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Österreich verliert entscheidendes Match in EU-Naturschutzliga
Wien, am 13. 6. 2007 – Die Verurteilung der Republik Österreich durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen mangelhafter Umsetzung der Naturschutz–Richtlinien der Europäischen Union zeigt, dass niemand wirklich Verantwortung für den Erhalt unseres Naturerbes übernehmen will. „Ein Jahr vor der Fußball-EM steht es bereits 14:0 gegen Österreich“, veranschaulicht Ulrike Petschacher vom WWF die Anzahl der Klagsgründe des EuGH gegen die Republik. „Anstelle einer einheitlichen klaren Linie für das ganze Land verstellen 27 Gesetze und 27 Verordnungen die Sicht aufs Tor.“
Die Klagen des EuGH beziehen sich allesamt auf Gesetzesstellen in den Naturschutz- und Jagdgesetzen der Bundesländer. Trotz zweier Ermahnungen der Europäischen Kommission in den Jahren 2000 und 2003 wurden die Mängel nicht grundlegend behoben. Es scheint, dass hier nach Schlupflöchern und Hintertüren gesucht wird, statt an zukunftsweisenden Konzepten zu arbeiten.
Auch die Bundespolitik bekennt sich bisher nicht klar zur Rechtskultur der Europäischen Union. „Der WWF fordert Josef Pröll auf, sich als Lebensminister endlich seiner Verantwortung für den Erhalt der heimischen Naturschätze zu stellen“, appelliert Petschacher. Da die Länder ihre Gesetze bisher nicht angepasst haben, liegt der Ball nun beim Minister: Durch das Urteil des EuGH am 10. Mai 2007 hat der Bund die Kompetenz und auch die Verpflichtung, direkt in die Ländergesetze einzugreifen und sie auf EU-Niveau zu heben.
Bundesrahmengesetz als Ausweg aus dem Kompetenzdschungel
Die Leidtragenden der unklaren rechtlichen Situation in Sachen Natura 2000 sind nicht nur die wertvollen Arten und Lebensräume unserer Heimat, die viel besser geschützt werden könnten. Auch engagierten Naturnutzern wird oft der Weg zu innovativen Projekten erschwert, weil ihnen EU-Fördermittel nur nach Zeit- und Energie raubenden Prozessen zugänglich sind. In den Regionen bleiben positive Impulse für die Bevölkerung, die Wirtschaft und den Ökotourismus auf der Strecke. Der WWF fordert klare Bundesrahmenkompetenzen im europäischen Naturschutz.
Natura 2000 als Strategie mit Nebeneffekten
„Das Potential von Natura 2000 als europarechtlich bindendes Instrument ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft“, erklärt Naturschutz-Professor Georg Grabherr. „Es könnte dem Naturschutz definitiv Muskeln verleihen!“ Der Natura 2000-Experte der ersten Stunde berät als einziger Österreicher offiziell das wissenschaftliche Habitatskomitee der Europäischen Kommission. „Landespolitiker fühlen sich durch die europäischen Rechtsvorschriften eingeengt, statt die Möglichkeiten – vor allem auch finanzieller Art – zu nutzen, die damit verbunden sind“, so Grabherr. Viele Maßnahmen, die heute etwa in Naturparks oder Naturschutzgebieten umgesetzt werden, wären ohne die gründliche wissenschaftliche Basisarbeit, die im Rahmen der europäischen Naturschutzgesetzgebung geleistet wurde, gar nicht möglich.
Schlechte Rechtskultur in Österreich blockiert Natura 2000
„Weil viele Bundesländer seit zwölf Jahren mit der korrekten Umsetzung der EU-Gesetze im Verzug sind, vergeben sie laufend Chancen für ein fruchtvolles Miteinander von Naturschutz und Regionalentwicklung“, ist auch der Umweltjurist Volker Mauerhofer überzeugt. Außerdem zeugt dies von einer schlechten Rechtskultur – man ist als EU-Mitglied schließlich verpflichtet, die Richtlinien ordnungsgemäß und vollständig in die Landesgesetzgebung umzusetzen.
Seit 10. Mai 2007 liegt die gesetzliche Zuständigkeit ganz klar beim Bund. Trotzdem sind seither weder das Parlament noch ein Ministerium aktiv geworden. Statt dessen beruft sich Umweltminister Pröll auf fehlende rechtliche Handhabe. Auch manche Länder sind noch säumig: Sie haben Mängel nicht korrigiert, die sie bereits lange vor der Verurteilung zugegeben haben. „Der politische Wille zur Umsetzung von Natura 2000 ist in Österreich zur Zeit von keiner der beiden Seiten spürbar“, stellt Mauerhofer fest.
Weitere Verurteilungen stehen unmittelbar bevor
„Die Verurteilung Österreichs nach der FFH-Richtlinie hat den Reigen der Verurteilungen erst eröffnet“, warnt Gerald Pfiffinger, Geschäftsführer von BirdLife. In wenigen Wochen wird der Europäische Gerichtshof bezüglich der Umsetzung der Vogelschutzrichtlinie entscheiden. Auch bei der Nachnominierung von Gebieten hat Österreich noch Nachholbedarf.
Der WWF plant, seine bisher erstellten Umsetzungsstudien aus 2001 und 2003 zu aktualisieren. Dabei wird nochmals genau unter die Lupe genommen, ob die Länder ihr Vorhaben, einige bemängelte Gesetzesstellen zu reparieren, tatsächlich erfüllt haben. Um Natura 2000 zur bestmöglichen Umsetzung zu verhelfen, stellt er auch diese Studie wieder der Europäischen Kommission zur Verfügung.
Hintergrundinformationen zur Verurteilung durch den EuGH mit Beispielen aus der Naturschutzpraxis sind auf www.wwf.at/presse abrufbar.
Weitere Informationen:
Claudia Mohl, WWF Pressesprecherin, Tel. 01/48817-250
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