Naturschutzorganisation fordert ambitioniertes Handeln statt Retro-Kurs: Bodenversiegelung eindämmen, Naturerbe schützen, Klimaschutz-Chancen nutzen
WWF: Umweltministerin warnt vor künstlicher Wasserzufuhr in den Neusiedler See
Naturschutzorganisation begrüßt klare Absage von Umweltministerin Gewessler und fordert Einstellung der Landes-Pläne: Künstliche Wasserzufuhr in Neusiedler See wäre ökologische Katastrophe
Wien, Eisenstadt, am 1. November 2020. Die Naturschutzorganisation WWF Österreich unterstützt die klare Absage von Umweltministerin Leonore Gewessler an die künstliche Wasserzuleitung in den Neusiedler See und fordert die burgenländische Landesregierung zur Aufgabe ihrer Pläne auf. „Die Ökologie des Sees würde durch eine künstliche Wasserzufuhr derart massiv geschädigt, dass sogar der weitere Fortbestand dieses einzigartigen Naturjuwels gefährdet wäre. Das muss unbedingt verhindert werden“, sagt WWF-Experte Bernhard Kohler. In einer parlamentarischen Anfragebeantwortung warnt die Umweltministerin vor den "schwerwiegenden Folgen für das gesamte Ökosystem“ und der möglichen "Aberkennung des Nationalparkstatus“. Die geplanten Eingriffe würden „die an die Bedingungen eines Steppensees angepassten Arten und Lebensgemeinschaften und damit hochrangige Schutzgüter der EU-Naturschutzrichtlinien und des Nationalparks gefährden“, schreibt Gewessler auf Anfrage von NEOS-Umweltsprecher Michael Bernhard.
Durch die Zuleitung von kalkreichem Donauwasser würde es zu einer massiven Veränderung des Chemismus im See kommen. Dies hätte sowohl kurzfristig, als auch langfristig katastrophale Folgen. „Durch den veränderten Salzhaushalt würde der See seine charakteristische Trübe verlieren. Kurzfristig würde dies zu einer Explosion des Algenwachstums führen, was sowohl für den Badetourismus, als auch für den Bootsverkehr abträglich wäre. Noch schwerwiegender wären die langfristigen Folgen einer künstlichen Wasserzufuhr. Durch den verringerten Salzgehalt und durch das Ausbleiben von Trockenphasen würde es zu einer beschleunigten Verlandung kommen, denn der Schlamm, der sich bei dauernder Wasserführung am Seeboden ansammelt, wird nur abgebaut, wenn der See vorübergehend trockenfallen kann“, sagt WWF-Experte Bernhard Kohler.
Mit dem Verlust des Salzes ginge auch die besondere Fauna und Flora verloren, die für den See typisch ist und die der Grund für alle Naturschutzbemühungen und den hohen naturtouristischen Stellenwert der Region ist. Zudem gibt es Anzeichen dafür, dass sich der charakteristische Schilfgürtel bei ständiger und gleichmäßig hoher Wasserführung auflösen würde. Damit ginge dem See die wichtige Klärfunktion des Röhrichts verloren, die maßgeblich zur Reinhaltung des Sees beiträgt. „Wir sind zu Recht stolz auf unseren europaweit einzigartigen Steppensee und dürfen ihn nicht zu einer algenüberwucherten, schlammigen Badewanne machen“, sagt Bernhard Kohler vom WWF Österreich.
Die Umweltschutzorganisation schlägt mehrere Alternativen zur künstlichen Zuleitung vor: “Wir müssen in Hochwasserphasen möglichst viel Wasser zurückhalten, damit der See in Dürreperioden länger aushält. Durch den Verzicht auf die rasche Ableitung von Hochwässern verhindern wir auch die Aussüßung des Sees. Denn jedes Mal, wenn das Wehr am Einserkanal geöffnet wird, rinnen unvorstellbar große Salzmengen zur Donau davon, die unwiederbringlich verloren sind. Anstatt Wasser je nach Bedarf zu und abzuleiten, sollten ehemalige Überschwemmungsräume im Seevorgelände reaktiviert werden, während die Seebäder und Seezufahrten hochwassersicher gemacht werden“, fordert der WWF-Experte.
