Geplanter Ausstieg aus fossilen Energieträgern muss mit klaren Fristen geregelt sein – Mehr Geld für ärmere Länder und stärkere Rolle für Naturschutz gefordert
Zukunftsfähig Wirtschaften: Neue Wege für das Klima
Wir leben in einer Zeit extremer, von Menschen verursachten Veränderungen auf unserem Planeten. Großflächige Brände wüten im Amazonas und der Arktis, Tier- und Pflanzenbestände nehmen drastisch ab und Wetterextreme beherrschen unseren Alltag. Beispiele wie diese nehmen rapide zu und zeigen: Unser Handeln bringt die Erde an ihre natürlichen Belastungsgrenzen und gefährdet unsere Zukunft.
Das stellt sowohl die Gesellschaft als auch die Wirtschaft vor große Herausforderungen. Gleichzeitig eröffnet uns dies auch die Möglichkeit, einen positiven Wandel und einen zielgerichteten Umbau unseres Wirtschaftssystems voranzutreiben. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse, erhöhtes Bewusstsein in der Zivilgesellschaft und immer wirkungsvollere Innovationen bieten eine kraftvolle Dynamik, welche wir gemeinsam in neue ganzheitliche Lösungen stecken können. Denn eine intakte Natur und eine lebenswerte Umwelt bilden die Grundlage unseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. Gemeinsam können und müssen wir daran arbeiten, diese zu erhalten.
Integriert ein Unternehmen dieses Bewusstsein umfassend in die Bereiche ihres Kerngeschäfts, sind auch klare wirtschaftliche Vorteile damit verbunden. Mit Hilfe einer ganzheitlichen Zielsetzung, effizienter Betriebsprozesse zur Reduktion des Umwelt-Impacts und der Steigerung der Nachhaltigkeits-Performance werden langfristig Kosten reduziert, Innovationen vorangetrieben und die Profitabilität gesteigert. Ökologische und gesellschaftliche Risiken für den Betrieb werden minimiert und das Vertrauen von Stakeholdern sowie Investoren erhöht.
Ein guter Weg, um die komplexen Herausforderungen leichter zu meistern, die sich einem Unternehmen im Laufe eines solchen Umstellungsprozesses in Richtung Nachhaltigkeit stellen, ist der Austausch mit anderen. Grund dafür sind komplexe Umweltrisiken und sozioökonomische Zusammenhänge, die ein kollektives Handeln erfordern. Aus diesem Grund gründete der WWF 2007 das Unternehmensnetzwerk WWF CLIMATE GROUP. Zusammen haben die PartnerInnen die Möglichkeit, rund 100.000 MitarbeiterInnen und 13 Millionen Kontakte als MultiplikatorInnen für ein klimabewusstes Handeln zu gewinnen. Durch konkrete Initiativen des Netzwerks sollen klimafreundliches Denken und Handeln Selbstverständlichkeit in der Wirtschaft, der Gesellschaft und der Politik werden.
Was das in der Praxis bedeutet, zeigen die folgenden zehn Punkte. Sie dienen als Orientierungshilfe und fassen zusammen, wie ein Unternehmen den Weg in eine nachhaltige Zukunft einschlagen kann – praxisnah untermauert durch aktuelle Beispiele der WWF CLIMATE GROUP Mitglieder:
1. Wesentliche Umweltauswirkungen des Unternehmens und dessen Exposition gegenüber Umweltrisiken verstehen.
Im Global Risks Report des Weltwirtschaftsforums gehören Wasserknappheit, Klimakrise, Verlust der biologischen Vielfalt und Zusammenbruch der Ökosysteme zu den dringlichsten Umweltrisiken, denen alle Branchen ausgesetzt sind. Ein guter Ausgangspunkt für die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie ist der Einsatz von Instrumenten wie dem Natural Capital Protocol zur Bewertung von Umweltrisiken und -abhängigkeiten und zur Verbesserung des Managements der Wertschöpfungskette.
Auch die Mitglieder der WWF CLIMATE GROUP investieren in diesen Bereich. So adressieren beispielsweise die ÖBB in ihrer umfangreichen Nachhaltigkeitsstrategie relevante Umweltrisiken. Auch im Finanzbereich berücksichtigen Banken wie die BKS Bank Umweltauswirkungen und –risiken bei der Kreditvergabe. Oder die VBV – Vorsorgekasse AG, die als Nachhaltigkeits-Pionier in ihrer Branche das Thema bereits bei der Gründung als zentralen Teil in die Unternehmensstrategie aufgenommen hat. 2015 unterzeichnete die VBV den Montréal Carbon Pledge und hat sich damit als erster institutioneller Investor im deutschsprachigen Raum verpflichtet, den „CO2-Wert“ seiner Veranlagung zu messen, zu veröffentlichen und laufend zu optimieren.
