Gemeinsam mit über 100 heimischen Unternehmen fordern WWF und GLOBAL 2000 verlässliche politische Rahmenbedingungen: “Planbarer Klimaschutz ist kluge Wirtschaftspolitik”
Österreich im Artenschutz-Check: Bundesländer tun zu wenig für streng geschützte Tierarten
Die Naturschutzorganisation WWF Österreich unterzieht die Bundesländer einem Artenschutz-Check. Analysiert werden die Entwicklungen im Schutz und Management von fünf streng geschützten Tierarten, die Schlüsselfunktionen in heimischen Ökosystemen erfüllen: Biber, Fischotter, Seeadler, Luchs und Wolf. “Der Umgang mit diesen wichtigen Tierarten zeichnet ein düsteres Bild vom generellen Umgang mit unserer Natur. Wenigen Verbesserungen stehen zahlreiche, nicht rechtskonforme Maßnahmen gegenüber. Strafzahlungen in Millionenhöhe drohen. Das Geld wäre besser in den Schutz unserer Lebensgrundlagen investiert”, sagt WWF-Expertin Christina Wolf-Petre. So gibt es bereits in mehreren Bundesländern Verordnungen, die streng auszulegende Ausnahmen vom Schutz zur Regel machen. Damit wird gegen europäische Bestimmungen verstoßen. Zudem sind es untaugliche Mittel zur Konfliktlösung. Die Europäische Kommission hat erste Schritte bezüglich der EU-rechtswidrigen Verordnungen eingeleitet. Der WWF fordert die Einhaltung europäischen Naturschutzrechts und die Umsetzung eines Fünf-Punkte-Plans für ein besseres Artenschutz-Management in Österreich.
Die Naturschutzorganisation bewertet die Bundesländer im vierstufigen Ampelsystem auf Basis von Umfragen bei Behörden, ergänzt durch eigene Recherchen und anhand wissenschaftlicher Studien. In allen Bundesländern gibt es erhebliche Defizite. 31 der insgesamt 35 Bewertungen zum Management der untersuchten Arten fallen in die Kategorie schlechte, mangelhafte oder teilweise Umsetzung. Fast überall fehlen politischer Wille und ausreichend Geld für regelmäßige, wissenschaftlich begleitete Bestandserhebungen, Managementpläne sowie vorbeugenden Schutz vor potentiellen Schäden. Wichtige Informationen werden entweder gar nicht oder nur unzureichend der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt. “In Zeiten des rasanten, weltweiten Artensterbens fehlt es am nötigen Bewusstsein bei vielen politisch Zuständigen. Wir müssen unser Naturerbe besser schützen, damit sich ehemals ausgerottete Wildtiere wieder erholen und zur Stärkung unserer Ökosysteme beitragen können. Die Basis dafür schaffen gute europäische Naturschutz-Richtlinien, die Österreich leider unzureichend umsetzt“, analysiert Biologin Wolf-Petre vom WWF. Vorausschauendes Management ist auch Grundvoraussetzung für das konfliktarme Zusammenleben von Mensch und Wildtieren.
Fünf-Punkte-Plan für besseren Artenschutz in Österreich
Im Einklang mit europäischen Richtlinien und internationalen Abkommen leitet der WWF aus dem Bundesländer-Barometer fünf zentrale Forderungen an die politisch Verantwortlichen in Bund und Ländern ab.
1. Monitoring verbessern und national abstimmen. Aktuelle und bundesweit vergleichbare Informationen über die Verbreitung und Bestandsentwicklung der relevanten Arten sind essentiell, fehlen aber oft. Man kann nur managen, was man auch misst.
2. Managementpläne und Artenschutzprogramme österreichweit vereinheitlichen und an Best-Practice-Beispielen ausrichten: EU-Vorgaben müssen erfüllt und rechtswidrige Tötungsverordnungen zurückgenommen werden. Wildtiere kennen keine Grenzen, daher muss auch ihr Management bundesländerübergreifend passieren.
3. Präventions- und Kompensationsmaßnahmen österreichweit vereinheitlichen und unbürokratisch gestalten. Dies erleichtert den Interessenausgleich zwischen Naturschutz und Landnutzung. Gerade beim Schutz von Arten, die durch ihr natürliches Verhalten manchmal in Konkurrenz zu menschlichen Interessen stehen, braucht es einen Brückenschlag zwischen allen Betroffenen.
4. Beteiligungspflichten gerecht werden. Verpflichtungen zur Einbindung von Betroffenen sowie Beteiligungsrechte von Umweltschutzorganisationen sind zwar laut Aarhus-Konvention völkerrechtlich bindend, werden aber in Österreich nicht ausreichend umgesetzt. Diese Versäumnisse müssen behoben werden.
5. Natura 2000 Schutzgebietsnetzwerk verbessern. Gefährdete Arten brauchen mehr Lebensräume und Rückzugsgebiete. Daher muss auch das Schutzgebietsnetzwerk Natura 2000 ausgebaut und dessen Management deutlich verbessert werden.
