WWF Österreich: Bundesregierung will kritische Großprojekte durchboxen und Umweltschutz strategisch schwächen

4. Oktober 2018 | Presse-Aussendung

Wien, am 4. Oktober 2018. Anlässlich des heutigen Umweltausschusses warnt der WWF Österreich vor deutlichen Verschlechterungen im Umweltrecht und neuen Schikanen für Umweltschützer. „Das groß angekündigte ‚Umweltpaket’ ist in Wahrheit ein Etikettenschwindel, weil die wenigen Verbesserungen nur Widersprüche zu EU-Recht beseitigen. Überall sonst will die Bundesregierung den Umweltschutz strategisch schwächen und dreht dafür an vielen […]

Wien, am 4. Oktober 2018. Anlässlich des heutigen Umweltausschusses warnt der WWF Österreich vor deutlichen Verschlechterungen im Umweltrecht und neuen Schikanen für Umweltschützer. „Das groß angekündigte ‚Umweltpaket’ ist in Wahrheit ein Etikettenschwindel, weil die wenigen Verbesserungen nur Widersprüche zu EU-Recht beseitigen. Überall sonst will die Bundesregierung den Umweltschutz strategisch schwächen und dreht dafür an vielen kleinen Schrauben gleichzeitig“, sagt Hanna Simons vom WWF Österreich. Um potenziell umweltschädliche Großprojekte möglichst ohne lästige Auflagen durchzuboxen, werden Umweltanliegen im Verfahren geschwächt, Begutachtungsfristen gekürzt und bürokratische Hürden für anerkannte Umweltschutzorganisationen erfunden, wie eine WWF-Analyse zeigt. „Wesentliche Teile der Novelle sind eine Auftragsarbeit für Wirtschafts- und Industrielobbys. Das ist gerade mit Blick auf die vielen ökologischen Krisen und die internationalen Nachhaltigkeitsverpflichtungen Österreichs ein fahrlässiger Kurs“, kritisiert Simons.

„Standortanwalt“ soll Umweltanliegen kleinreden

Um Großprojekte zu bevorteilen, nimmt die Bundesregierung auch mehr Bürokratie in Kauf. Dafür soll der geplante „Standortanwalt“ in Zukunft die Umweltanliegen kleinreden, obwohl er als zusätzliche Partei nur mehr Bürokratie in die UVP bringt. Erstens kommt es zu unnötigen Wiederholungen, weil die Argumente von „Standortanwalt“ und Projektwerbenden ident sein werden. Zweitens werden jene Interessen, die für ein Vorhaben sprechen, ohnehin von den Projektwerbenden vertreten, die im Regelfall über große Ressourcen verfügen und deren rechtliche Stellung gut abgesichert ist. „Im Gegensatz dazu sind die Interessen von Umwelt und Natur nur allgemein definiert und müssen daher gesondert vertreten werden, um einen fairen Ausgleich aller Interessen zu erreichen. Das ist jetzt gefährdet, gerade auch mit Blick auf die rechtswidrige Genehmigungs-Automatik im Entwurf des Standort-Entwicklungsgesetzes“, betont Simons.

Neue Schikane für Umweltschützer erhöht Verwaltungsaufwand
Mehr Bürokratie erzeugt auch eine neue Verwaltungshürde für bereits anerkannte Umweltorganisationen, die sich an der UVP beteiligen dürfen. Die jetzt geplante zusätzliche Überprüfung alle drei Jahre ist eine sinnlose Schikane, die keinen inhaltlichen Mehrwert bringt, dafür aber entgegen den Versprechungen des Regierungsprogramms bei allen Beteiligten mehr Bürokratie schafft. Schon jetzt hätte die Bundesministerin jederzeit die Möglichkeit, Unterlagen anzufordern, wenn es ein Problem geben würde. „Kritischen Stimmen soll es offensichtlich auf allen Ebenen schwerer gemacht werden. Die neue Schikane zeugt von einer misstrauischen Grundhaltung gegenüber Umweltorganisationen“, sagt WWF-Vertreterin Hanna Simons. Dazu passt auch die Kürzung öffentlicher Auflagefristen für Projekte. Aufgrund des Umfangs der Unterlagen werden damit Verfahrensrechte eingeschränkt. „Wenn neue begründete Umweltprobleme auftauchen, müssen diese vernünftig bewertet werden können. Ansonsten können genau jene Projekte leichter durchgeboxt werden, die entweder aus guten Gründen an gesetzlichen Kriterien gescheitert oder nur mit hohen Umweltauflagen genehmigt worden wären“, sagt Simons.