Natürliche Widerstandsfähigkeit sichern
Niedrigwasserphasen und gelegentlich sogar Austrocknungs-Ereignisse müssen zugelassen werden, weil dies für das Überleben des Sees entscheidend ist. „Das Beste, was wir für den See tun können, ist seinen Charakter als Steppengewässer zu sichern. Dazu gehören ausgeprägte natürliche Schwankungen des Wasserstandes, weitgehende Abflusslosigkeit, erhöhter Salzgehalt und starke Trübe“, sagt Bernhard Kohler vom WWF Österreich. „Dank dieser Eigenschaften hat der Neusiedler See 13.000 Jahre lang überlebt. Wir sollten ihm diese Widerstandsfähigkeit weiterhin ermöglichen, anstatt folgenschwere Wasserspiele zu veranstalten.“
In seiner Geschichte ist der See im Schnitt ein bis zwei Mal pro Jahrhundert ausgetrocknet, hat sich aber immer wieder gefüllt. Aufgrund der Klimakrise werden Austrocknungsereignisse möglicherweise häufiger, aber auf Trockenperioden werden auch künftig Hochwässer folgen, weil es nicht nur zu einem Temperaturanstieg kommt, sondern auch zu vermehrten Starkregen-Ereignissen.
Rückfragehinweis:
Mag. Volker Hollenstein
Leiter Politik und Kommunikation WWF Österreich
volker.hollenstein@wwf.at
+43 664 501 31 58
Rückfragen
News
Aktuelle Beiträge
Artenschutz-Bilanz: WWF kürt “Gewinner und Verlierer des Tierreichs 2024”
Naturzerstörung, Wilderei und Klimakrise gefährden zahlreiche Tierarten – WWF zieht Bilanz und fordert Naturschutz-Offensive von der Politik – Artenschutz-Projekte geben Hoffnung
WWF-Erfolge: Zahlreiche Tiger-Meilensteine aus 2024
Was für ein Jahr: Die Tiger kehren nach Kasachstan zurück, in Thailand steigen die Tiger-Zahlen und in Malaysia konnten aktive Schlingfallen um 98% verringert werden. Wir zeigen ein paar der Tigerschutz-Erfolge aus dem Jahr 2024.
Neue steirische Landesregierung: WWF kritisiert schwache Bodenschutz-Pläne
Lückenhaftes und oberflächliches Regierungsprogramm wird Problem nicht gerecht – Neue Bodenstrategie und Raumordnungsnovelle müssen wirksame Maßnahmen gegen Flächenfraß in der Steiermark bringen
WWF fordert zügige Umsetzung des nationalen Klimaplans
Künftige Bundesregierung in der Pflicht – WWF fordert Abbau umweltschädlicher Subventionen sowie Energiespar- und Naturschutz-Programme, um Klimaziele zu erreichen
Nachhaltiges Weihnachtsfest: WWF fordert Paket gegen Lebensmittel-Verschwendung
Lebensmittel-Verschwendung während der Feiertage vermeiden: WWF gibt Tipps und fordert künftige Bundesregierung zum Handeln auf
WWF-Report: Über 230 neue Arten in der Mekong-Region entdeckt
234 Funde entlang des Mekong: “Game of Thrones”-Eidechse, stachelloser Vampir-Igel, Krokodil-Molch – Region leidet unter Verschmutzung und Verbauung – WWF fordert besseren Schutz für “Schatzkiste der Artenvielfalt”
Steiermark: WWF fordert deutliche Kurskorrektur beim Bodenverbrauch
WWF-Analyse zeigt ungebrochen hohen Bodenverbrauch – Umweltschutzorganisation fordert umfassende Reform der Raumordnung von künftiger Landesregierung
Silvester: WWF fordert Verkaufsverbot von Böllern und Raketen
Feuerwerkskörper schaden Mensch, Tier und Umwelt – Verwendungsverbot für Personen ohne Pyrotechnikausweis und Verbot von Raketen und Böllern gefordert