Hintergrund
Laut dem Weltbiodiversitätsrat (IPBES) drohen weltweit bis zu eine Million von geschätzten acht Millionen Tier- und Pflanzenarten auszusterben, wenn keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Der „Living Planet Report“ des WWF spricht vom “größten Artensterben seit dem Ende der Dinosaurier”: Seit 1970 sind die untersuchten Wildtierpopulation weltweit im Schnitt um 68 Prozent eingebrochen. Die Europäische Umweltagentur stellt Österreich ein schlechtes Zeugnis aus: Rund 80 Prozent der bewerteten Arten und Lebensräume in Österreich sind in keinem “guten Zustand”. Die Ursachen sind vor allem menschengemacht – Flächenfraß, Übernutzung und Verschmutzung.
Download WWF-Bericht “Bundesländer Barometer Artenschutz”: https://www.wwf.at/bundeslaenderbarometer
Die Bundesländer-Ergebnisse im Detail:
Für Vorarlberg wurde das Management von Biber, Luchs und Wolf bewertet. Es gibt nach wie vor keine adäquaten Managementpläne für den Biber und den Luchs. Bei Luchs und Wolf mangelt es an einem systematischen Monitoring. Erhebungen werden derzeit oft nur anlassbezogen bei Rissmeldungen durchgeführt. Kompensationsmaßnahmen im Schadensfall werden hingegen angeboten. Ebenso wurden die bundesweiten Empfehlungen für das Wolfsmanagement bisher umgesetzt, auch wenn Herdenschutz noch stärker forciert werden muss.
In Tirol mangelt es für den Biber an einem adäquaten Managementplan. Es werden auch keine Kompensationsmaßnahmen für den Schadensfall angeboten. Für den Fischotter hat Tirol die Verbreitung der Art kürzlich erhoben, es fehlt aber ebenso ein Managementplan. Teilweise verbessert hat sich das Luchs– und Wolfs-Management. Kompensationszahlungen im Schadensfall sowie Datenaufbereitung, Information und Kommunikation werden gut umgesetzt. So bietet etwa die Land Tirol App aktuelle Sicht- und Schadensmeldungen. Auch Herdenschutz wird zunehmend forciert. Die bundesweiten Empfehlungen für das Wolfsmanagement werden jedoch nur mangelhaft umgesetzt. Zudem hat die Europäische Kommission erste Schritte bezüglich EU-rechtswidriger Verordnungen eingeleitet.
In Salzburg wird zwar die Verbreitung des Bibers regelmäßig erhoben. An einem adäquaten Managementplan und langfristigen Artenschutzprogramm fehlt es aber. Das gilt auch für den Fischotter, dessen Verbreitung zumindest gut erhoben wird. Eine rechtswidrige Verordnung zur Tötung der streng geschützten Tiere wurde zurückgezogen. Negativ sticht hervor, dass es in Salzburg keine Luchs-Nachweise mehr gab – das zeigt, dass der heimische Bestand der Art derzeit auf kritische Weise stagniert. Im Umgang mit dem Wolf hat Salzburg die Vorreiterrolle unter den Bundesländern eingebüßt. Zwar wird im Schadensfall gut kompensiert und auch Herdenschutzmaßnahmen werden gefördert. Ein systematisches Monitoring fehlt jedoch. Erhebungen werden momentan nur bei Rissmeldungen durchgeführt. Auch die bundesweiten Empfehlungen für das Wolfsmanagement sind nur mangelhaft umgesetzt. Die Wolf-Tötungsverordnung wird auch von der Europäischen Kommission kritisiert. Sie hat erste Schritte diesbezüglich eingeleitet.
Kärnten ist das Schlusslicht im heimischen Artenschutz. Zwar gibt es für den Biber auch in keinem anderen österreichischen Bundesland einen adäquaten Managementplan. In Kärnten gilt das aber ebenso für Luchs, Wolf und Fischotter. Seit mehreren Jahren gefährden weitreichende Eingriffe in den Biber- und Fischotterbestand bisherige positive Entwicklungen. Tötungen erfolgen ohne Rücksicht auf die Biologie der Tiereund mit nicht weidgerechten und sogar tierquälerischen Methoden. Bei Luchs und Wolf fehlt ein systematisches Monitoring. Neben rechtswidrigen Abschussbestrebungen per Verordnung auch bei Wölfen sind vor allem gänzlich fehlende Präventionsangebote problematisch. Denn Unterstützungen für Herdenschutzmaßnahmen sind eine tragende Säule im vorbeugenden Konfliktmanagement. Kärnten verweigert diese, im Gegensatz zu anderen Bundesländern, konsequent und auf fahrlässige Weise. Aufgrund der EU-rechtswidrigen Kärntner Verordnung und fehlender Umsetzung von Herdenschutzmaßnahmen hat die Europäische Kommission erste Schritte eingeleitet.
