Naturschutzorganisation fordert ambitioniertes Handeln statt Retro-Kurs: Bodenversiegelung eindämmen, Naturerbe schützen, Klimaschutz-Chancen nutzen
WWF und ÖKOBÜRO bringen EU-Beschwerde gegen Österreichs Naturschutzpraxis ein
Presseaussendung WWF und ÖKOBÜRO
Innsbruck, Wien, 3. September 2015 – Heute haben der WWF Österreich und ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung, eine offizielle Beschwerde bei der EU-Kommission in Brüssel gegen die Republik Österreich eingebracht. Sie kritisieren, dass in der Novelle zum Tiroler Naturschutzgesetz 2014 in einem offensichtlichen Fall von Anlassgesetzgebung, der Vogel- und Artenschutz in von der TIWAG beanspruchten Gebieten beschnitten werden. Dies widerspricht dem Europarecht. In zwei weiteren Fällen hat die Kommission bereits gegen Österreich wegen zu weitreichenden Umwelteingriffen für Wasserkraftwerke Beschwerde erhoben, wie etwa bei den Kraftwerken Schwarze Sulm oder Ferschnitz an der Ybbs. Thomas Alge, Umweltjurist und Geschäftsführer von ÖKOBÜRO, erklärt: „Wir gehen davon aus, dass die EU-Kommission deshalb ein Verfahren gegen Österreich einleiten wird. Wenn die Gesetze nicht geändert werden, führt das letztlich zu einer Klage beim Europäischen Gerichtshof. Schließlich kann es auch zu Strafzahlungen gegen Österreich kommen.“
Während derzeit im Forum Alpbach einheimische und internationale Granden aus Politik und Wirtschaft über eine nachhaltige Zukunft Europas diskutieren, werden die Weichen für den Schutz der Österreichischen Natur in eine gänzlich andere Richtung gestellt. „Unser Land ist drauf und dran, wertvolle Naturschätze um die uns die halbe Welt beneidet, für kurzfristige Wirtschaftsabenteuer zu opfern“, warnt Christoph Walder vom WWF. Landschaftliche Juwele wie der Lech, die Schwemm, das Karwendel und ehemals vom Aussterben bedrohte Arten wie Steinadler, Steinbock, Tamariske und unzählige Vogel-, Libellen- und Schmetterlingsarten – sie alle gäbe es ohne den wirksamen Natur- und Umweltschutz der letzten Jahrzehnte längst nicht mehr in der heutigen Pracht. Das Überleben von Arten wie Steinadler, Murmeltier und Alpenschneehuhn steht nun erneut auf der Kippe, wenn für die TIWAG-Kraftwerke unberührte Hochtäler unter Staumauern und rauschende Flüsse in Rohrleitungen verschwinden sollen.
Passt die Kraftwerke an die Gesetze an und nicht umgekehrt!
2014 hat die Tiroler Landesregierung ausgerechnet unter der Federführung der Grünen Landesrätin Ingrid Felipe eine höchst umstrittene Novellierung des Tiroler Naturschutzgesetzes durchgeboxt, das vor allem der TIWAG die Errichtung der großen Speicherkraftwerke Kühtai und Kaunertal erleichtern soll. In streng geschützten Ruhegebieten gelegen, wären die notwendigen Hubschrauberflüge und die jahrelange Lärmbelastung gesetzlich nicht möglich gewesen. „Statt die Kraftwerke an das Gesetz anzupassen und so umzuplanen, dass sie der Vogelwelt möglichst wenig schaden, hat man auf typisch Österreichisch einfach das Gesetz an die TIWAG-Vorhaben angepasst“, schüttelt Walder den Kopf.
Unter Zuhilfenahme von Ausnahmeparagrafen im Namen der Energiewende, erhofft sich die Landesregierung augenscheinlich, das in sensiblen Gebieten geltende Verschlechterungsverbot für die Natur zu umschiffen. „Damit wird man nicht durchkommen, denn das geht nicht mit dem EU-Recht zusammen“, ist Walder vom WWF sicher. „Die EU-Richtlinien gelten für alle, und sind in jedem Fall umzusetzen. Man kann ja auch nicht einfach die Straßenverkehrsordnung außer Kraft setzen, nur weil man seinen neuen Porsche ausführen will.“
In Sachen Ybbs- und Sulmkraftwerke laufen seit 2013 bzw. 2014 bereits Beschwerdeverfahren der EU-Kommission, wegen der rechtswidrigen Verfahren der Niederösterreichischen und steirischen Behörden. „Niemand hat etwas gegen den vernünftigen Ausbau der Wasserkraft, aber die Politik darf nicht einfach Rechtsstandards und Normen außer Kraft setzen, um ökologisch unverträgliche Projekte irgendwie doch genehmigen zu können“, stellt Walder klar.
WWF und ÖKOBÜRO – Allianz der Umweltbewegung haben in den letzten zwölf Monaten intensiv versucht, die Tiroler Landesregierung von der Rechtswidrigkeit des Gesetzes zu überzeugen und zu erwirken, dass die unhaltbaren Passagen wieder korrigiert und das EU-Recht sowie die Alpenkonvention in den Verfahren richtig angewandt werden. Weil kein Umdenken zu erkennen war, sah man sich gezwungen, die EU-Kommission über diese Rechtsverstöße zu informieren.
Rückfragehinweis:
Claudia Mohl, WWF Pressesprecherin, Tel. 01/488 17-250, E-Mail: claudia.mohl@wwf.at
Thomas Alge, Geschäftsführer ÖKOBÜRO, Tel.: 0699 102-95-159 E-Mail: thomas.alge@oekobuero.at
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