebieten geplant oder bereits im Bau. Gleichzeitig gibt es mindestens 1.249 schon bestehende Groß-Staudämme innerhalb von Schutzgebieten. Die Naturschutzorganisation WWF, die federführend an der Studie beteiligt war, warnt vor einer weiteren Beschleunigung des Artensterbens durch den Bauboom in geschützten Fluss-Ökosystemen. Denn in vielen Fällen haben derartige Dammbauten zur Folge, dass die betroffenen Schutzgebiete verkleinert, aufgeweicht oder sogar aufgelassen werden. „Bei den politischen Verantwortlichen sollten alle Alarmglocken läuten. Schutzgebiete sind essentiell für den dauerhaften Erhalt der biologischen Vielfalt. Durch schlechtes Gebietsmanagement und kurzsichtige Baugenehmigungen verlieren wir einzigartige Naturjuwele“, warnt Gerhard Egger, Gewässerschutzexperte vom WWF Österreich, und verweist dabei auch auf heimische Konfliktprojekte. „Von rund hundert öffentlich bekannten neuen Kraftwerken, die aktuell in Österreich geplant sind, liegt fast jedes Dritte innerhalb eines Schutzgebiets. Die Politik muss auch hierzulande den dauerhaften Erhalt der letzten intakten Fließgewässer und Schutzgebiete auf allen Ebenen ernst nehmen, anstatt die weitere Verbauung mit finanziellen Anreizen auch noch zu befeuern“, sagt WWF-Experte Egger.
Aktuelle Beispiele sind etwa die Kraftwerks-Pläne innerhalb von Natura-2000-Gebieten, wie das Kraftwerk Rosenburg am Kamp in Niederösterreich, das Kraftwerk Schwarze Sulm in der Steiermark. An den Zubringerflüssen der Isel sind gleich sechs Kraftwerke geplant, eines davon direkt am geschützten Hauptfluss. Für das Kraftwerk Kühtai wird aktuell in einem streng geschützten Landschaftsraum gebaut, wofür das Land Tirol eigens das Landesnaturschutzgesetz abgeändert und aufgeweicht hat.
Hinzu kommt, dass viele der in Österreich geplanten Wasserkraftanlagen klein sind und kaum zur Energiewende beitragen. Dennoch würde etwa das Kraftwerk Schwarze Sulm nach aktuellen Fördersystem mehrere Millionen Euro an Ökostromförderung bekommen, trotz dauerhafter Belastung eines Europaschutzgebiets. „Die im Regierungsprogramm als Ziel verankerte Naturverträglichkeit der Energiewende muss sich auch im Fördersystem abbilden. Daher dürfen in Zukunft nur noch jene Projekte subventioniert werden, die keine Schutzgebiete beeinträchtigen und nicht zur Verschlechterung unserer Flüsse beitragen“, so Gerhard Egger. „Wozu gibt es schließlich Schutzbestimmungen, wenn dort umweltschädliche Kraftwerke gebaut und zusätzlich auch noch subventioniert werden?“
Seit Jahren warnen Forscherinnen und Forscher vor dem drastischen Artenschwund in Süßwasser-Lebensräumen. Die Populationen von Süßwasser-Wirbeltieren (Säugetiere, Feuchtgebietsvögel, Reptilien, Amphibien und Fische) sind seit 1970 um 83 Prozent zurückgegangen, die Bestände von Europas Wanderfischen sogar um 93 Prozent eingebrochen. Hauptverantwortlich dafür ist der hohe Grad an Flussverbauung, etwa durch Wasserkraftwerke. Der WWF fordert angesichts des alarmierenden Zustands der Artenvielfalt in unseren Flüssen eine naturverträgliche Energiewende, die neben einem ambitionierten Energiesparplan, den Ausbau von Wind- und Sonnenenergie in den Mittelpunkt stellt.
An der Studie „Dams and Protected Areas: Quantifying the spatial and temporal extent of global dam construction within protected areas“ waren mehrere Forschungsinstitute weltweit beteiligt. Hauptautorin ist Michele Thieme, leitende Süßwasserwissenschaftlerin beim WWF-US. Aus Österreich beteiligt war Klement Tockner vom FWF – Wissenschaftsfonds. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verwendeten die World Database on Protected Areas, globale Staudammdaten von Global Dam Watch und Daten des PADDDTracker zur Ermittlung der Zahlen.
Rückfragehinweis:
Vincent Sufiyan
Pressesprecher WWF Österreich
Tel.: 0676 834 88 308
E-Mail: vincent.sufiyan@wwf.at
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