2. Ziele setzen und Fortschritt messen.
Um den Fortschritt der Nachhaltigkeitsstrategie zu bewerten und voranzutreiben, muss ein Unternehmen nicht bei null beginnen. Eine Vielzahl an Standards bietet eine solide Basis, um Risiken abzuschätzen, eine Versorgungssicherheit zu gewährleisten und dabei Umweltziele nachhaltig zu etablieren.
So gibt es beispielsweise streng geprüfte Standards rund um Soja oder Holz für ein nachhaltigeres Ressourcenmanagement. Im Kampf gegen die Klimakatastrophe bietet die Science Based Target Initiative Unternehmen eine wissenschaftliche fundierte Methode zum Setzen von CO2-Zielen. Dieser Multi-Stakeholder-Ansatz steht im Einklang mit dem 1,5°C-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens und erlaubt Unternehmen eine klare Positionierung als Klimaschutz-Vorreiter.
Auch die WWF CLIMATE GROUP hat sich dazu verpflichtet, gemeinsam den Weg für die Umsetzung dieses internationalen Standards zu gehen. So hat es sich zum Beispiel IKEA weltweit zum Ziel gesetzt, mit Hilfe der Science Based Target Methode bis 2030 klimapositiv zu wirtschaften. Auch Mondi arbeitet bereits intensiv an der Umsetzung ihres Science Based Targets und investiert damit schon jetzt in die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb eines zukunftsfähigen Wirtschaftssystems.
3. Zusammenarbeit und Austausch fördern.
Der Austausch von wichtigen Informationen in Netzwerken ist ein zentraler Hebel, um Effizienz und Innovation zu steigern und die Markttransformation zu beschleunigen.
Als langjähriges Mitglied der WWF CLIMATE GROUP ist der Mutterkonzern der Allianz Österreich international darum bemüht transparente Nachhaltigkeitsstandards innerhalb der Branche zu etablieren. So entstand beispielsweise im Rahmen der PSI Initiative der UN ein Branchen-Guide für die Integration von ESG-Kriterien im Versicherungsgeschäft.
Des Weiteren können langfristige Partnerschaften wesentlich zum Unternehmenserfolg beitragen, wie beispielsweise bei der Print the Change Community von gugler. Durch CoCreation, CoOperation und CoLaboration erleichtern sie es Druckunternehmen, ihre Produktion umzustellen und Cradle to Cradle-zertifizierte Druckprodukte anzubieten – ein gewaltiger Wettbewerbsvorteil ohne langwierigen und kostspieligen Forschungs- und Zertifizierungsaufwand, dafür mit einem hohen gesellschaftlichen Mehrwert.
Ochsner nutzt kreativ Kommunikationskanäle innerhalb seines Netzwerks, um seine Stakeholder auf die Gefahren der Klimakrise hinzuweisen und Handlungsmöglichkeiten für Wirtschaft und Gesellschaft aktiv voranzutreiben. Zusätzlich hat das Unternehmen eine Nachhaltigkeitsvereinbarung für LieferantInnen aufgesetzt, deren Punkte mit allen besprochen und anschließend unterzeichnet werden.
4. Volle Transparenz schaffen.
Um etwas nachhaltig zu verändern, muss man im ersten Schritt klar verstehen, womit man es zu tun hat. Das macht Transparenz zum Schlüsselfaktor einer nachhaltigen Markttransformation. Auch mit Außenwirkung: die Veröffentlichung aktueller Nachhaltigkeitsinformationen schafft Verständnis und motiviert unterschiedliche UnterstützerInnen, den Weg mitzugehen.
So erarbeitet aktuell beispielsweise das WWF CLIMATE GROUP Mitglied BKS Bank transparente Kriterien für eine nachhaltige Kreditvergaberichtlinie. Gemeinsam mit dem WWF werden Prinzipien bzw. Regelwerke zur Umsetzung definiert. So wird die Anpassung des Kreditvergabeportfolios unterstützt und vorangetrieben.
Auf Transparenz setzt auch die Allianz – bereits seit Ende 2014: Als erstes Versicherungsunternehmen in Österreich hat sich die Allianz in einer Vereinbarung mit dem WWF Österreich zu konkreten, messbaren Nachhaltigkeitszielen für das Portfolio verpflichtet und ihre Investmentstrategie neu ausgerichtet. Mithilfe eines nachhaltigen Bewertungsmodells werden seither die Kapitalanlagen nach vielfältigen Kriterien aus den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung bewertet und beobachtet. Dies führte dazu, dass in den vergangenen Jahren der dauerhafte Ausstieg aus Kohle-Investments gelungen ist und bereits über 500 Mio. EUR in Richtung Nachhaltigkeit verschoben wurden.
