Lückenhaftes und oberflächliches Regierungsprogramm wird Problem nicht gerecht – Neue Bodenstrategie und Raumordnungsnovelle müssen wirksame Maßnahmen gegen Flächenfraß in der Steiermark bringen
Widerstand gegen Mur-Kraftwerke wächst
Graz, am 29. Oktober 2009 – Die Kraftwerksgegner gegen den Bau der Mur-Staustufen Gössendorf und Kalsdorf kämpfen derzeit an zwei Fronten: Einerseits gegen Zwangsenteignungen durch die UVP-Behörde 13A in Vertretung des Landeshauptmannes, und andererseits direkt vor Ort im Rahmen von Protestveranstaltungen gegen die bereits laufenden Bauarbeiten. „Das Vorhaben wäre laut Bescheid des Umweltsenats vom Dezember 2008 nur dann möglich, wenn alle Grundstücke zur Verfügung stehen“, sind sich die Au-Schützer einig. Der Umgang mit Anrainern, die ihre Grundstücke nicht zur Verfügung stellen wollen, nimmt mittlerweile unvorstellbare Ausmaße an.
Adolf Egger, betroffener Unternehmer und Landwirt, klagt: „Meine Flächen im Ausmaß von über 40.000 Quadratmetern wären vom Einstau massiv betroffen: Der gesamte südliche Teil würde überflutet werden. Mein Waldbestand wiederum würde durch das Absinken des Grundwasserspiegels um bis zu eineinhalb Meter erheblichen Schaden nehmen.“ Beides bestätigte ein von Egger beauftragter Sachverständiger in seinem Gutachten. „Was mir im Ausgleich als Entgelt oder in Form von Tauschoptionen angeboten wurde, wiegt bei weitem nicht diesen Eingriff in mein Eigentum auf“, ist Egger empört. „Ich werde das so nicht zur Kenntnis nehmen!“
Neben Adolf Egger hat auch Notburga Hutter Berufung gegen den Enteignungsbescheid eingebracht. Seit mehreren Jahren ist der Naturschutzbund Steiermark außergrundbücherlicher Eigentümer ihres 1.514 Quadratmeter-Areals an der Mur. „Frau Hutter wurde in Telefonanrufen und bei einem unangekündigten Besuch des Juristen der Energiegesellschaft gedrängt, ihre Unterschrift zu leisten“, so Markus Ehrenpaar vom Naturschutzbund. „Als ich erklärte, dass ich dazu gar nicht befugt bin, wurde ich persönlich beleidigt und mit der Einlieferung in die Landesnervenklinik bedroht“, so Hutter. Die Vorfälle wurden vom Anwalt Hutters bereits bei der zuständigen Staatsanwaltschaft schriftlich eingebracht.
„Schluss mit der Geheimniskrämerei – die Projektwerberin soll ihr Rechtsgutachten endlich auf den Tisch legen!“ fordern Naturschutzbund Steiermark und WWF. Ansonsten müsste davon ausgegangen werden, dass die Bautätigkeit bei der Kalsdorfer Brücke und die großräumigen Rodungen der Auwaldbäume an vier Kilometern Murufer derzeit legal noch nicht umgesetzt werden könnten. Darauf machen die Au-Schützer heute auch im Rahmen von Protestaktionen in den Murauen aufmerksam.
Der WWF hat in seinem jüngst präsentierten Ökomasterplan, in dem die 53 größten Flüsse Österreichs in Bezug auf ihre Schutzwürdigkeit analysiert wurden, festgestellt, dass gerade die freie Fließstrecke der Mur zwischen Graz und Werndorf höchst erhaltenswert ist und nicht durch weitere Wasserkraftwerke zerstört werden darf. „Diese Flussstrecke ist nicht nur für die Artenvielfalt enorm wichtig, sondern birgt auch großes Potential für den ökologischen Hochwasserschutz und als Erholungsraum für die Grazerinnen und Grazer“ erklärt Christoph Walder, Flussexperte des WWF Österreich.
„Die beiden Laufkraftwerke Gössendorf und Kalsdorf würden die Mur im betroffenen Abschnitt in einen langsam dahin tümpelnden trüben See verwandeln, der dem Huchen und vielen weiteren bedrohten Arten wie Fischotter oder Eisvogel den Lebensraum nimmt“, erklärt Walder. Der zu erwartende Verlust an Biodiversität beträgt allein in der Fließstrecke 90 Prozent. “Soviel zur Mär vom sauberen Strom aus Wasserkraft“, wirft Walder vom WWF ein. “Wir dürfen unsere allerletzten Flusslandschaften doch nicht mit derselben Fortschrittseuphorie zubetonieren wie noch in den 1950er Jahren!”
„Was wir durch Gössendorf und Kalsdorf gewinnen würden, deckt nicht einmal den jährlichen Stromverbrauchszuwachs der Steiermark ab“, gibt auch Markus Ehrenpaar, Geschäftsführer des Naturschutzbundes Steiermark, zu bedenken. „Dafür die letzten freien Fließstrecken der Mur unwiederbringlich kaputt zu machen, und ein Landschaftsschutzgebiet zu opfern, tritt das Naturschutzgewissen Österreichs mit Füßen!“ Zudem ist die Wasserkraft nicht wintertauglich und treibt uns weiter in die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern. Gerade in Zeiten des höchsten Bedarfes liefern die Murkraftwerke nur ein Drittel bis gar keinen Beitrag zur Stromversorgung. „Sie müssen sich also zu jedem Wasserkraftwerk einen Schlot dazu denken“, erinnert Ehrenpaar.
Die Naturschützer plädieren dafür, die für die Errichtung der Murkraftwerke vorgesehene Investitionssumme für Maßnahmen aufzuwenden, die eine nachhaltige und ökologisch verträgliche Energieversorgung garantieren. Bevor neue Wasserkraftwerke geplant werden, sollte die mit Abstand größte und billigste Energiequelle – Effizienz und Einsparung – ausgeschöpft werden, statt die letzten natürlichen und naturnahen Flüsse zu zerstören.
Rückfragehinweis:
Claudia Mohl, WWF Pressesprecherin, Tel. 48817 250
Clemens Könczöl, Plattform Lebendige Flüsse, Tel. 0664/135 46 72
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