Naturzerstörung, Wilderei und Klimakrise gefährden zahlreiche Tierarten – WWF zieht Bilanz und fordert Naturschutz-Offensive von der Politik – Artenschutz-Projekte geben Hoffnung
WWF Living Planet Report 2018: Menschlicher Raubbau an der Natur beschleunigt das Artensterben
Lebensräume schwinden, immer mehr Arten sterben aus. Der menschliche Raubbau an der Natur belastet unseren Planeten stärker als je zuvor. Diese alarmierenden Trends zeigt der von der Natur- und Umweltschutzorganisation WWF erstellte Living Planet Report, der unsere Erde alle zwei Jahre einem Gesundheits-Check unterzieht. „Das Artensterben ist nicht auf einzelne Brennpunkte beschränkt, sondern findet auf allen Erdteilen statt. Wir erleben einen beispiellosen Niedergang der Natur“, sagt Georg Scattolin, Experte für internationalen Artenschutz beim WWF Österreich. „Das Zeitfenster für Gegenmaßnahmen schließt sich bereits. Die Welt braucht einen globalen Naturschutzpakt, um die Trendwende zu schaffen“, fordert Scattolin ein völkerrechtlich verbindliches Abkommen wie es mit dem Klimaschutzabkommen von Paris gelungen ist.
Kernstück der WWF-Studie ist der Living Planet Index (LPI), der Populationsdaten von Wirbeltierarten ermittelt und die durchschnittlichen Bestandsveränderungen darstellt. Demnach reduzierten sich die weltweit untersuchten Bestände seit 1970 durchschnittlich um 60 Prozent. „Ähnlich einem globalen Börsenindex ist unser Bericht ein wichtiger Gradmesser für den ökologischen Zustand der Erde. Der LPI basiert auf wissenschaftlichen Daten zu mehr als 16.700 untersuchten Populationen von über 4.000 Wirbeltierarten weltweit: Säugetiere, Vögel, Fische, Amphibien und Reptilien“, sagt Scattolin, der die Bedeutung einer intakten Natur hervorhebt. „Naturschutz ist kein Luxusthema, sondern sichert unsere Lebensgrundlagen. Die biologische Vielfalt ist unsere beste Versicherung gegen die negativen Einflüsse der Naturzerstörung, sei es als Puffer gegen die Folgen der Klimakrise oder als Grundlage für Gesundheit, Wohlstand, Ernährung und Sicherheit der Menschheit.“
„Die größten Gefahren für unseren Planeten und uns selbst sind direkt mit dem menschlichen Raubbau an der Natur verbunden. Die Übernutzung der natürlichen Ressourcen führt zur Zerstörung und zum Verlust von Lebensräumen“, so WWF-Experte Scattolin, der zwei markante Beispiele aus dem Living Planet Report 2018 nennt: „Innerhalb von 50 Jahren nahm der für ein stabiles Klima wichtige Amazonasregenwald in seinem Ausmaß um 20 Prozent ab. Bei den Flachwasserkorallen gibt es schätzungsweise einen Verlust von 50 Prozent während der vergangenen 30 Jahre.“
Dramatische Zahlen für Österreich
Um den weltweit etablierten Living-Planet-Index auch für Aussagen zur Situation und den Entwicklungen von Wirbeltierbeständen in Österreich zu nutzen, hat der WWF gemeinsam mit der Universität für Bodenkultur (BOKU) dazu erstmals eine eigene Analyse erstellt. „Die Ergebnisse auf Basis der derzeit verfügbaren und geeigneten Daten passen sehr gut in das Bild anderer Untersuchungen. Es braucht weit mehr Anstrengungen zum Erhalt unserer Artenvielfalt, sowohl im Bereich der Grundlagenforschung als auch bei der Umsetzung“, sagt Univ. Prof. Klaus Hackländer, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des WWF Österreich.
Der LPI für Österreich basiert auf rund 880 Datensätzen aus den neun Bundesländern für alle Wirbeltierklassen (im Zeitraum von 1986 bis 2015). „Die Analyse zeigt, dass die untersuchten Wirbeltierbestände in Österreich in einem schlechten Zustand sind. Im untersuchten Zeitraum kam es zu einem Rückgang von im Schnitt 70 Prozent. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Living-Planet-Index auf globaler Ebene bereits von 1970 bis 1986 eine weltweite Abnahme der Bestände um 30 Prozent anzeigt, erscheint die aktuelle Situation in einem noch dramatischeren Licht“, warnt Arno Aschauer, Experte für nationalen Artenschutz beim WWF Österreich.
WWF fordert mehr Naturschutzgebiete und Stopp umweltschädlicher Subventionen
Die aktuellen Ergebnisse für Österreich zeigen konkrete politische Versäumnisse beim Erhalt der biologischen Vielfalt. Die EU-rechtlich erforderlichen Anpassungen waren bei weitem nicht ausreichend, um Naturzerstörung und Artensterben zu stoppen: „Die Daten sind höchst alarmierend. Österreich braucht mehr denn je einen konkreten politischen Aktionsplan für mehr Arten- und Naturschutz“, sagt Aschauer und fordert ein rasches Maßnahmenpaket von Umweltministerin Elisabeth Köstinger und den zuständigen Landesräten: „Unsere Natur braucht mehr Rückzugsräume und Schutzgebiete, die ihren Namen auch verdienen. Umweltschädliche Subventionen müssen auf allen Ebenen gestoppt werden. Parallel dazu braucht es mehr Forschung und Monitoring, um negative Trends überhaupt erkennen zu können“, so Aschauer.
Obwohl seit 1995 EU-Mitglied und mit entsprechenden Verpflichtungen behaftet, werden lediglich 18 Prozent der europarechtlich geschützten Arten und nur 44 Prozent der europarechtlich geschützten Lebensräume (gemäß FFH-Richtlinie) in einem österreichweit einheitlichen Monitoring untersucht – dementsprechend oft fehlen Schutzmaßnahmen. „Es braucht ein völliges Umdenken. Bund und Länder müssen Österreichs internationale Verpflichtungen nicht nur einhalten und engagierter umsetzen, sondern sie sogar übertreffen. Ansonsten wird das laufende Artensterben nicht zu stoppen sein. Es ist schon fünf nach zwölf“, warnt Aschauer vor weiterem politischen Stillstand.
Weitere Informationen sowie den gesamten Living Planet Report finden Sie hier zum Download:
www.wwf.at/living-planet-report-2018
Rückfragehinweis:
Theresa Gral, MA, Pressesprecherin WWF, Tel. 01/488 17-216 oder 0676/83 488 216, E-Mail: theresa.gral@wwf.at
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