5. Ausrichtung auf nachhaltige Geschäftsmodelle und langfristig profitieren.
Je umfassender ein Unternehmen bei seinen wirtschaftlichen Zielen auf Nachhaltigkeit setzt, desto leichter fällt es KundInnen fundierte Entscheidungen zu treffen und selbstbestimmter zu leben. Der schonende Umgang mit Ressourcen wie Energie, Wasser und Nahrungsmitteln ist dabei jedoch eine große Herausforderung in der Praxis. Die immer sichtbarer werdenden Auswirkungen von Verschmutzung und Vermüllung unseres Planeten, wie zum Beispiel durch Plastik, zeigen gleichzeitig deutlich, dass zirkuläre und regenerative Geschäftsmodelle in Zukunft unabdingbar sind.
Auch wenn ihr Weg zu mehr Nachhaltigkeit im Geschäft noch nicht beendet ist, setzen die Mitglieder der WWF CLIMATE GROUP aus diesem Grund bereits wegweisende Maßnahmen. So ruft IKEA zu einem nachhaltigeren Wohnen auf, indem beispielsweise im Sinne der Kreislaufwirtschaft ein Möbelrückkauf und Reparaturen angeboten werden. Die ÖBB wiederum hat den Anspruch, Österreichs klimafreundlichstes Unternehmen zu werden und stellte daher ihre Bahnstromversorgung zu 100% auf erneuerbare Energien um.
6. Gemeinsam in die Natur investieren.
Um umfassend nachhaltig zu agieren, müssen Unternehmen auch entlang der Lieferkette Nachhaltigkeit fördern und über die eigenen Systemgrenzen hinaus lenkend einwirken.
Der österreichische Einzelhandelskonzern SPAR hat in diesem Zusammenhang das Projekt „Humus für den Klimaschutz“ ins Leben gerufen. Durch humusaufbauende Maßnahmen, wie zum Beispiel die schonende Bearbeitung des Bodens, eine spezielle Düngung und eine ausgewählte Fruchtfolge, bauen LandwirtInnen wichtigen Humus auf und speichern damit CO2 im Boden. Das klimafreundliche Handeln belohnt SPAR mit Extra-Prämien.
Im Rahmen seiner Cradle to Cradle Zertifizierung arbeitet auch beispielsweise das Druckunternehmen gugler mit Erfolg eng mit LieferantInnen zusammenarbeiten, um Änderungen von nachhaltigen Rezepturen zu erwirken.
7. Anwaltschaft für die Natur übernehmen.
Um eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen, müssen Natur- und Klimaschutz Hand in Hand gehen. Bewusstseinsbildung bei EntscheidungsträgerInnen und Milliarden von VerbraucherInnen ist entscheidend, um nachhaltiges Verhalten zu fördern und ganzheitlich systemische Herausforderungen anzugehen. Das sogenannte Superjahr 2020 bietet die einmalige Gelegenheit für einen „New Deal for Nature and People“, um Regierungen, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zum Schutz unserer Ökosysteme zu motivieren. So wie unternehmerisches Handeln und Lobbyarbeit dazu beigetragen haben, dass 2015 in Paris ein Klimaabkommen zustande kam, können wir nun die globalen Anstrengungen zum Schutz der Vielfalt des Lebens und unseres Planeten verstärken.
Durch die Unterstützung von politischen Appellen wie dem Klimavolksbegehren oder dem Solarappell, einer Initiative von Global2000 und dem WWF, können Unternehmen ihre Stimme für einen dringend notwendigen Richtungswechsel abgeben. Durch die Kraft des Zusammenschlusses in Netzwerken wie der WWF CLIMATE GROUP oder Business for Nature wird ihre Stimme verstärkt. Mit dieser mutigen Pionierarbeit und der damit verbundenen Glaubwürdigkeit werden auch andere inspiriert – und jede weitere Stimme im Kampf gegen die Klimakrise ist dringend notwendig.
8. Grüne Innovationen fördern und Ziele anhand der SDGs festlegen.
Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und das Pariser Klimaabkommen bieten eine universelle Agenda für den Wandel mit bedeutenden Geschäftsmöglichkeiten. Laut Prognosen können die SDGs 380 Millionen Arbeitsplätze schaffen und 12 Billionen Dollar freisetzen. Immer mehr Unternehmen integrieren die SDGs bereits in ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung. Der nächste Schritt ist nun die Verankerung dieser Ziele im Kerngeschäft des Unternehmens.