In der Steiermark mangelt es für den Biber an einem adäquaten Managementplan und langfristigen Artenschutzprogramm. Positiv ist die Aufstockung der Fördermittel für Präventionsmaßnahmen. Auch für den Fischotter werden Präventionsmaßnahmen an Teichen angeboten. Wie auch beim Biber sind Kompensationen jedoch im Schadensfall durch den Fischotter nicht vorgesehen. Damit fehlt eine wichtige Maßnahme zur Konfliktminderung bei diesen Arten. Beim Luchs fehlt nach wie vor ein Managementplan und ausreichendes Wissen über die Verbreitung der Art durch ein angemessenes Monitoring. Auch für den Wolf fehlt ein systematisches Monitoring der Verbreitung und Bestandsentwicklung. Erhebungen werden derzeit vor allem anlassbezogen bei Meldungen von Nutztierrissen durchgeführt. Trotz guter Kompensationsmaßnahmen im Schadensfall ist das vollständige Fehlen von Präventionsangeboten problematisch. Herdenschutz sollte daher stärker als bisher forciert werden. Ein gutes Management attestiert der WWF Österreich der Steiermark im Umgang mit dem Seeadler.
In Oberösterreich sorgt aktuell eine umstrittene Tötungsverordnung für den streng geschützten Fischotter für Kritik. Obwohl das Landesverwaltungsgericht zwei beeinspruchte Entnahmebescheide gekippt hat, nimmt das Land damit einen neuen Anlauf, um europäisches Artenschutzrecht auszuhebeln. Der WWF prüft derzeit rechtliche Schritte gegen die Verordnung. Dabei verfügt Oberösterreich über einen tragfähigen Managementplan für Otter, dem allerdings mit Beschluss der Verordnung nicht Rechnung getragen wird. Im Umgang mit dem Biber wurden Präventionsmaßnahmen positiv bewertet. Es fehlt aber an einem adäquaten Managementplan und national akkordierten Schutzprogramm. Beim Wolf wurden die bundesweiten Empfehlungen zum Management und Kompensationsmaßnahmen übernommen. Sehr problematisch werden jedoch fehlende Präventionsangebote bewertet. Denn Unterstützungen für Herdenschutzmaßnahmen sind eine tragende Säule im vorbeugenden Konfliktmanagement. Der Luchs ist in der Region erneut vom Aussterben bedroht. Hinsichtlich Partizipation und Kommunikation zu den großen Wildkatzen wird Oberösterreich aber eine gute Umsetzung attestiert. Ein vorbehaltlos gutes Management sieht der WWF lediglich beim Seeadler.
Niederösterreich attestiert der WWF lediglich im Umgang mit Seeadlern ein gutes Management. Besonders schlecht schneidet das Bundesland hingegen im Management des Bibers ab. Trotz weitreichender und mehrjähriger Entnahmen gibt es keine aktuellen Zahlen zum Bestand der Tiere, keine Kompensationsangebote im Schadensfall und auch die Prävention wird nur “mangelhaft” umgesetzt. Es fehlt ein adäquater Managementplan. Zudem ist eine Verordnung zur Tötung der Biber Gegenstand eines von der Europäischen Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens. Für den Fischotter existiert zwar ein Managementplan, dieser wird aber nur unzureichend umgesetzt. Besonders problematisch sind hier ebenfalls weitreichende, mittels Verordnung erlaubte Tötungen, auch weil es seit 2018 keine Erhebungen zur Bestandsentwicklung mehr gab. Sowohl beim Luchs als auch beim Wolf fehlt ein systematisches Monitoring. Erhebungen werden derzeit nur bei Rissmeldungen durchgeführt. Beim Luchs fehlt darüber hinaus ein Managementplan. Positiv bewertet der WWF die Kompensationen im Schadensfall.
Dem Burgenland attestiert der WWF lediglich im Umgang mit Seeadlern ein gutes Management. Für den Biber mangelt es an einem adäquaten Managementplan. Partizipation und Kommunikation werden zwar gut umgesetzt, jedoch gibt es keine Kompensationsmaßnahmen im Schadensfall. All das fehlt auch beim Fischotter. Präventionsmaßnahmen für die Teichwirtschaft werden aber besser als in anderen Bundesländern unterstützt. Beim Wolf wurden die bundesweiten Empfehlungen in Form des Managementplans zwar übernommen. Problematisch sind hingegen die vollkommen fehlenden Präventionsangebote, die eine wesentliche Säule in der Konfliktvorbeugung darstellen. Eine systematische Bestandserhebung fehlt ebenso. Daten werden derzeit nur anlassbezogen bei Rissmeldungen erhoben.
In Wien wurde lediglich das Management von Biber und Fischotter bewertet. Beim Biber wurde das Management als mangelhaft eingestuft. Es gibt weder einen aktuellen Wissenstand über die Verbreitung und den Bestand der Art noch adäquate Managementpläne. Im Umgang mit Fischottern schneidet Wien von allen bewerteten Bundesländern am schlechtesten ab. Das systematische Monitoring und ein Managementplan fehlen, Interessensgruppen werden nur mangelhaft eingebunden und informiert. Positiv zu erwähnen ist, dass Biber und Fischotter als Teil der Natur wahrgenommen werden und so auch kommuniziert wird.
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