Die meisten Verfahren werden relativ rasch entschieden
Ein Blick auf die Fakten im neuen UVP-Bericht verdeutlicht die falschen Schwerpunkte des Pakets: Denn vom Zeitpunkt der öffentlichen Auflage – also sobald der Projektwerber alle Unterlagen komplett vorgelegt hat – bis zum Bescheid der UVP-Behörde liegt die Verfahrensdauer im Mittel bei nur sieben Monaten, ab dem ursprünglichen Genehmigungsantrag bei 13,3 Monaten im langjährigen Vergleich. „Umweltprüfungen sind abseits weniger Ausreißer weit schneller als ihr Ruf. Die größten Bremsen können die Projektbetreiber selbst lockern, indem sie von Beginn an bessere Dokumente vorlegen“, sagt Simons. Erstens braucht es daher mehr Qualität bei den oft fehlerhaften und unvollständigen Projekteinreichungen, die schon vor der Öffentlichkeitsbeteiligung für jahrelange Verzögerungen sorgen. Zweitens benötigen die Behörden mehr Ressourcen, etwa bei Amtssachverständigen. Drittens ist eine Föderalismusreform überfällig, die für eine einheitliche Vollziehung sorgt und Behörden besser kooperieren lässt. Viertens braucht es eine klar naturverträgliche Energiewende, damit Klimaschutz nicht für umweltschädliche Megaprojekte missbraucht wird. Fünftens müssen Politik und Verwaltung enger mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, um Konflikte schon im Vorfeld zu entschärfen, etwa durch „Strategische Umweltprüfungen“ am Runden Tisch.

Aarhus-Konvention wird nur lückenhaft umgesetzt

Die im Paket enthaltene Umsetzung der vor über 20 Jahren unterzeichneten Aarhus-Konvention ist grundsätzlich positiv, kommt jedoch nur aufgrund eines EU-Vertragsverletzungsverfahrens sowie mehrerer Höchstgerichts-Urteile zustande. Damit sollten anerkannte Umweltschutzorganisationen endlich jene Umweltrechte erhalten wie sie in anderen EU-Ländern längst Standard sind. Allerdings hat die Umweltministerin nur eine lückenhafte Schmalspur-Umsetzung erarbeitet, die Sinn und Zweck der Aarhus-Konvention nur unzureichend erfüllt. Viel besser wäre ein eigenes Gesetz zur NGO-Beteiligung, das nach dem Vorbild Deutschlands für alle Umweltbereiche gilt und eine einheitliche Rechtsprechung ermöglicht. „Wer Genehmigungsabläufe wirklich beschleunigen will, muss dafür auch mehr Akzeptanz schaffen. Schade, dass hier ein großer Wurf verpasst wurde“, sagt Hanna Simons zum Aarhus-Beteiligungsgesetz.

Wasserressourcen werden länger ausgebeutet
Versteckt im „Umweltpaket“ ist auch eine massive Verlängerung der Bewilligungszeit für Wasserentnahmen für Bewässerungszwecke von zwölf auf bis zu 25 Jahre. „Das geht genau in die falsche Richtung. Gerade in Zeiten, in denen Trockenperioden immer häufiger werden, braucht es kürzere Genehmigungsfristen, um unsere Gewässer und das Grundwasser vor Schäden durch zu hohe Entnahmen zu schützen“, kritisiert WWF-Expertin Bettina Urbanek. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass es sehr aufwändig bis unmöglich ist, in bestehende Genehmigungen einzugreifen. „Anstatt ein völlig überschießenden Verdoppelung der Genehmigungsfrist braucht es konkrete Maßnahmen, damit die landwirtschaftliche Bewirtschaftung langfristig klimafitter wird“, so Urbanek.


Rückfragehinweis:

Gerhard Auer
Pressesprecher
+43 676 83488 231
gerhard.auer@wwf.at

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