Gezielte Aktionen erhöhen das Bewusstsein und das Engagement bei MitarbeiterInnen zur Erreichung der SDGs zusätzlich stark. Das zeigt beispielsweise Mondi bei dem jährlich stattfindenden Making a Difference Day, wo MitarbeiterInnen erfahren, welchen Beitrag sie im Alltag zur Erreichung der SDGs leisten können. Auch SPAR setzt im Rahmen seiner Nachhaltigkeitsstrategie auf das Thema und leitet die eignen CSR-Ziele in die jeweiligen SDGs um.
9. Technik wirksam einsetzen.
Neue Technologien und Innovationen eröffnen bislang unbekannte Dimensionen, Nachhaltigkeitsziele zu definieren und zu erreichen. So können beispielsweise mit Hilfe von Blockchains Nahrungsmittel über die gesamte Lieferkette nachverfolgt werden. Das schafft volle Transparenz für KonsumentInnen und verhindert illegale, umweltschädliche oder unfaire Produkte. Auch beim Klimaschutz-Schlüsselthema Energie braucht es innovative Unternehmen, die vorangehen und neue Technologien einer breiten Masse zugänglich machen. Als neuestes WWF CLIMATE GROUP Mitglied setzen hier beispielsweise die ÖBB auf den Ersatz von Diesel-Loks durch batteriebetriebene Nahverkehrszüge.
Ochsner bietet mit seinen Wärmepumpen nicht nur umweltfreundliche Produkte an, das Unternehmen nutzt auch neue Technologien, um energieeffizienter zu produzieren.
10. Schritt: Support nutzen.
Wir brauchen eine mutige Richtungsänderung und wir brauchen sie jetzt.
Gehen auch Sie den ersten Schritt.
Wenn Sie nicht sicher sind, wo Sie beginnen sollen – kontaktieren Sie den WWF! Wir stehen Ihnen gerne mit einem Rat für ein Gespräch zur Verfügung und freuen uns über den Austausch mit Ihnen!
Rückfragen
News
Aktuelle Beiträge
Was wir von der Klimakonferenz COP 29 erwarten
© adobestock/Jon Le BonZwei sehr wichtige Wochen für das Klima: Von 11. – 22. November 2024 findet die 29. Internationale Klimakonferenz in Baku/ Aserbaidschan statt. Dieser...
Weltnaturkonferenz: WWF kritisiert fehlende Fortschritte
Wichtige Beschlüsse zur Finanzierung ausständig, der Politik fehlen Ambition und Konsequenz – Vorläufiges Scheitern der Konferenz als “herbe Enttäuschung”
Neue Studie: Über 1.000 Flusskilometer mit hohem Renaturierungs-Potenzial in Österreich
Große heimische Flüsse auf Verbauungsgrad analysiert – WWF fordert Schwerpunkt auf Flüssen im österreichischen Renaturierungsplan und Schutz frei fließender Strecken
WWF fordert starkes Klimaschutz-Kapitel im neuen Regierungsprogramm
Neue ökosoziale Steuerreform, Reduktion des Energieverbrauchs und Klimaschutzgesetz als Kernpunkte – “Mehr Klimaschutz unverzichtbar für zukunftsfähigen Wirtschaftsstandort”, sagt Ökonomin Sigrid Stagl
WWF fordert Absage von Anton Mattle zu Kaunertal-Ausbauplänen
Tiwag beharrt auf Wasserableitungen aus dem Ötztal – WWF fordert Landeshauptmann zu Klarstellung auf – Auch Speichervariante im Platzertal muss gestoppt werden
Weltnaturkonferenz: WWF ortet großen Nachholbedarf bei österreichischer Biodiversitätsstrategie
Start der COP16 in Kolumbien – Österreich läuft Gefahr, Ziele des Weltnaturabkommens zu verfehlen – WWF fordert nationalen Aktionsplan zum Schutz der biologischen Vielfalt
Good News: Rekord der Meeresschildkröten auf Zakynthos
Am Strand Sekania auf der griechischen Insel Zakynthos wurde heuer eine Rekordzahl an Nestern der Meeresschildkröte Caretta caretta gefunden. Außerdem überlebten besonders viele Jungtiere.
Grenzenlos verbunden: INN Dialog diskutiert über Zukunft des Inns
Internationaler Austausch zu Schutz und Wiederherstellung der Natur am Inn – Reges Interesse und über 100 Teilnehmende bei Fachvorträgen und Exkursionen